Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 16.6.2016
Thomas Weibel Nationalrat GLP Kanton Zürich
Effiziente Bewirtschaftung der Spezialitätenliste
Die Interpellation von Thomas Weibel haben wir in ARS MEDICI 17/16 vorgestellt.
Am 31.8.2016 antwortete der Bundesrat wie folgt:
1. Die meisten Arzneimittel der Spezialitätenliste wurden in den Jahren 2012 bis 2014 vom für die SL zuständigen Bundesamt für Gesundheit (BAG) einer Überprüfung unterzogen. Diese Überprüfungen und die damit zusammenhängenden allfälligen Preisanpassungen erfolgten in der Regel ausschliesslich anhand eines Auslandpreisvergleichs, der auch weiterhin ein massgebliches Kriterium bei der Preisfestsetzung darstellt. Aufgrund der Tatsache, dass der Schweizer Franken seither weiter erstarkt ist, geht der Bundesrat davon aus, dass die aktuellen SL-Preise im Vergleich zu den Referenzländern zu hoch sind. 2. Das Bundesgericht kam in seinem Urteil vom 14. Dezember 2015 zum Schluss, dass das Bundesgesetz über die Krankenversicherung vorgebe, dass die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit im Rahmen jeder Überprüfung gleichermassen geprüft werden müssen. Der Bundesrat hat hierauf am 24. Februar 2016 entschieden, dass die für die Überprüfung der Aufnahmebedingungen massgeblichen Verordnungsbestimmungen anzupassen sind. Er hat die
entsprechende Vorlage am 6. Juli 2016 in die Vernehmlassung gegeben. Vorgesehen ist, dass bei jeder Überprüfung alle drei Kriterien, Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit, überprüft werden und dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung immer sowohl der Auslandpreisvergleich wie auch der Vergleich mit anderen Arzneimitteln, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden (sogenannter therapeutischer Quervergleich, TQV), berücksichtigt werden. 3. Der Bundesrat sieht weiterhin vor, dass jährlich ein Drittel der SL-Arzneimittel überprüft wird. Dies vor allem auch darum, weil die nun vorgesehene systematische Überprüfung aller drei WZW-Kriterien bei jeder Überprüfung eines Arzneimittels zu einem erheblichen Mehraufwand beim BAG führen wird, weshalb eine Gesamtüberprüfung aller SLArzneimittel im Jahr 2017 mit den bestehenden Ressourcen nicht möglich ist. 4. Erfüllt ein Arzneimittel nicht mehr alle WZW-Kriterien, so kann es aus der SL gestrichen werden. Erweist sich ein Arzneimittel jedoch im Vergleich zu anderen Arzneimitteln, die zur Behandlung
derselben Krankheit eingesetzt werden, bei gleicher Wirksamkeit lediglich als zu teuer, so ist nach einer Preisanpassung eine weitere Listung in der SL möglich. 5. Das BAG setzt bereits heute EDV-Systeme ein. So wird im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Auslandpreisvergleich mittels einer Online-Applikation ermittelt. Die Zulassungsinhaberinnen tragen dabei die Preise der Arzneimittel für alle Referenzländer ein. Das BAG prüft, ob künftig die Zulassungsinhaberinnen auch Informationen für den TQV analog erfassen können. Weitere Arbeitsprozesse können nicht über EDV-Systeme bewältigt werden und tragen daher nicht zu einer Beschleunigung des SL-Aufnahmeverfahrens oder von Überprüfungen bei. Die Überprüfung der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit muss durch entsprechend qualifizierte Mitarbeitende erfolgen, da dies die Beurteilung klinischer Studiendaten erfordert. Ebenso die Durchführung des TQV, da festgelegt werden muss, mit welchen Arzneimitteln der Vergleich durchgeführt wird und wie die Tagestherapie- oder Kurkosten im Einzelnen berechnet werden.
6. Seit 1. Juni 2015 ist vorgesehen, dass Arzneimittel der SL aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer therapeutischen Gruppe überprüft werden. Arzneimittel gleicher Indikation werden dadurch gleichzeitig überprüft. So können unterschiedliche Preise für vergleichbare Arzneimittel in Zukunft vermieden werden. Damit wird die Gleichbehandlung von direkten Konkurrenten erreicht. Mit einer Lösung, bei der jährlich nur ein Drittel der Arzneimittel der SL überprüft wird, ist nicht zu verhindern, dass einzelne Zulassungsinhaberinnen früher von der Überprüfung betroffen sind. Mit der Anpassung der massgeblichen Verordnungsbestimmungen vom 29. April 2015 hatte der Bundesrat auch das Ziel, die Transparenz der Entscheidungen bezüglich der SL zu verbessern. Daher publiziert das BAG nun nach einer Neuaufnahme oder Indikationserweiterung respektive Limitierungsänderung die Grundlagen seiner Beurteilung. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit den genannten Massnahmen die Gleichbehandlung der SL-Arzneimittel, die Transparenz und die Rechtssicherheit gewährleistet sind; weitere Massnahmen sind daher nicht geplant.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
1066 ARS MEDICI 23 I 2016
www.msf.ch PK 12-100-2
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 16.6.2016
Rosmarie Quadranti Nationalrätin BDP Kanton Zürich
Ist die Gesundheit älterer Menschen in der Schweiz durch die zunehmende Klimaerwärmung gefährdet? Was unternimmt die Schweiz?
Die Interpellation von Rosmarie Quadranti haben wir in ARS MEDICI 18/16 vorgestellt.
Dies die Antwort des Bundesrats vom 31.8.2016:
1. Für den Bundesrat ist der Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und gesundheitlichen Folgen durch eine Vielzahl von Studien belegt. Direkte Effekte wie extreme Hitzeperioden stellen bereits heute eine Gefahr für die Gesundheit dar. Indirekte Auswirkungen beeinflussen die Verbreitung der durch Vektoren (z.B. Stechmücken oder Zecken) übertragenen Infektionskrankheiten. 2. Der Bundesrat stellt fest, dass aus diversen Studien eine klare Evidenz hervorgeht, wonach insbesondere für ältere Personen Hitzewellen ein lebensbedrohliches Risiko darstellen können. Ältere Menschen verfügen über eine schlechtere Wärmeregulation. Sie schwitzen weniger und haben ein vermindertes Durstgefühl. Dies macht sie anfällig für Hitzestress und kann ihr HerzKreislauf-System beeinträchtigen. Auch die während Hitzeperioden meist erhöhte Ozonkonzentration in der Luft kann gesundheitliche Beschwerden wie Augenbrennen und Atemwegsbeschwerden verursachen. Es gibt hingegen nur wenige Beweise, dass Frauen stärker betroffen sind als Männer. Eine Studie der Universität Basel hat gezeigt, dass bei der Hitzewelle im Jahr 2003 die Mortalität bei den Frauen leicht höher (7,5%) war als bei den Männern (6,1%). In einer aktuellen Studie zum Hitzesommer 2015 (noch nicht veröffentlicht) deuten die Resultate auf eine tiefere hitzebedingte Sterblichkeit bei den Frauen (5%) als bei den Männern (6%) hin. 3. Einzelne Kantone, Städte und Gemeinden beschäftigen sich bereits aktiv mit Aspekten der Anpassung an den Klimawandel
und haben Grundlagendokumente oder Strategien für eine solche Anpassung entwickelt. Der Bund analysiert die durch den Klimawandel verursachten Risiken und Chancen in einer landesweiten Studie. Bis anhin wurden acht kantonale Fallstudien in den Kantonen Aargau, Jura, Freiburg, Genf, Basel-Stadt, Graubünden, Uri und Tessin durchgeführt. Ein Synthesebericht wird nächstes Jahr veröffentlicht. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Infektionskrankheiten wird nach wie vor im Wesentlichen vom Reiseverhalten der Personen bestimmt. Mit den zukünftigen veränderten klimatischen Bedingungen besteht jedoch die Möglichkeit einer Verbreitung von neuen (z.B. Chikungunya- und Denguefieber) oder bereits bestehenden (z.B. zeckenübertragene Krankheiten wie Frühsommer-Meningoenzephalitis und Borreliose) Infektionskrankheiten. Um das Risiko von durch Vektoren übertragenen Krankheiten frühzeitig zu erkennen, werden die von Süden her einwandernden Tigermücken im Tessin und entlang der Nord-Süd-Verkehrsachsen überwacht und bekämpft. 4. Der Bundesrat hat im ersten Teil seiner Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz vom 2. März 2012 die Ziele für die Anpassung auf Bundesebene formuliert, die grössten Risiken und Herausforderungen beschrieben und Handlungsfelder für neun Sektoren, darunter auch die Gesundheitspolitik, identifiziert. Im zweiten Teil der Strategie vom 9. April 2014 wird im Rahmen eines Aktionsplans aufgezeigt, wie die Schweiz ihre Anpassungsziele erreichen und die Herausforde-
rungen bewältigen will. Die Strategie des Bundesrates setzt den Rahmen für das koordinierte Vorgehen der Bundesämter bei der Anpassung an den Klimawandel. Als Folge des Rekordsommers 2003 hat das Bundesamt für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt Verhaltensempfehlungen und Informationen für die Bevölkerung erarbeitet und stellt diese jeden Sommer den Kantonen und weiteren betroffenen Akteuren wie zum Beispiel Einrichtungen der Langzeitpflege zur Verfügung (www.hitzewelle.ch). Zusätzlich soll für kantonale Behörden ein Leitfaden für den Umgang und das Management der Auswirkungen von lang andauernden Hitzewellen erstellt werden, damit bei den relevanten Zielgruppen effektive Massnahmen ergriffen werden können. Die kantonalen Massnahmen sind heterogen und reichen von einfachen Verhaltensanweisungen bis zu Betreuungsmassnahmen. Insbesondere in der Südund Westschweiz wurden im Rahmen von Hitzeplänen (z. B. Kanton Waadt) Betreuungsmassnahmen für verletzliche Personengruppen durch den Zivilschutz seit 2003 verstärkt oder Frühwarnsysteme eingeführt (Kantone Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf). 5. Die Deklaration von Parma stand im Zeichen des Schutzes der Kinder in einer sich ändernden Umwelt. Mit der Strategie und dem Aktionsplan zur Anpassung an den Klimawandel (vgl. Ziff. 4) hat der Bundesrat eine wichtige Massnahme ergriffen, um die in Ziffer 3a der Parma-Deklaration erwähnten gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu reduzieren. 6. Dem Bundesrat sind keine Kostenfolgenschätzungen der Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit für die gesamte
Schweiz bekannt. Die in den kantonalen Fallstudien (vgl. Ziff. 3) zum Zwecke des Vergleichs mit Risiken in anderen Auswirkungsbereichen vorgenommene Monetarisierung der gesundheitlichen Risiken zeigt, dass die finanziellen Auswirkungen der klimabedingten Gefahren für die Gesundheit vergleichsweise gross ausfallen können. Im Rahmen der Nationalen Risikoanalyse für Katastrophen und Notlagen des BABS werden für ein mit dem Rekordsommer 2003 vergleichbares Hitzewellenszenario rund 550 Millionen Franken direkte Schäden geschätzt und wird mit einer Reduktion der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von rund 850 Millionen Franken gerechnet (www. babs.admin.ch ¨ Weitere Aufgabenfelder ¨ Gefährdungen und Risiken ¨ Nationale Gefährdungsanalyse). Die mit Hitzewellen verbundenen Kosten umfassen vorzeitige Todesfälle, eine erhöhte Anzahl Spitaleinweisungen und zusätzlichen Pflegeaufwand, geringere Leistungsfähigkeit und damit Produktivitätsverluste. Weiter kann die durch den Klimawandel verlängerte Vegetationsperiode viele Allergiker beeinträchtigen. Dazu kommen die durch Infektionskrankheiten (infolge von Verunreinigungen von Lebensmitteln und Wasser, durch vermehrte Übertragung durch Zecken und andere) verursachten Kosten. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Kosten für präventive Anpassungsmassnahmen zur Minimierung dieser Risiken in Zukunft mit fortschreitendem Klimawandel stark zunehmen werden. Sie werden aber nur einen Bruchteil der erwarteten volkswirtschaftlichen Kosten der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels ohne diese Anpassungsmassnahmen betragen.
ARS MEDICI 23 I 2016
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