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FORTBILDUNG
Menopause – die aktuellen NICE-Empfehlungen
Was sagen, was nicht sagen – was tun, was nicht tun?
Im November hat das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) eine neue Guideline zur Diagnostik und zum Management der Menopause herausgegeben, die auf dem heutigen Stand des Wissens zum Thema beruht.
Bei Frauen, die eine hormonelle Kontrazeption mit kombinierten Estrogenen und Gestagenen oder hoch dosierten Gestagenen benutzen, soll zur Menopausediagnose kein FSH-Text durchgeführt werden. Dieser ist nur indiziert bei Frauen zwischen 40 und 45 Jahren mit menopausalen Symptomen inklusive Zyklusveränderungen sowie bei Menopauseverdacht bei noch jüngeren Frauen (< 40 J.). National Institute for Health and Care Excellence Bei sonst gesunden Frauen über 45 Jahre mit menopausalen Symptomen ist zu unterscheiden zwischen Perimenopause (solange noch unregelmässige Blutungen vorkommen) und Menopause bei Frauen, die während mindestens der letzten zwölf Monate keine Perioden mehr hatten (und keine hormonelle Kontrazeption benutzen). Bei Frauen ohne Uterus beruht die Diagnose einer Menopause hingegen nur auf den Symptomen. Zur Diagnosestellung sollen folgende Labor- und Bildgebungsmethoden ausdrücklich nicht eingesetzt werden: O Anti-Müller-Hormon O Inhibin A und B O Estradiol O Zählung der antralen Follikel und Ovarialvolumen. MERKSÄTZE O Die neuen NICE-Guidelines zur Menopause fordern ausdrücklich zu einem individuellen Vorgehen nach eingehender Information der Betroffenen auf. O Für die von Wechseljahresbeschwerden betroffenen Frauen ist eine Erklärung der normalen Abläufe und Symptome in der Perimenopause und Menopause notwendig und hilfreich. O Therapeutisch kommen medikamentöse und verhaltenstherapeutische Ansätze in Betracht. O Insbesondere sollen Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie ausführlich mit den Betroffenen besprochen werden. O Alle eingesetzten Therapien sollten nach den ersten drei Monaten im Hinblick auf Wirksamkeit und Verträglichkeit evaluiert werden; danach sind jährliche Überprüfungen angezeigt. Information und Beratung Menopausale Frauen und je nach Gegebenheiten ihre Familienmitglieder oder Pflegepersonen sollen Informationen erhalten zu den verschiedenen Stadien der Menopause und zu den häufigen Symptomen sowie zu Veränderungen des Lebensstils und anderen Interventionen, die Allgemeingesundheit und Wohlbefinden steigern können. Zu diesen Informationen gehören auch Erörterungen des Nutzens und der Risiken der verschiedenen Therapien für menopausale Symptome sowie die Aufklärung über die gesundheitlichen Langzeitfolgen der Menopause. Wichtig für die Betroffenen ist auch das Wissen, dass neben den Zyklusveränderungen vasomotorische (Wallungen, Schwitzen), muskoskelettale (Gelenk- und Muskelschmerzen) und urogenitale (trockene Vagina) Symptome vorkommen und dass die Perimenopause und Menopause mit Gemütsveränderungen (depressive Verstimmungen) und sexuellen Schwierigkeiten (geringes sexuelles Verlangen) einhergehen können. Frauen sollen auch Informationen zur Kontrazeption in der perimenopausalen und postmenopausalen Phase erhalten. Patientinnen, die infolge von medikamentösen oder chirurgischen Massnahmen wahrscheinlich eine Menopause durchmachen werden, müssen rechtzeitig Hilfestellung und vor der geplanten Therapie Informationen zur Fertilität erhalten. Wie kurzfristig umgehen mit menopausalen Symptomen? Wechseljahresbeschwerden ändern sich im Verlauf, entsprechend soll auch die Therapie angepasst werden. Frauen mit vasomotorischen Symptomen soll nach Aufklärung über den kurzfristigen (bis 5 Jahre) und langfristigen Nutzen und die Risiken eine Hormonersatztherapie (hormone replacement therapy, HRT) angeboten werden. Bei Frauen mit Uterus ist eine Estrogen-Gestagen-Kombination, bei solchen ohne Uterus Estrogen allein einzusetzen. Die NICE-Guideline rät ausdrücklich davon ab, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) oder Clonidin gegen vasomotorische 324 ARS MEDICI 7 I 2016 FORTBILDUNG Wie vorgehen bei vorzeitiger Ovarialinsuffizienz? Für die Diagnose einer vorzeitigen Ovarialinsuffizienz muss die individuelle Anamnese (insbesondere vorangegangene medizinische oder chirurgische Behandlungen) berücksichtig werden. Die Diagnose «vorzeitige Ovarialinsuffizienz» beruht grundsätzlich auf der Kombination von menopausalen Symptomen (fehlende oder seltene Blutungen) und erhöhten Spiegeln des follikelstimulierenden Hormons (FSH) in zwei Blutproben, die im Abstand von vier bis sechs Wochen entnommen wurden. Eine einzige Blutuntersuchung reicht somit nicht aus, und die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons ist für die Diagnose nicht notwendig. Frauen mit vorzeitiger Ovarialinsuffizienz soll ein Ersatz von Geschlechtshormonen angeboten werden. Dies kann eine HRT oder ein kombiniertes hormonelles Kontrazeptivum sein, sofern keine Kontraindikationen wie hormonempfindliche Tumoren vorliegen. Die Patientinnen müssen darüber informiert werden, dass es für sie wichtig ist, mit einer HRT oder kombinierten oralen Kontrazeption zu beginnen und diese mindestens bis zum Alter der natürlichen Menopause fortzuführen. Zur Information gehört auch der Hinweis, dass das Ausgangsrisiko für Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen für die weibliche Bevölkerung mit zunehmendem Alter ansteigt, aber unter 40 Jahren sehr tief ist. Im Vergleich zu kombinierten oralen Kontrazeptiva kann die HRT den Vorteil haben, dass sie einen günstigen Effekt auf den Blutdruck hat. Sowohl HRT wie kombinierte orale Kontrazeptiva bieten einen Schutz der Knochen. Patientinnen mit vorzeitiger Ovarialinsuffizienz, die eine HRT erhalten, müssen wissen, dass diese keinen Kontrazeptionsschutz bietet. Frauen mit vorzeitiger Ovarialinsuffizienz und Kontraindikationen für Hormonbehandlungen müssen über die Risiken für Knochen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgeklärt und auf verbleibende Möglichkeiten zur Prävention und Symptombekämpfung hingewiesen werden. Symptome allein als First-line-Therapie anzubieten. Betroffene sollen darauf hingewiesen werden, dass es zwar eine gewisse Evidenz für die Wirksamkeit von Isoflavonen und Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) gibt, dass aber nicht alle Präparate im Handel gleichwertig und gleich sicher oder einfach austauschbar sind und dass Wechselwirkungen mit anderen Arzneien beschrieben wurden. Bei depressiven Verstimmungen kann eine HRT oder eine kognitive Verhaltenstherapie helfen. Für SSRI oder SNRI konnte bei Fehlen einer eigentlichen Depression bei menopausalen Frauen mit Stimmungsschwankungen keine klare Evidenz gefunden werden. Bei belastender sexueller Inappetenz kann Testosteron in Betracht kommen, wenn die HRT in dieser Hinsicht nicht effektiv ist. Bei urogenitaler Atrophie (auch unter systemischer HRT) sollen vaginal applizierbare Estrogene verschrieben und so lange angewendet werden, bis die Symptome sich gebessert haben. Die Betroffenen müssen darauf hingewiesen werden, dass die topische Estrogenbehandlung nur sehr selten Nebenwirkungen hat, dass aber die Symptome oft wiederkehren, wenn sie abgesetzt wird. Zusätzlich können bei Scheidentrockenheit befeuchtende Substanzen und Gleitmittel helfen. Komplementärtherapien und frei erhältliche Präparate Für frei erhältliche «bioidentische» Hormone ist zur Wirksamkeit und Sicherheit nichts Sicheres bekannt. Frauen, welche diese einsetzen wollen, sollen auf die Qualitäts- und Reinheitsprobleme sowie die nicht klar charakterisierte Zusammensetzung solcher Präparate hingewiesen werden. Patientinnen, die an Brustkrebs erkrankt waren oder ein hohes Brustkrebsrisiko tragen, kann erklärt werden, dass Johanniskrautprärate bei vasomotorischen Symptomen helfen können, dass aber eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der adäquaten Dosis und der Dauer der Wirkung besteht, dass verschiedene Präparate unterschiedliche Wirkstoffe enthalten und dass es auch Unterschiede in der Wirkstärke gibt. Ferner muss die Information erfolgen, dass Johanniskrautpräparate ernstzunehmende Interaktionen mit anderen Medikamenten (inkl. Tamoxifen, Antikoagulanzien und Antikonvulsiva) aufweisen. Therapieüberwachung Alle eingesetzten Therapien sollten nach den ersten drei Monaten im Hinblick auf Wirksamkeit und Verträglichkeit evaluiert werden. Danach sind jährliche Überprüfungen angezeigt, ausser wenn Ineffektivität, Nebenwirkungen oder schwerwiegende unerwünschte Ereignisse eine frühere Kontrolle notwendig erscheinen lassen. Hat die angewendete Behandlung nicht den angestrebten Erfolg, ist eine Überweisung zu Menopausespezialisten zu erwägen. Dies gilt auch bei Kontraindikationen für die HRT oder therapeutischen Unklarheiten. Die Patientinnen müssen vor einer HRT aufgeklärt werden, dass zu Beginn unregelmässige vaginale Blutungen häufig und kein Grund zur Beunruhigung sind. Treten solche Blutungen aber nach der Dreimonatskontrolle auf, sind sie Grund für eine ärztliche Kontrolle. Soll eine HRT beendet werden, ist für die Betroffenen wichtig zu wissen, dass ein graduelles Ausschleichen das Wiederauftreten von Symptomen begrenzen kann, dass aber langfristig zwischen Ausschleichen und abruptem Therapiestopp hinsichtlich der Symptome kein Unterschied besteht. Frauen in der Menopause mit Brustkrebs oder hohem Brustkrebsrisiko müssen über alle verfügbaren Therapiemöglichkeiten aufgeklärt werden. Speziell ist darauf hinzuweisen, dass Brustkrebspatientinnen, die Tamoxifen einnehmen, die SSRI Paroxetin und Fluoxetin nicht verschrieben werden dürfen. Informationen zu Langzeitnutzen und -risiken Im Vergleich zur unbehandelten Allgemeinbevölkerung ist das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) unter oraler HRT erhöht. Das Risiko ist auch mit oralen im Vergleich zu transdermalen Präparaten erhöht. Eine transdermale HRT in Standarddosierungen erhöht das Risiko im Vergleich zum VTE-Risiko der Allgemeinbevölkerung aber nicht. Dies spricht dafür, eine transdermale HRT bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko oder mit einem Body-Mass-Index über 30 kg/m2 der oralen HRT vorzuziehen. Bei Frauen mit hohem VTE-Risiko ist vor HRT-Beginn der Beizug eines Hämatologen in Betracht zu ziehen. 326 ARS MEDICI 7 I 2016 FORTBILDUNG Menopausale Frauen sollten erfahren, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen nicht erhöht ist, wenn die HRT bei unter 60-Jährigen begonnen wird, und dass das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, nicht erhöht ist. Auch sind bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren keine Kontraindikation für eine HRT, sofern sie optimal behandelt werden. Je nachdem, wie viele dieser Risikofaktoren vorliegen, unterscheidet sich das Risiko für koronare Herzerkrankungen (KHK) und Hirnschlag bei Frauen in den Wechseljahren. Eine HRT mit Estrogen allein geht mit keinem oder einem reduzierten KHK-Risiko einher. Eine kombinierte HRT ist hingegen mit keinem oder einem gering erhöhten KHK-Risiko assoziiert. Die Aufklärung der Patientinnen soll den Hinweis enthalten, dass orales (aber nicht transdermales) Estrogen mit einem geringen Anstieg des Hirnschlagrisikos assoziiert ist. Dieses Risiko ist aber bei Frauen unter 60 Jahren grundsätzlich sehr klein. Frauen, die eine orale oder transdermale HRT anwenden, haben kein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes. Typ-2Diabetikerinnen sollen erfahren, dass die HRT generell nicht mit negativen Effekten auf die Blutzuckerkontrolle einhergeht. Für Typ-2-Diabetikerinnen mit menopausalen Symptomen kommt somit eine HRT unter Berücksichtigung allfälliger Komorbiditäten durchaus in Betracht. Auch das Ausgangsrisiko für Brustkrebs hängt bei Frauen in der Zeitspanne der Wechseljahre von den zugrunde liegenden Risikofaktoren ab, ist also individuell unterschiedlich. Eine HRT mit Estrogen allein ist mit keiner oder einer nur gering- fügigen Veränderung des Brustkrebsrisikos assoziiert, eine kombinierte HRT kann jedoch mit einem höheren Brustkrebs- risiko einhergehen. Dieses Risiko ist von der Dauer der HRT abhängig und reduziert sich nach deren Absetzen wieder. Die Gefahr osteoporosebedingter Knochenbrüche ist im Menopausealter generell gering und von der individuellen Risikokonstellation abhängig. Während der Anwendung einer HRT ist das Frakturrisiko vermindert, aber dieser Nut- zen verschwindet nach dem Absetzen der HRT wieder. Es gibt Hinweise, dass der günstige Einfluss auf Knochenbrüche länger anhält, wenn Frauen eine HRT länger anwenden. Ob die Anwendung einer HRT für menopausale Frauen das Demenzrisiko beeinflusst, ist unbekannt. Hingegen gibt es limitierte Evidenz, die darauf hindeutet, dass eine HRT die Muskelmasse und Muskelkraft verbessern kann, was für die Aufrechterhaltung der Alltagsaktivitäten günstig ist. O Halid Bas Quelle: Menopause: diagnosis and management. NICE Guideline 23, www.nice.org.uk/ guidance/ng23 ARS MEDICI 7 I 2016 327