Transkript
INTERVIEW
«Nicht hinter jeder Hirnleistungsstörung steckt ein neurodegenerativer Prozess»
Interview mit Dr. Michael Ehrensperger, Memory Clinic Basel
In einer immer älter werdenden Bevölkerung wächst die Zahl der von Demenzerkrankungen Betroffenen weiter an. Doch nicht jeder ältere Mensch, der geistige Defizite zeigt, ist gleich dement. Und rechtzeitig entdeckt, lässt sich auch einer tatsächlichen Neurodegeneration therapeutisch entgegenwirken. Zur Abklärung eines entsprechenden Handlungsbedarfs stehen diverse Screening- beziehungsweise «Case-finding»-Instrumente zur Verfügung. Wir sprachen mit Dr. Michael Ehrensperger, Memory Clinic Basel, Universitäre Altersmedizin und Rehabilitation, Felix PlatterSpital, über BrainCheck, einen von ihm mitentwickelten neuen, auf den Bedarf des Allgemeinpraktikers zugeschnittenen Test, sowie darüber, was solche Tools leisten können und warum und wann der Hausarzt diese einsetzen sollte.
ARS MEDICI: Herr Dr. Ehrensperger, eine Arbeitsgruppe aus Hongkong hat kürzlich im Rahmen einer Metaanalyse insgesamt elf verschiedene Früherkennungstests von Demenzerkrankungen hinsichtlich ihrer diagnostischen Aussagekraft miteinander verglichen (1). Die Unterschiede waren nicht so gravierend. Warum gibt es überhaupt eine so grosse Anzahl
wissen, dass einige solche Verfahren anwenden, andere sind da sehr zurückhaltend, und manche klagen, sie hätten gar keine Zeit, um so etwas wie beispielsweise den MMS, den Mini-Mental-Status-Test, durchzuführen. Der Anspruch an unser Tool war also, möglichst kurz zu sein. Zudem erkennen wir mehr und mehr, wie wichtig die Information von Angehörigen ist. Wir haben daher bewusst darauf verzichtet, beim Patienten eine umfassende Gedächtnisprüfung vorzunehmen und stattdessen versucht, dies über die Fragen abzudecken und die Fremdsicht mit hineinzunehmen. Wir bekommen von Patienten und Angehörigen nicht selten differierende Angaben zum Ausmass der Probleme. Das ist sehr interessant und hat oft diagnostisch auch gewisse Bedeutung, weil bestimmte Erkrankungsformen auch im frühen Stadium mit einer Unfähigkeit zur Einsicht verknüpft sind. Dort ist dann die Fremdanamnese etwas ganz Wichtiges.
ARS MEDICI: Also ist Ihr Test speziell auf den Bedarf von Hausärzten zugeschnitten? Ehrensperger: Ja, genau. Wir können ja mit keinem dieser Verfahren eine Diagnose stellen. Wir können aber Anhaltspunkte bekommen, ob es bedeutsame Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit gab, und das soll dann die Frage triggern: Wie geht es weiter? In den Vorgesprächen für unseren Test hat ein Hausarzt aus der Romandie auf unsere Frage, welche Untersuchungsdauer man uns als Entwickler eines
«Der BrainCheck kostet den Hausarzt etwa 3 Minuten – die müssen ihm das Gehirn wert sein.»
von Tests? Dr. Michael Ehrensperger: Es gibt unterschiedliche Settings, in denen bestimmte Instrumente angewandt werden, und dort liegen unterschiedliche Voraussetzungen vor, welche Art von Informationen überhaupt gewonnen werden können. Sprich: Habe ich nur den Patienten vor mir, nur den Angehörigen oder beide Personen? Ausserdem sind viele Arbeitsgruppen dabei, Bestehendes im Lauf der Zeit zu optimieren und anzupassen, und das hat dann zur Folge, dass in der Zwischenzeit das eine oder andere zusätzliche Instrument entsteht.
ARS MEDICI: Ein solcher Test ist BrainCheck, an dessen Entwicklung die Basler Memory Clinic massgeblich beteiligt war. Was kann Ihr «Case-finding»-Tool besser als die anderen? Ehrensperger: Wir stehen in engem Kontakt zu Hausärzten und
solchen Tests zugesteht, geantwortet: «Deux minutes!» Das war zwar eher unrealistisch, aber diese «deux minutes» waren dann für uns der Ansporn, es möglichst knapp zu machen. Die Durchführung des BrainCheck kostet den Hausarzt etwa 3 Minuten – die müssen ihm das Gehirn wert sein.
ARS MEDICI: Warum ist es überhaupt wichtig, eine Demenzerkrankung frühzeitig zu entdecken, wo doch anscheinend, wenn überhaupt, eher präventive als therapeutische Chancen zur Beeinflussung des Krankheitsgeschehens bestehen? Ehrensperger: Das Ziel aus unserer Sicht ist es, negative Veränderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit möglichst früh zu entdecken, um dann nach Ursachen zu suchen. Wenn die kognitive Leistungsfähigkeit nachlässt, heisst das nicht per
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INTERVIEW
Zur Person
Dr. phil. Michael M. Ehrensperger ist Neuropsychologe und Stellvertretender Leiter der Memory Clinic Basel, Universitäre Altersmedizin und Rehabilitation, Felix Platter-Spital
se, dass ein neurodegenerativer Prozess dahintersteckt. Etwa 10 Prozent der Leistungsminderungen sind auf reversible oder zumindest potenziell reversible Ursachen wie eine Depression oder ein Schlafapnoesyndrom zurückzuführen, und wenn das behandelt ist, können sich die Leistungen wieder bessern. Der andere Punkt ist, dass Patienten oder Angehörige sehr unsicher und irritiert sind, wenn sie merken, dass sich im kognitiven Bereich etwas verändert. Für viele ist es
«Würden wir alle 150 Jahre alt, wären wir alle dement.»
wichtig, da Gewissheit zu haben. Das Thema Prävention bekommt, auch aufgrund der begrenzten Möglichkeiten der Antidementiva, einen wachsenden Stellenwert: Es gibt eine Reihe von Faktoren, etwa Übergewicht, fehlende Bewegung oder mangelnde geistige Aktivität, die, positiv beeinflusst, auch Auswirkungen haben hinsichtlich des Ausbrechens einer Demenzerkrankung bei einer neurodegenerativen Ursache. Wir sprechen da von der so genannten kognitiven Reserve: Bei Menschen, die geistig aktiv sind, ändert sich neuropathologisch trotzdem etwas, aber die Fähigkeit des Nervensystems, dies zu kompensieren, bleibt länger erhalten. Das heisst, wenn ich mir Ressourcen erarbeite, um, salopp gesagt, Widerstand gegen den ablaufenden körperlich-biologischen Prozess aufzubauen, dann werde ich länger in einem guten Zustand sein.
ARS MEDICI: Warum sollte eine Vorabklärung auf demenzielle Erkrankungen überhaupt in der Hausarztpraxis erfolgen? Ehrensperger: Ausgangspunkt ist die oft langjährige Beziehung des Patienten zum Hausarzt. Wenn der Patient, der Angehörige oder der Hausarzt das Gefühl hat, dass dies angeraten ist, dann kommt es zur Anmeldung für weitergehende Abklärungen, etwa bei uns in der Memory Clinic. Dieses Vorgehen bezeichnet man als Case-Finding, denn es bestehen erste Anzeichen von Auffälligkeiten. Demgegenüber würde Screening bedeuten, dass die Hausärzte alle Personen ab einem bestimmten Alter routinemässig untersuchen, was sich nicht als sinnvoll erwiesen hat. Insofern hat der Hausarzt hier eine zentrale Rolle, und das Ziel ist, ihm ein Instrument an die
Hand zu geben, mit dem er zumindest einen ersten Eindruck gewinnen und zu einer Entscheidung über das weitere Vorgehen gelangen kann.
ARS MEDICI: Inwiefern gibt der Test da eine Hilfestellung? Ehrensperger: Für unser Tool haben wir gesunde Personen sowie Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen und früher Alzheimer-Demenz untersucht und dann geschaut, mit welchem Algorithmus wir die beiden Gruppen am besten trennen können. Das heisst, wenn ein Patient Ergebnisse zeigt wie die der normal Gesunden, dann lautet die Empfehlung für den Hausarzt, das im Auge zu behalten, «watchful waiting» sozusagen, für ein halbes oder vielleicht ein ganzes Jahr. Wenn jemand Ergebnisse hat, wie sie die Patientengruppe erzielt hat, dann ist eine ausführlichere Abklärung empfohlen. Das ist nun aber kein Gesetz, sondern wir wollen das eher als Anleitung verstanden wissen, in welche Richtung es gehen könnte.
ARS MEDICI: Und eine Einflussnahme oder Form der Therapie erfolgt dann auch in der Hausarztpraxis? Ehrensperger: Neben dem medikamentösen Weg gibt es die verschiedenen nicht medikamentösen Ansätze, bei denen es darum geht, wie man die kognitive Leistungsfähigkeit möglichst lange erhalten kann. Hier empfehlen wir etwa Gedächtnistrainingsgruppen, die in der Regel eine allgemeine kognitive Aktivierung darstellen für moderat bis deutlich fortgeschrittene Patienten, wir vermitteln Strategien für Menschen mit nur leichten Problemen oder beraten hinsichtlich Ernährung, Bewegung und sozialer Interaktion – also eigentlich ein multimodales Programm, das wir mit dem Patienten besprechen und das dann inklusive des medikamentösen Anteils als Empfehlung an den Hausarzt geht. Der setzt das dann mit dem Patienten zusammen um und schaut bei den Konsultationen auch darauf, was unter der Behandlung mit diesen Medikamenten im weiteren Verlauf geschieht. Wir können mit den derzeit verfügbaren Antidementiva ja keine Verbesserung, sondern lediglich eine Verzögerung der Verschlechterung erwarten. Bei Problemen mit der Therapie kann sich der Hausarzt jederzeit nochmals an uns wenden. Und im Falle spezieller, seltener Demenzformen wie etwa der frontotemporalen Lobärdegeneration sowie bei jüngeren Patienten bieten wir den Hausärzten an, dass wir sie bei der optimalen medikamentösen Begleitung dieser Patienten unterstützen und beraten.
ARS MEDICI: Sehr viele Menschen sind von Demenz betroffen. Können Sie konkrete Zahlen nennen? Ehrensperger: In der Schweiz sind es derzeit etwa 116 000 Personen. Und obwohl es mittlerweile in der Vereinigung der Swiss Memory Clinics eine grosse Anzahl entsprechender Einrichtungen gibt, ist die Kapazität zur sorgfältigen Abklärung all der Personen, die betroffen sind, wie es die Nationale Demenzstrategie des Bundes vorsieht, noch nicht erreicht. Da sind wir, wie alle Länder eigentlich, noch auf dem Weg.
ARS MEDICI: Nimmt aus Ihrer Sicht die Häufigkeit der Erkrankung selbst zu oder eher deren Wahrnehmung? Ehrensperger: Einerseits ist sicher die Sensibilisierung inzwischen eher gegeben. Das ist sicherlich der Faktor, der dazu
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erwartungsaspekt erwarten würde. Zur Begründung dessen
Was ist BrainCheck?
gibt es erste Hypothesen, wonach die medizinische Versorgung und die Ernährungssituation inzwischen besser sind
BrainCheck ist ein hausärztliches «Case-finding»-Tool für Patien-
und möglicherweise die diversen Präventionsprogramme
ten ab zirka 60 Jahren, welche die Praxis wegen kognitiver
auch bereits Einfluss ausüben. Das hat im Bereich der Prä-
Beschwerden aufsuchen. Es ist kein Diagnoseinstrument; es soll
vention jetzt noch mal einen Schub gegeben. Die ersten Ana-
helfen, zu entscheiden, ob weitere diagnostische Schritte notwen-
lysen zeigen: Wenn man die Risikofaktoren, etwa körperli-
dig sind.
che Inaktivität und Übergewicht, geringe Ausbildung und
BrainCheck wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas U.
wenig kognitive Aktivität, die man ja eigentlich schon länger
Monsch (Leiter der Memory Clinic Basel) von einer Experten-
kennt, reduzieren kann, dann hat das auch Einfluss auf die
gruppe entwickelt. Der Test baut auf das bis anhin als MementoolTM
Prävalenzzahlen.
erhältliche und an den Patienten gerichtete Untersuchungsinstru-
ment (3 Fragen und Uhrentest) und kombiniert dieses mit einer
ARS MEDICI: Also ein selbstverstärkender Prozess, der da viel-
auf sieben Fragen reduzierten Version des IQCODE (Informant
leicht in Gang kommt?
Questionnaire on Cognitive Decline in the Elderly), mit denen An-
Ehrensperger: Ein bisschen, ja, wobei: Wie schwierig ist doch
gehörige hinsichtlich der Veränderung kognitiver Leistungen des
die individuelle Verhaltensänderung! Das ist jetzt gerade
Patienten in Alltagssituationen befragt werden.
auch ein grosses Thema in einem weiteren Projekt – die
Der an den Patienten gerichtete Teil des Tests wurde im Rahmen
Frage, wie der Hausarzt seinen Patienten hier motivierend,
einer Machbarkeitsstudie von 52 Allgemeinpraktikern hinsichtlich
nicht belehrend, zur Seite stehen kann.
seiner Akzeptanz und Praxistauglichkeit bewertet. Des Weiteren
wurde dieser Teil allein sowie in Kombination mit der an die An-
ARS MEDICI: Kein Früherkennungstest ist hundertprozentig
gehörigen gerichteten Komponente des Untersuchungsinstru-
verlässlich. Demenztests bringen es auf Sensitivitäten und
ments jeweils getrennt voneinander im Rahmen einer Multizenter-
Spezifitäten zwischen 80 und 90 Prozent. Im Vergleich zu
studie in sechs Schweizer Memory Clinics an insgesamt 288 Pa-
manchen Krebsfrüherkennungstests keine schlechten Werte.
tienten mit leichten kognitiven Einschränkungen oder mit Major
Für wie geeignet halten Sie die Demenztests, um auch in der
Depression und an 126 gesunden Probanden respektive an den An-
Hand des Allgemeinpraktikers bestehen zu können?
gehörigen eines Teils beider Gruppen (113 Patienten, 70 Gesunde)
Ehrensperger: Der Begriff «Demenztest» ist problematisch –
einer Validierung unterzogen. Die Durchführung dieser Studien
wir können, wie bereits erwähnt, mit diesen Verfahren nicht
und deren Resultate, auch hinsichtlich der Sensitivität und Spe-
eine Demenz diagnostizieren. Es ist zudem wichtig, nicht ein-
zifität des «Case-finding»-Tools, beschreibt die Arbeitsgruppe
fach nur instrumentengläubig zu sein. Es gibt durchaus die
um Dr. Ehrensperger in ihrer 2014 als Open-Access-Publikation
Situation, wo jemand mit so einem «Case-finding»-Tool
veröffentlichten Arbeit (2).
noch ein unauffälliges Ergebnis hat, er selbst aber dennoch
BrainCheck ist in vier Sprachen (D, E, I, F) erhältlich
das Gefühl hat, etwas stimmt nicht. Mancher Hausarzt
O als Druckversion über Vifor Pharma SA, 1752 Villars-sur-Glâne
schickt den Patienten dann trotzdem zur Abklärung, weil
O als pdf zum Download über die Webseite www.braincheck.ch
dieses Tool nur einen sehr eingeschränkten Bereich geistiger
O sowie über die Internetseite der Memory Clinic Basel
Leistungsaspekte abdeckt. Und umgekehrt ist es so, dass ein
O (www.memoryclinic.ch, Stichwort: Neuropsychologen)
Hausarzt, der das Gefühl hat, da ist möglicherweise etwas im
O als Desktop-Version unter ehealth-labs.de/braincheck-web-2
Busch, eine Zuweisung auch nicht veranlassen wird, ohne
O als App für iPhone/iPad im App Store (zusätzlich in spanischer
dies mit dem Patienten zu diskutieren. Da wird dann bespro-
O Sprache)
chen, dass Auffälligkeiten bestehen und dass eine intensivere
Untersuchung den Verdacht vielleicht ausräumen oder aber,
falls dieser sich bestätigt, bei der Klärung der Frage, was kön-
nen wir, was müssen wir tun, helfen kann.
führt, dass man mehr Demenzen entdeckt. Andererseits ist
das Alter der grösste Risikofaktor – da wir immer älter wer- ARS MEDICI: Wie präsent sind Hausärzten Ihr Tool oder auch
den, ist allein dadurch mit einer Zunahme der Zahl der andere bereits? Gibt es noch Bedarf, das publik zu machen?
Betroffenen zu rechnen. Die provokative These lautet daher: Ehrensperger: Natürlich, immer. Aber zum einen wurde unsere
Würden wir alle 150 Jahre alt, wären wir alle dement.
Arbeit mit «open access» publiziert, man kann sie sich also
kostenlos herunterladen. Zum
anderen gibt es eine Papier-Blei-
«Der Begriff ‹Demenztest› ist problematisch – wir können mit diesen Verfahren stift-Version mit Auswertungs-
nicht eine Demenz diagnostizieren.»
algorithmus und Instruktion, auf was man achten muss.
Hierbei hat die Firma Vifor uns
ARS MEDICI: Wenn man die demografische Entwicklung da her- finanziell unterstützt. Zudem läuft BrainCheck auch als
ausrechnen könnte, was bliebe dann unter dem Strich übrig? Desktop-Version, und für besonders Technikaffine gibt es
Ehrensperger: In Grossbritannien und in nordischen Ländern den Test auch als App. Ausserdem hatten Prof. Monsch und
gibt es jetzt Studien, die Hinweise auf eine gewisse Abnahme ich die Möglichkeit, in Form von Vorträgen unsere Arbeit
geben. Oder anders ausgedrückt: Die Zunahme ist nicht so Hausärzten direkt vorzustellen. Vieles läuft auch über per-
stark, wie man sie eigentlich unter dem Alters- und Lebens- sönliche Gespräche, etwa an Kongressen.
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Kontakt und Information
Schweizerische Alzheimervereinigung: www.alz.ch Rue des Pêcheurs 8 E, 1400 Yverdon-les-Bains, info@alz.ch
Alzheimer-Telefon: 024 426 06 06
Verein Swiss Memory Clinics (SMC): www.swissmemoryclinics.ch Altenbergstrasse 29, Postfach 686, 3000 Bern 8 info@swissmemoryclinics.ch
Memory Clinic Basel: www.memoryclinic.ch Universitäre Altersmedizin, Felix Platter-Spital Schanzenstrasse 55, 4031 Basel memoryclinic@fps-basel.ch
Informationsseite der Vifor Pharma SA: www.mci-info.ch (DocCheck-Zugang erforderlich)
ARS MEDICI: Und was kostet BrainCheck? Ehrensperger: Nichts. Für die Desktop-Version im Internet benötigt man lediglich ein DocCheck-Passwort. Die Druckversion kann man auf der Internetseite unserer Memory Clinic herunterladen oder diese von Vifor gedruckt erhalten. Dort enthält jedes Exemplar auch ein Nachbestellungsformular. Die App dagegen kostet etwas, und zwar deswegen, weil uns die externe Entwicklung viel Geld gekostet hat. Unsere Arbeit wird jetzt auch weltweit heruntergeladen, und es gibt Hausärzte, die benutzen BrainCheck bereits und melden Patienten mit entsprechenden Auffälligkeiten zur Untersuchung bei uns an. Aber es ist nicht so, dass uns die Sachen aus den Händen gerissen werden. Wir kennen das aus eigener Erfahrung: Oft braucht es lange, bis man statt seiner gewohnten Instrumente einmal etwas anderes ausprobiert.
Dazu haben wir uns eine Aufgabe ausgedacht, von der man glaubt, sie fehlerlos bewältigen zu können. Und doch machen die meisten Menschen bestimmte Fehler. Daher ist es wichtig, bei der Testdurchführung immer mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen.
ARS MEDICI: Also ist es dann doch komplexer – die Uhr allein reicht nicht? Ehrensperger: In BrainCheck sind es drei Fragen, der Uhrentest und sieben Fragen an die Angehörigen. Und dieser Fragebogen für die Angehörigen ist explizit auf Veränderungen in den letzten zwei Jahren angelegt.
ARS MEDICI: Abschliessend die Frage: Was sollte man aus Ihrer
Sicht tun, um seine geistigen Fähigkeiten möglichst lange zu
erhalten?
Ehrensperger: Abwechslungsreich geistig aktiv sein – nicht nur
Sudoku oder nur Kreuzworträtsel lösen, sondern sozialer
Austausch, sich geistigen Herausforderungen stellen, die
man dann auch mit anderen teilt oder diskutiert, einen Film
nicht nur schauen, sondern auch darüber reden, Menschen
etwa zum Abendessen einladen, mit ihnen sprechen, medi-
terrane Ernährung dazunehmen. Körperliche Bewegung ist
etwas ganz Wichtiges, wie auch die Reduzierung von Toxi-
nen, also nicht rauchen und wenig Alkohol trinken. Das ist ja
eigentlich für vieles andere auch gut und von daher fast ein
bisschen banal. Ausserdem geht es auch um das psychische
Wohlbefinden: Was sind Dinge, die mir Freude machen? Wel-
che Probleme beschäftigen mich, gibt es Lösungen dafür?
Das Problem ist nur, dass es für uns Menschen oft schwer ist,
aus unserem Trott herauszukommen und das wirklich kon-
sequent und dauerhaft anzugehen; der innere Schweinehund
ist schon eine rechte Herausforderung ...
O
Das Interview führte Ralf Behrens.
ARS MEDICI: Es gibt ja diesen Uhrentest, der auch in Ihrem Tool gleich auf der ersten Seite auftaucht. Wenn jemand damit Schwierigkeiten hat, dann ist doch eigentlich schon klar, dass etwas im Argen liegt, oder nicht? Ehrensperger: Das sollte man eigentlich meinen, aber unsere Daten zeigen, dass etwa ein Viertel der Gesunden keine ganz perfekte Uhr zeichnen kann. Wir versuchen bei unseren Informationsveranstaltungen auch, den Ärzten zu vermitteln, wie stressig so eine Testsituation für Patienten sein kann.
Literatur: 1. Tsoi KK et al.: Cognitive tests to detect dementia: a systematic review and meta-
analysis. JAMA Intern Med 2015; 175(9): 1450–1458. 2. Ehrensperger MM et al.: BrainCheck a brief tool to detect incipient cognitive decline:
optimized case-finding combining patient- and informant-based data. Alzheimers Res Ther 2014; 6(9): 69.
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