Transkript
STUDIE REFERIERT
Topisches Diclofenac gegen neuropathische Schmerzen
In einer Cross-over-Studie konnte mit topischem Diclofenac bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie oder komplexem Schmerzsyndrom im Vergleich zu Plazebo eine signifikante Linderung neuropathischer Schmerzen erzielt werden. Unerwünschte Wirkungen wurden nicht beobachtet.
Anesthesiology
Viele Patienten leiden infolge von Läsionen des peripheren oder zentralen Nervensystems unter chronischen neuropathischen Schmerzen. Zur Linderung dieser Schmerzen werden verschiedene Medikamentenklassen wie trizyklische Antidepressiva oder Opioide angewendet – mit unklarem Erfolg. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) gehören bei neuropathischen Schmerzen zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Topisches Diclofenac (1,5%) hat sich in Studien bei Patienten mit Osteoarthritis als wirksam und aufgrund der lokal begrenzten Anwendung als sehr gut verträglich erwiesen. In den Schweizer Präparaten (Voltaren® und Generika) beträgt die Diclofenackonzentration meist 1 oder 2 Prozent (z.B. Voltaren® Emulgel® 1%, Voltaren® Dolo forte Emulgel® 2%). Amerikanische Wissenschaftler untersuchten nun in einer randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Cross-over-Studie die Wirksamkeit von topischem Diclofenac (1,5%) zur Linderung neuropathischer Schmerzen bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie oder einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom. In einer ersten Behandlungsphase erhielten die Teilnehmer zwei Wochen
MERKSÄTZE
O Topisches Diclofenac lindert neuropathische Schmerzen bei postherpetischer Neuralgie oder komplexem regionalen Schmerzsyndrom.
O Die topische Anwendung bewirkt nur geringe Plasmaspiegel und somit weniger gastrointestinale Nebenwirkungen als orales Diclofenac.
lang eine Lotion mit Diclofenac oder dieselbe Lotion ohne Wirkstoff (Plazebo). Nach einer einwöchigen Auswaschphase wurden die Patienten dem jeweils anderen Behandlungsarm zugeordnet und weitere zwei Wochen mit topischem Diclofenac oder Plazebo behandelt. Während der gesamten Studienzeit nahmen die Patienten weiterhin ihre üblichen Schmerzmedikamente ein. Als primären Endpunkt definierten die Forscher die von den Patienten vergebenen Punktwerte auf einer visuellen analogen Schmerzskala (VAS). Ergänzend führten sie eine quantitative sensorische Testung durch und evaluierten den funktionellen Status der Patienten.
Ergebnisse
An der Studie nahmen 12 Männer und 16 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 48,8 Jahren (22 bis 68 Jahre) teil. Nach zwei Wochen vergaben die mit Diclofenac behandelten Teilnehmer niedrigere Werte auf der VAS (4,9) als die Patienten, die Plazebo erhalten hatten (5,6). Auch die Punktwerte auf der Skala für brennende Schmerzen waren unter Diclofenac (2,9) niedriger als unter Plazebo (4,3). Die VAS-Scores für konstante Schmerzen und Hypersensitivität waren nach der Behandlung mit Diclofenac zwar ebenfalls niedriger als nach Applikation von Plazebo (4,0 vs. 4,3 und 3,0 vs. 3,4), diese Unterschiede erreichten jedoch keine statistische Signifikanz. Auch im Hinblick auf stechende Schmerzen zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Im Rahmen der quantitativen sensorischen Testung stellten die Forscher vor und nach der Behandlung mit topischem Diclofenac keine statistisch signifikanten Unterschiede der Wärmeschwelle, der Hitzeschmerzschwelle
und der Hitzeschmerztoleranz fest. Vor und nach der Behandlung mit Plazebo wurden diesbezüglich ebenfalls keine Unterschiede festgestellt. Die temporale Schmerzsummation (Wind-upPhänomen) war nach einer zweiwöchigen Behandlung mit Diclofenac jedoch geringer ausgeprägt als nach der Applikation von Plazebo (p = 0,01). Im Hinblick auf den funktionellen Status zeigten sich keine Unterschiede zwischen topischem Diclofenac und Plazebo. Unerwünschte Wirkungen wurden in keiner Gruppe beobachtet.
Diskussion
Neben der Reduzierung des Gesamt-
Schmerz-Scores wurde mit topischem
Diclofenac auch eine Verminderung
von Dauerschmerz und Hypersensitivi-
tät beobachtet, die jedoch keine statis-
tische Signifikanz erreichte. Das ist
nach Ansicht der Forscher wahrschein-
lich auf die geringe Teilnehmerzahl zu-
rückzuführen. Der unveränderte funk-
tionelle Status könnte wiederum mit der
kurzen Studienzeit zusammenhängen.
In einem Cochrane-Review aus dem
Jahr 2010 konnte bei Arthrosepatien-
ten gezeigt werden, dass topisches
Diclofenac die Haut durchdringt und in
die Zielgewebe unter der Applikations-
stelle gelangt. Hier sind die lokalen
Medikamentenkonzentrationen hoch
genug, um das Enzym Cyclooxygenase
zu hemmen, die Plasmakonzentrationen
betragen jedoch weniger als 5 Prozent
der durch orale Administration erreich-
ten Spiegel. Das erklärt vermutlich die
unter topischem Diclofenac signifikant
geringere Inzidenz gastrointestinaler Be-
schwerden und die von der Norm ab-
weichenden Leberfunktionswerte.
Angesichts des günstigen Sicherheits-
profils kann topisches Diclofenac nach
Ansicht der Autoren wahrscheinlich
auch über einen längeren Zeitraum zur
Behandlung neuropathischer Schmer-
zen angewendet werden. Nach einer
länger andauernden effektiven Schmerz-
linderung könnte sich dann auch
der funktionelle Status der Patienten
verbessern.
O
Petra Stölting
Quelle: Ahmed SU et al.: Effect of 1,5% topical diclofenac on clinical neuropathic pain. Anesthesiology 2015, May 8 8 [Epub ahead of print].
Interessenkonflikte: keine deklariert.
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ARS MEDICI 20 I 2015