Transkript
BERICHT
Osteoporose – was gibt es Neues?
Bessere Risikoeinschätzung mit dem «Trabecular Bone Score»
Neben der Knochendichte ist eine Reihe klinischer Faktoren für die Ermittlung des Frakturrisikos wichtig. Seit einiger Zeit gewinnt der «Trabecular Bone Score» als zusätzlicher Parameter an Bedeutung. Was es mit dieser Messung auf sich hat und welche neuen therapeutischen Optionen künftig zu erwarten sind, erläuterte Dr. med. Diana P. Frey an einer Fortbildungsveranstaltung in Zürich.
Renate Bonifer
Der «Trabecular Bone Score» (TBS) gibt Auskunft über die Mikroarchitektur des Knochens, die bei gleichem DXA-Befund recht unterschiedlich sein kann. Zur Ermittlung des TBS errechnet eine Software anhand der DXAAufnahmen, wie homogen die Textur des Knochens ist. Dabei gilt: Je homogener der Knochen ist, umso höher der TBS-Wert und desto besser die Mikroarchitektur des Knochens. Als normal gelten TBS-Werte > 1,350. Ab einem
Kasten 1:
Rechner zur Ermittlung des Frakturrisikos
TBS < 1,200 spricht man von einer gestörten Mikroarchitektur. Der TBS korreliert unabhängig von der Knochendichte mit dem Frakturrisiko. Der bekannte FRAX-Rechner (Kasten) ist mittlerweile zusätzlich mit dem TBS ausgerüstet, sodass man anschliessend an die gewohnte Berechnung das Frakturrisiko mittels TBS genauer bestimmen kann. Noch werde der TBS in der Schweiz nicht routinemässig zur Ermittlung des Frakturrisikos herangezogen, doch dies dürfte sich in den nächsten Jahren ändern, sagte Dr. med. Diana P. Frey, Leiterin des Osteoporosezentrums an der Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich. WHO-Rechner FRAX www.shef.ac.uk/FRAX/tool.jsp?/lang=de In vielen Sprachen und für viele Länder verfügbar, auch für die Schweiz. Nach Errechnen des Frakturrisikos mit der Knochendichte kann der TBS-Wert zusätzlich angegeben und die Risikoabschätzung exakter angegeben werden. Risikorechner Osteoporose-Plattform der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie www.osteo-rheuma.ch/top Dieser Rechner bietet neben der Frakturrisikoberechnung einen vollständigen Abklärungsgang mit Indikationsfindung zur DXA-Messung, Sturztests, Laborempfehlungen und evidenzbasierte Therapieindikationen an. Als Schwelle für eine empfohlene Knochendichteabklärung wird ein absolutes Frakturrisiko von zirka 5 bis 10 Prozent zugrunde gelegt. Als Interventionsschwelle für eine pharmakologische Therapie wird ein Frakturrisiko von 20 bis 25 Prozent bei 50- bis 80-jährigen Personen vorgeschlagen. Im Rahmen einer noch zu planenden prospektiven Studie soll das Instrument in der Schweiz validiert werden. Osteoporosebehandlung in schwierigen Fällen Als Beispiel einer Patientin mit rheumatoider Arthritis und hohem Frakturrisiko schilderte Frey den Fall einer 57-jährigen Frau mit rheumatoider Arthritis und verminderter Nierenfunktion, die täglich 10 mg Prednison (Cave: Steroid-Osteoporose!) einnahm plus eines Biologikums als Basistherapie. Die Patientin hatte in den letzten zwei Jahren keine Osteoporoseprävention durchgeführt, im DXA fand sich ein T-Score von -2,5 für die Lendenwirbel und -2,4 für den Schenkelhals. Mittels FRAX (ohne TBS) ergab sich ein Risiko von 23 Prozent für eine grosse Osteoporosefraktur und von 6,1 Prozent für eine Hüftfraktur. Bisphosphonate seien wegen der verminderten Nierenfunktion für diese Patientin eher nicht die erste Wahl, so die Referentin. Vielmehr würde man hier eher an De- nosumab (Prolia®) denken, aber es stellt sich die Frage der Sicherheit: Wie sieht es mit dem Infektionsrisiko aus, wenn aufgrund der rheumatoiden Arthritis gleichzeitig ein Biologikum verabreicht wird? Bisher gebe es noch keine Hinweise auf eine erhöhte Infektanfälligkeit unter Denosumab bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Biologikatherapie, sagte Frey. Auch eine kleine Studie mit 63 Patienten, die am EULAR-Kongress im Frühjahr vorgestellt wurde, spreche dagegen. Falls eine sehr schwer Osteoporose vorliege, sei auch eine Kombination aus Denosumab plus Teriparatid (Forsteo®) eine Option, sagte die Referentin. Als beispielhaften Fall schilderte sie den Krankheitsverlauf bei der bereits genannten Patientin mit rheumatoider Arthritis. Sie hatte nach zwei Jahren trotz Denosumab zwei Wirbelfrakturen erlitten und die Prednisondosis immer weiter erhöht. Zusätzlich wurde bekannt, dass die Mutter der Patientin bereits eine Schenkelhalsfraktur nach inadäquatem Trauma erlitten hatte. Gemäss FRAX lag das Risiko für eine grosse Osteoporosefraktur nun bei 59 Prozent, für eine Hüftfraktur bei 12 Prozent. In diesem Fall wäre sowohl das Umstellen auf Teriparatid als auch dessen Kombination mit Denosumab eine Option, so Frey. In der Pipeline Zurzeit stehen zur Osteoporosethera- pie Bisphosphonate, SERM (selektive Östrogenrezeptormodulatoren), der Antikörper Denosumab sowie das Pa- rathormonanalogon Teriparatid zur Verfügung. In klinischen Studien befin- den sich die neuen Substanzen Abalo- paratid, eine osteoanabole Substanz, sowie Romosozumab, ein ebenfalls os- teoanabol wirkender Antikörper gegen das Osteoblasten-hemmende Skleros- tin. Falls diese osteoanabolen Substan- zen zugelassen werden sollten, dürfte es im therapeutischen Verlauf vermutlich nötig sein, im Anschluss an eine osteo- anabole Substanz immer auch ein Anti- resorptivum zu geben, um den Erfolg auf Dauer zu erhalten, erläuterte die Referentin. O Renate Bonifer Quelle: Diana P. Frey: Osteoporose. Vortrag an der Fortbildungsveranstaltung «Rheuma Highlights 2015» am 25. Juni 2015 in Zürich. 894 ARS MEDICI 19 I 2015