Transkript
Ernährung und Alter
sehr wohl weiterentwickeln könnten und dass mit dieser Kaschierung der Anämie die Diagnose eines B12-Defizites erschwert oder gar verpasst würde, ist kein stichhaltiges Argument. Bei verdächtiger neurologischer Symptomatik darf ein B12-Mangel nicht durch das Fehlen einer Anämie, sondern nur durch die Bestimmung des B12-Gehaltes im Blut ausgeschlossen werden. Rund 25 Prozent aller Patienten mit neurologischen B12-Mangel-Symptomen haben keine Anämie, und mit einer verbesserten FS-Versorgung (Stichwort: 5-mal am Tag!) werden diese Fälle noch zunehmen.
Viel mehr Breitenwirkung hätte eine Folsäureprophylaxe, wenn mittels Anreicherung eines Grundnahrungsmittels mit FS (plus B12) die gesamte Bevölkerung in den Genuss dieses Präventivpotenzials käme. Wir sprechen dabei von
• einer generellen FS-Prophylaxe. Am besten geeignet für eine solche Anreicherung ist das Backmehl, sodass vor allem das Brot, aber auch jeder Kuchenboden oder Pizzateig eine Portion FS enthielte und alle zusammen den täglichen Idealbedarf abdecken würden. Damit könnten alle Bevölkerungsschichten gleichmässig erfasst werden, und die entscheidende Frage, ab welchem Alter denn mit einer Prävention zu beginnen sei, würde gegenstandslos. In Amerika (Kanada, USA, Mittelamerika, Chile, Brasilien etc.) wird das Brotmehl seit 1998 obligat angereichert, und die Erfahrungen sind günstig (Übersicht bei [34]). Auch in der Schweiz laufen solche
Bemühungen. Eine Expertengruppe hat 2002 zuhanden des Bundesrates einen umfangreichen Bericht ausgearbeitet, in welchem sie die generelle Anreicherung des Backmehls (1 kg) mit 3 mg FS plus 10 µg B12 empfiehlt (6).
Leider sind gegen diese präventiv und sozialmedizinisch so wertvolle Massnahme grosse Widerstände erwachsen, vor allem vonseiten der Konsumentenschutz-Organisationen. Diese möchten der Konsumentin die Wahlfreiheit garantieren. Leider ist diese Präventionsstrategie aber nur realisierbar, wenn der Zusatz obligat erfolgt. Freiwillig wäre er heute schon möglich, aber niemand macht es, weil dies für das Bäckereigewerbe und die Verteiler grosse logistische Erschwernisse mit sich brächte. Eine sehr sinnvolle und äusserst kostengünstige Vorbeugemassnahme (weniger als 2 Rappen pro Jahr und Kopf der Bevölkerung!) scheint dem individualistischen Denken der heutigen Gesellschaft zum Opfer zu fallen, einer Gesellschaft, die nicht mehr der Solidarität und dem Gemeinwohl, sondern dem Selbstbestimmungsrecht die oberste Priorität einräumt.
Schlussfolgerungen
Dass Folsäure – neben ihren segensreichen Wirkungen zu Beginn des Lebens – einen wertvollen Beitrag zur Prophylaxe gegen die drei schweren Geisseln des Alters: Gefässsklerosen an Herz und Hirn, Altersdemenz und osteoporotische Frakturen, dazu noch gegen einige Krebstypen leistet, klingt fast wie ein Märchen. Es ist allerdings
noch nicht alles gesichert. Wie eingangs erwähnt, ist vieles noch dürftig untermauert, anderes erst einleuchtende Hypothese. Aber manches, vor allem im kardiovaskulären Bereich, ist doch gut dokumentiert.
Solange uns eine generelle Prävention nicht zur Verfügung steht, ist die individuelle Prophylaxe umso wichtiger. Eine milch-, obst- und gemüsereiche Ernährung – und hie und da eine Portion Leber – bildet die Grundlage. Eine zusätzliche FS-Zufuhr in galenischer Form ist bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Homocysteinabhängige Krankheiten empfehlenswert, immer begleitet von einem Vitamin-B12-Zusatz in physiologischer (oder etwas höherer) Dosierung. Folsäure ist so harmlos, nebenwirkungsfrei und billig, dass ein Versuch auch ohne das Vorliegen harter Daten und zwingender Beweise gerechtfertigt ist.
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Autor: Prof. Dr. Otmar Tönz Schlösslihalde 26 6006 Luzern
Literatur 1. Tönz O.: Praktische Umsetzung der Folsäureprophylaxe. Aktuelle Probleme und Empfehlungen Gynäkologie. Ars Medici 2003 (5): 6–10. 2. Czeisel A.E., Dudas I.: Prevention of the first occurrence of neural-tube defects by periconceptional vitamin supplementation. N Engl J Med 1992; 327: 1832–35. 3. Czeisel A.E.: The primary prevention of birth defects: Multivitamins or folic acid? Int J Med Sci 2004; 1: 50–61. 4. Homocysteine Lowering Trialists’ Collaboration: Lowering blood homocysteine with folic acid based supplements: meta-analysis of randomised trials. BMJ 1998; 316: 894–98.
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Nr. 3 • 2004