Transkript
Sparen im Gesundheitswesen – aber am richtigen Ort
Während die Politik verzweifelt versucht, der Bevölkerung Managed Care aufzuzwingen, verpasst sie wirkliche Chancen, um im Gesundheitswesen zu sparen. Ein Paradigmenwechsel ist angezeigt.
Am 23. Oktober wurden National- und Ständerat neu bestellt. Auf die neuen Parlamentarier warten komplexe Fragen im Bereich der Gesundheitspolitik. Zahlreiche Richtungsentscheide stehen an: Soll sich das schweizerische Gesundheitswesen in Richtung Planwirtschaft verändern oder soll vermehrt der Markt spielen? Die FMP wird auch in der neuen Legislatur aktiv den Kontakt mit der Bundespolitik suchen und versuchen, die Anliegen der freiberuflichen Hausärzte in die politische Diskussion einzubringen.
HANS-ULRICH BÜRKE
Medizinprodukte wie Hüftgelenk- und Knieprothesen, Herzklappen und -katheter, Augenlinsen et cetera sind in der Schweiz zwei- bis dreimal teurer als im benachbarten Ausland. Da gibt es keinen Unterschied, ob diese Produkte in der Schweiz hergestellt werden oder im Ausland. Die meisten dieser Produkte sind durch Konkurrenzangebote substituierbar: Ein Preiswettbewerb wäre möglich. Trotzdem findet kein Wettbewerb statt.
Milliarden für zu teure Medizinprodukte Öffentliche Spitäler müssten diese Produkte submissionieren. Doch kein Spital verhält sich gesetzeskonform und schreibt die Produkte konsequent öffentlich aus. Lieber wird ein Produkt teurer eingekauft als der gesetzlichen Pflicht nachgekommen. Weder Bundesrat, Krankenversicherer noch Regierungsräte greifen ein. Der illegale Zustand wird hingenommen, die zu teuren Produkte über Prämien- und Steuergelder bezahlt. Dabei wäre dieses Problem einfach anzugehen:
❖ Produkte, die ein öffentliches Spital eingekauft hat, ohne auszuschreiben, sind illegal beschafft. Die Krankenversicherer als Durchführungsorgane des Bundes entschädigen den Spitälern keine illegal beschafften Produkte mehr.
❖ Bei Tariffestsetzungsverfahren werden für Medizinprodukte (und auch Medikamente) nicht die tatsächlichen, schweizerischen Einkaufspreise der Spitäler in die Tarifkalkulationen eingerechnet, sondern Vergleichspreise aus dem Ausland. Dasjenige Spital, das nicht mit diesen Preisen einkaufen kann oder will, muss die Konsequenzen selbst tragen. Die Spitäler werden schnell lernen.
Zu viel Personal und mangelnde Produktivität Während die Zürcher Spitäler einen durchschnittlichen stationären Fall für zirka 9500 Franken behandeln müssen, benötigt man in Bern zirka 9900 Franken. Ebenso teuer sind die Spitäler in den Kantonen Aargau, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft oder St. Gallen. Günstiger als in Zürich pro-
duzieren die Spitäler im Thurgau und
teilweise in der Zentralschweiz.
Seit Jahren haben die teureren Kantone
jedes Jahr mit hunderten Millionen an
Steuergeldern diese ineffizienten Spital-
strukturen aufrechterhalten und da-
durch strukturelle Anpassungen ver-
hindert. Wegen dieser ineffizienten
Strukturen müssen mehr Arbeitskräfte
importiert oder ausgebildet werden,
was die Opportunitätskosten im Ge-
sundheitswesen noch mehr erhöht.
Die kantonalen Parlamente könnten
schnell eingreifen:
❖ Der Benchmark besteht. Die Verglei-
che sind transparent. Die kantonalen
Parlamente mit teureren Spitälern
richten ihre Budgets in Zukunft an
den günstigen Kantonen aus. Spitä-
ler werden ihre Effizienz und Pro-
duktivität sehr schnell steigern.
Mit neuen Gesetzen spart man im Ge-
sundheitswesen nicht, aber mit wirk-
licher politischer Arbeit würde man
sparen. Und es muss kein einziges
Gesetz geändert werden.
❖
Dr. Hans-Ulrich Bürke Präsident FMP
12 ARS MEDICI 1 ■ 2012
Erfolgreiche Unterschriftensammlung
Seit 2006 ist Markus Trutmann Generalsekretär der fmCh, des Dachverbands von 16 chirurgisch und invasiv tätigen Fachgesellschaften. Er war früher als Chirurg tätig, zuletzt als Oberarzt am Kantonsspital Olten. Später leitete Trutmann die Redaktion der Schweizerischen Ärztezeitung. Von 2005 bis 2006 war er bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) unter anderem für das Dossier «Stärkung der Hausarztmedizin» zuständig.
Herr Trutmann, die Geschäftsstelle der
fmCh koordiniert die Unterschriften-
sammlung zum Referendum gegen
die «Managed Care»-Vorlage. Welche
Erfahrungen machen Sie mit diesem
Projekt?
Vorab freut es mich, wie aktiv die Ärz-
teschaft auch in der FMP die Unter-
schriftensammlung un-
terstützt. Wir konnten
dies im Vorfeld der Sam-
melphase nur schwer ab-
schätzen, da unser Ver-
band bislang noch nie ein
Referendum ergriffen
hat. Ich wusste nicht, wie
aktiv unsere Basis in die-
sen Belangen ist. Offen-
sichtlich sind aber zahl-
Markus Trutmann Generalsekretär der fmCh
reiche Ärzte gewillt, gegen diesen Fehlent-
scheid des Parlaments
aktiv zu werden. Das freut mich: Es ist
wichtig, dass die Anliegen der Ärzte-
schaft in die politischen Entscheide
einfliessen und wir von unseren poli-
tischen Rechten aktiv Gebrauch ma-
chen. Ansonsten ist eine Unterschrif-
tensammlung natürlich primär eine
Fleissarbeit. Wir verarbeiten jede Woche
mehrere Tausend Unterschriftenbogen
und versenden diese an Gemeinden in
der ganzen Schweiz zur Beglaubigung.
Doch die täglich steigende Zahl der
Unterschriften motiviert die Mitarbei-
ter. Darum macht diese Arbeit auch
wirklich Freude – wenn sie bisweilen
auch recht mühsam ist.
Warum ist eigentlich die fmCh gegen diese Vorlage? Wir standen der Vorlage von Beginn an kritisch gegenüber. Wir begrüssen die Möglichkeit, dass sich Versorgungsnetze frei organisieren können. Wettbewerbsverzerrende Elemente wie einen differenzierten Selbstbehalt lehnen wir aber ab. Netzwerke sollen sich wie bisher über attraktive Kosten und qualitativ gute Leistungen profilieren – nicht mittels staatlicher Subventionen. Wir haben hier also eine ganz ähnliche Argumentation wie die FMP. Die fmCh setzt sich für einen fairen Wettbewerb in der Gesundheitspolitik ein: Wir müssen freiheitliche Rahmenbedingungen schaffen, welche Managed Care selbstverständlich zulassen, aber gleichzeitig auch innovative Versorgungsmodelle begünstigen. Wir brauchen eine Wettbewerbsordnung, welche dem Staat und den Marktteilnehmern klare Rollen zuteilt. Der Staat soll sich auf seine regulierende Aufgabe beschränken. Die zunehmenden planwirtschaftlichen Tendenzen lehnt die fmCh ab.
Wie geht es nun weiter mit der «Managed Care»-Vorlage? Die Volksabstimmung über diese KVGRevision findet voraussichtlich im September statt. Die Zeit zwischen der Unterschriftensammlung und den Sommerferien werden wir für die Vorbereitung des Abstimmungskampfs nutzen. Die Abstimmungskampagne wird sicher nicht einfach werden – schliesslich hat eine Mehrheit des Parlaments dieser Vorlage zugestimmt.
Präsident Dr. med. Hans-Ulrich Bürke Mürtschenstrasse 26 8048 Zürich Tel. 044-431 77 87
Vizepräsident Dr. méd. Guy Evequoz Rue du Mont 16 1958 St-Léonard Tél. 027-203 41 41
Quästor Dr. med. Thomas Zünd Greifenseestrasse 34 8603 Schwerzenbach Tel. 044-825 54 90
Vorstandsmitglied Dr. med. Rudolf Hohendahl Zürcherstrasse 65 8406 Winterthur Tel. 052-203 04 21
FMP im Internet: www.fmp-net.ch
Ausserdem müssen wir aufpassen: Wir
bekämpfen eine dumme Gesetzesvor-
lage und nicht etwa bestehende Netz-
werke, die teilweise exzellente Arbeit
leisten. Trotzdem bin ich zuversicht-
lich: Eine Mehrheit der Bevölkerung
versteht überhaupt nicht, warum sie
für die freie Arztwahl einen Aufpreis
zahlen soll. Die Schweizer lassen sich
nicht für dumm verkaufen und werden
die Vorlage ablehnen. Davon bin ich
überzeugt. Dafür kämpfe ich.
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Aus dem FMP-Newsletter vom Dezember 2011
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