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Metaanalyse aus Basel
Antibiotika bei Rhinosinusitis oft nicht nötig
Sehr viele Patienten mit einer Rhinosinusitis erhalten ein Antibiotikum verschrieben, obwohl sehr häufig eine Virusinfektion vorliegt. Da sich diese aber nicht ohne Weiteres von einer bakteriellen Infektion unterscheiden lässt, greifen viele Ärzte im Zweifel zum Rezeptblock und verschreiben ein Antibiotikum. Forscher am Institut für Klinische Epidemiologie des Universitätsspitals Basel finden hierfür in den einschlägigen Studien keine wissenschaftliche Grundlage. Die Gruppe um Professor Heiner Bucher hatte neun randomisierte Studien mit über 2500 Patienten in einer Metaanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse wurden letzte Woche in «Lancet» publiziert (2008; 371: 908–914). Das Besondere: Es fanden nur Studien Berücksichtigung, in denen die Patienten einen Hausarzt aufsuchten, der ohne weiterführende Diagnostik behandelte. Patienten mit
schweren Infektionen waren damit ausgeschlossen, wie Morten Lindbaek von der Universität Oslo in einem Editorial zu bedenken gibt (Lancet 2008; 371: 874–876). Die Ergebnisse schliessen deshalb keineswegs aus, dass es Fälle gibt, in denen eine Sanierung der Nebenhöhlen nicht ohne ein Antibiotika gelingt. Für den Normalfall einer Rhinosinusitis errechnete die Basler Arbeitsgruppe eine Number Needed to Treat (NNT) von 15 für die Antibiotikatherapie. Diese Bilanz reiche nicht aus, um einen routinemässigen Antibiotikaeinsatz zu rechtfertigen, vor allem mit Blick auf mögliche negative ökologische Auswirkungen. Nicht wenige Patienten brechen die Therapie nämlich vorzeitig ab, wenn die Beschwerden nachlassen, was die Entwicklung von Resistenzen begünstigen kann. Die für den Praktiker wichtige Frage, welche
Patienten denn wahrscheinlich von einem
Antibiotikum profitieren, beantwortet die
Metaanalyse nicht. Immerhin liefert sie ein
Kriterium, das für einen Antibiotikaeinsatz
spricht: eitriger Ausfluss in den Pharynx.
Hingegen, so die Studienautoren, sei die in
Leitlinien ausgegebene Empfehlung, Anti-
biotika generell bei einer Beschwerdedauer
von mehr als sieben bis zehn Tagen einzuset-
zen (s. Seite 297), nicht zu rechtfertigen. Die
Basler Forscher halten eine abwartende
Haltung auch bei längerer Beschwerdedauer
für möglich, sofern sich die Symptome
nicht rasch verschlechterten. Ob dies auch
für Kinder und Menschen mit geschwächter
Immunabwehr gilt, muss offen bleiben.
Die Metaanalyse zeigt jedoch, dass ein
höheres Alter allein kein Grund für eine
Antibiotikatherapie ist. Bei diesen Patienten
halten die Symptome zwar oft länger an,
Antibiotika können die Erholung aber nicht
beschleunigen.
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U.B.
Aus Fehlern lernen
Dass ÄrztInnen persönliche Fehler und Versagen öffentlich zugeben, ist eine seltene Ausnahme. Genau dies haben kürzlich 17 ÄrztInnen, Krankenschwestern und -pfleger gewagt. In einer von der Allgemeinen Ortskrankenkassse (AOK) finanzierten Broschüre mit dem Titel «Aus Fehlern lernen» schildern sie Situationen, in denen ihnen bei der Arbeit Fehler und Irrtümer unterlaufen sind, die ihren Patienten Schmerzen und Leid zugefügt oder gar deren Tod begünstigt haben. Unter den Bekennern finden sich auch der Präsident der Ärztekammer Berlin und der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWiG. Professor Matthias Schrappe, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Patientensicherheit und Herausgeber der Broschüre, erklärte, man wolle mit dem «Outing» zu einer Enttabuisierung beitra-
gen. Über eigene Fehler zu sprechen, bedeute für die Betroffenen
auch eine Entlastung. In der Broschüre werden in einem Metho-
denteil die Behandlungsfehler einer exem-
plarischen Ursachenanalyse unterzogen.
Denn es geht dem Aktionsbündnis nicht
nur um Bekenntnisse, sondern um Fehler-
vermeidung (www.aktionsbuendnispatien
tensicherheit.de). Nach einer vom Akti-
onsbündnis im letzten Jahr publizierten
Studie kommen pro Jahr in Deutschland
17 000 Menschen durch medizinische
Fehler zu Tode, dreimal so viele wie im
Strassenverkehr. Für Hausärzte gibt es in
Deutschland eine Website, auf der sie ihre
Fehler berichten und diskutieren können
(www.jeder-fehler-zaehlt.de).
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U.B.
268 ARS MEDICI 7 ■ 2008