Transkript
Am Beispiel Antidepressiva zeigt sich:
Gene steuern die Medikamentenwirkung
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Welche Wirkung ein Medikament beim Patienten tatsächlich hat, hängt auch entscheidend von seinen Genen ab. Ein Beispiel dafür liefern Antidepressiva. Bekannt ist, dass die eingesetzten Substanzen bei jedem dritten Patienten nicht den erwünschten Effekt bringen. Hinzu kommt, dass die Wirkung oft erst nach sechs bis acht Wochen eintritt und die Patienten zuweilen erhebliche Nebenwirkungen ertragen müssen. Wissenschaftler des MaxPlanck-Instituts für Psychiatrie in München haben jetzt nachgewiesen, dass Patienten je nach individueller genetischer Ausstattung unterschiedlich auf Antidepressiva ansprechen. In zwei unabhängigen klinischen Studien ist es den Forschern gelungen, in der so genannten Stresshormon-Signalübertragung eine Variante des FKBP-5-Gens zu identifizieren, die den
Wirkungseintritt von Antidepressiva bestimmt. So zeigten Patienten mit einer charakteristischen TT-Variante des Gens bereits nach einwöchiger Behandlung mit Antidepressiva eine signifikante Verbesserung ihrer Krankheitssymptome, während Patienten mit anderen FKBP-5-Genotypen selbst nach fünf Wochen noch nicht diesen Grad an Besserung erreichten. Andererseits trat bei Patienten mit dem TT-Genotyp eine erhöhte Anzahl an depressiven Episoden auf. Diese Forschungsergebnisse verdeutlichen, welche zentrale Rolle bestimmte Gene der Stresshormon-Achse bei der Entstehung von Depressionen und der Wirkung von Antidepressiva spielen (Nature Genetics, Online-Ausgabe, 21. 11.04). Wenn es künftig möglich wird, eine Beziehung zwischen dem jeweiligen Genotyp eines Patienten und der Wirksamkeit
seiner Medikamente herzustellen, könnten Arzneimittel wesentlich erfolgreicher und effektiver als heute eingesetzt werden, hoffen die Forscher. Sie sehen ihre Studienergebnisse also als ersten Schritt hin zu einer individuell abgestimmten Behandlung depressiver Patienten. Auch für die pharmazeutische Industrie dürften die Erkenntnisse nicht folgenlos bleiben: Zukünftig wird man Patientenund Kontrollgruppen wohl zuerst auf ihre FKBP-5-Genvarianten hin analysieren müssen, um sicherzustellen, dass die nachgewiesene rasche oder späte Wirkung eines neuen Medikaments nicht lediglich auf ein unausgewogenes Verhältnis der verschiedenen FKBP-5-Genvarianten in der Patientengruppe zurückzuführen ist. q
U.B.
Lebensmitteltechnologie
Probiotika bald in Schokolade, Quark und Wurst?
Probiotischer Joghurt ist heute keine Besonderheit mehr, er steht im Kühlregal jedes Supermarktes. Es könnte sein, dass das Beispiel Schule macht und Lebensmittel bald massenhaft mit Probiotika «veredelt» werden. Zumindest sind die Voraussetzungen dafür jetzt geschaffen. In einem mit staatlichen Mitteln geförderten Projekt hat das Institut für Lebensmitteltechnologie der Universität Bonn zusammen mit der Firma Rettenmaier & Söhne ein Verfahren entwickelt, mit dem sich geschmacksneutrale Probiotika herstellen lassen. «Wir verpacken die probiotischen Bakterien in winzig kleine Kapseln, in denen sie hoch aktiv an den Wirkort im Darm gelangen und dort die Zusammensetzung der Darmflora positiv beeinflussen», meint Professor Benno Kunz
vom Bonner Institut für Lebensmitteltechnologie. Das Verfahren, für das die Entwickler in Deutschland einen Innovationspreis einheimsten, bietet laut Kunz einen weiteren Vorteil: Die Hülle aus Polysacchariden und Proteinen verhindert die geschmackliche Beeinträchtigung des Lebensmittels. Daher liessen sich beispielsweise Säfte, Schokolade, Quark oder Wurst mit probiotischen Mikroorganismen veredeln, und zwar wirksamer, als dies bei den Laktobazillen im Joghurt der Fall ist. Diese verlieren nämlich beim Bad in der Magensalzsäure deutlich an Aktivität. «Sie liegen dann in so geschädigter Form vor, dass sie sich gegenüber der natürlichen Mikroorganismenflora im Darm kaum mehr durchsetzen können. Zudem säuern sie das Nahrungsmittel an und verändern so
den Geschmack – ein Effekt, der bei vielen
Lebensmitteln nicht erwünscht ist.»
Dass die Probiotika-Zusätze tatsächlich ge-
sundheitsfördernd sind, davon geht man
bei den innovationsfreudigen Herstellern
offenbar aus: «Probiotika verhelfen zu einer
ausgewogenen Darmflora. Im Darm gibt
es mehr als 400 Arten von Mikroorganis-
men, die in einer ausgewogenen Balance
vorliegen müssen, da es sonst zu Verdau-
ungsproblemen oder gar Erkrankungen
kommen kann», meint Kunz. Im baden-
württembergischen Ellwangen steht be-
reits eine Produktionsanlage, die das
Verfahren zur Herstellung von mikrover-
kapselten Lactobacillus-reuteri-Bakterien
nutzt.
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U.B.
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