Transkript
Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Rofecoxib (Vioxx®) scheitert an kardiovaskulärer Toxizität
Dass es nicht ganz so gut um Vioxx® stand, das war zumindest den Eingeweihten seit längerem bekannt. Schon früh kam der Verdacht auf, der Cox-2-Hemmer Rofecoxib besitze ein kardiotoxisches Potenzial, das dasjenige herkömmlicher NSAR übertrifft. Schon in der VIGOR (Vioxx Gastrointestinal Outcome Research)-Studie war aufgefallen, dass mit Rofecoxib behandelte Patienten signifikant häufiger Herzinfarkte erlitten als Patienten unter Naproxen. Die Erklärung, Naproxen habe eine kardioprotektive Wirkung, leuchtete zwar nicht jedem ein, und Zweifel an der Verträglichkeit verblieben. Dennoch erschütterte die Nachricht von der Marktrücknahme des Cox-2-Hemmers Ärzte, Patienten und auch die Finanzmärkte. Schliesslich hatten die als «Super-Aspirin» gefeierten Cox-2-Hemmer einen bis dato fast beispiellosen Sie-
geszug gefeiert. Den Todesstoss versetzte Vioxx nun die APPROVe (Adenomatous Polyp Prevention on Vioxx)-Studie. Diese multizentrische Untersuchung, an der über 2500 Patienten teilnahmen – unter anderem auch in der Schweiz –, war gestartet worden, um den Effekt von Rofecoxib auf das Wiederauftreten neoplastischer Polypen im Dickdarm zu prüfen. Ende September – zwei Monate vor der geplanten Beendigung der Studie – wurde die Untersuchung auf Anraten des Safety Monitoring Board abgebrochen. Dem unabhängigen Gremium war aufgefallen, dass ab dem 18. Einnahmemonat kardiovaskuläre Ereignisse, darunter Herzinfarkte und Schlaganfälle, unter Vioxx häufiger auftraten. 45 kardiovaskuläre Komplikationen pro 3041 Patientenjahre entfielen auf die mit Rofecoxib Behandelten, 25 pro 3315 Patientenjahre waren es
bei den Patienten, die ein Plazebo erhiel-
ten. Das relative Risiko war also praktisch
verdoppelt.
Die rasche Entscheidung des Konzern-
chefs, das Medikament sofort vom Markt
zu nehmen, ist von pharmakritischen
Publikationen als verantwortungsvoll und
konsequent begrüsst worden. Das deut-
sche «Arznei-Telegramm» lobt insbeson-
dere, dass MSD für angebrochene
Packungen den Patienten die Zuzahlungs-
kosten erstatten will.
Bislang gibt es keine Hinweise darauf,
dass die für Vioxx belegten Risiken auch
für die anderen Cox-2-Hemmer gelten.
Dennoch wird die europäische Arzneimit-
telbehörde EMEA wohl eine neue Risiko-
evaluation in Angriff nehmen.
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U.B.
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«Klinische Studien müssen registriert werden»
Internationale Fachzeitschriften wollen nur noch registrierte Studien publizieren
Klinische Studien werden künftig nur noch publiziert, wenn sie rechtzeitig vor ihrem Start registriert wurden. Das hat das International Committee of Medical Journals Editors (ICMJE) angekündigt (NEJM 2004; 351: 1250), das 11 Zeitschriften vertritt, unter ihnen Lancet, New England Journal of Medicine, JAMA und Annals of Internal Medicine. Die Redaktoren und Herausgeber reagieren damit auf den Umstand, dass Studien mit ungünstigem Ausgang oftmals in den Schubladen verschwinden. Vorenthaltene Studien zerstörten das Vertrauen der Öffentlichkeit und könnten Therapientscheidungen und -empfehlungen fehlleiten. Die Offenlegung aller klinischen Studien sei ein notwendiger erster Schritt, um letztlich volle Transparenz herzustellen. Noch ist die Registrierung
grösstenteils freiwillig, und oft wird davon kein Gebrauch gemacht. Die 11 Zeitschriften verlangen die Eintragung in ein Register ab Juli 2005 für alle neu begonnenen Studien, für die davor gestarteten müssen die Auskünfte bis September 2005 nachgereicht werden, wollen die Studienautoren ihre Publikationschance wahren. In der Erklärung des ICMJE werden alle anderen Zeitschriften aufgefordert, sich diesem Vorgehen anzuschliessen. Zu den klinischen Studien rechnet das Komitee alle Untersuchungen, die die Effekte einer medizinischen Intervention prospektiv bei Patienten in Interventions- oder Vergleichsgruppen prüfen. Pharmakokinetische oder toxikologische Studien (z.B. Phase-1-Studien) sind von der Registrierungspflicht freigestellt.
Das ICMJE setzt sich nicht für ein be-
stimmtes Register ein. Es verlangt aber,
dass verschiedene Kriterien erfüllt werden.
So soll das Register der Öffentlichkeit kos-
tenlos und elektronisch zugänglich sein
und unter Leitung einer Non-Profit-Orga-
nisation stehen. Im Rahmen der Registrie-
rung sollen Auskünfte über die geplante
Intervention und die Studienhypothese er-
folgen, daneben sind primäre und sekun-
däre Endpunkte, Teilnehmerzahl und
Dauer sowie die Finanzierung der Unter-
suchung zu nennen. Derzeit erfüllt diese
Kriterien nur das Register der United Na-
tional Library of Medicine, das unter www.
clinicaltrials.gov einsehbar ist.
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U.B.
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