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Coronaviruspandemie

Wie relevant sind Depressionen, Angst und Langzeitfolgen?

Studien aus Deutschland liefern neue Daten zu psychischen Folgen der Coronaviruspandemie. So entwickelte ein Viertel der am schwersten betroffenen COVID-19-Patienten nach der Genesung eine posttraumatische Belastungsstörung. Auch eine anhaltende Luftnot trotz ausreichender Lungenfunktion hat psychische Wurzeln.

In einer Studie der Universität Duisburg wurden die anonymisierten Daten von rund 30 000 Personen in der Allgemeinbevölkerung für den Zeitraum von April 2020 bis März 2021 ausgewertet. Angst- und Depressionssymptome waren in der Allgemeinbevölkerung zwar deutlich häufiger als vor der Coronaviruspandemie, aber nicht so ausgeprägt, dass sie die diagnostischen Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllten. Zu den psychisch besonders belasteten Bevölkerungsgruppen zählten Frauen, jüngere Menschen und Personen mit psychischen Vorerkrankungen wie Depression, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen. Es zeigten sich aber auch entlastende Faktoren: «Wenn Menschen sich über die Pandemie und das Coronavirus informiert fühlen und das Vertrauen in politische und gesellschaftliche Massnahmen hoch ist, liegt eine niedrigere psychische Belastung vor», so Studienleiter Prof. Martin Teufel, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, LVR-Klinikum Essen.

Coronaskeptiker stärker betroffen

Deutlich häufiger waren depressive Symptome und generalisierte Angst bei sogenannten Coronaskeptikern und Coronaleugnern. Insgesamt 434 von ihnen wurden über einschlägige Internetforen kontaktiert. Die Angst vor einer Coronavirusinfektion bewegte sich in dieser Gruppe auf demselben Niveau wie in der Allgemeinbevölkerung. Hygienemassnahmen wurden gleichwohl vermehrt abgelehnt. Diesen Widerspruch erklärte Studienleiter Teufel mit Verdrängungsmechanismen. Bei Coronaskeptikern sei das Verdrängen besonders stark ausgeprägt, weil andere Bewältigungsstrategien wie das Aufnehmen und Verarbeiten valider Informationen negiert würden.

Posttraumatische Belastungsstörung

Jeder vierte schwer Erkrankte, der auf einer Intensivstation behandelt werden musste, entwickelte nach der körperlichen Genesung eine posttraumatische Belastungsstörung, die sich im Mittel ab dem 100. Tag nach der erfolgreichen stationären Behandlung manifestierte. Das massiv bedrohliche Erlebnis, keine Luft mehr zu bekommen, löst bei diesen Patienten im Nachgang sogenannte Intrusionen aus. Diese äusserten sich wie ein Flashback, mit einem plötzlich einschiessenden massiven Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins und des Erlebens von Kontrollverlust.

Langzeitfolgen

In einer Nachsorgestudie wurden mehr als 300 Personen nach unterschiedlich schwer ausgeprägten COVID-19-Verläufen untersucht. Die Patienten berichteten über unspezifische Symptome wie Schwindel, Kopfweh, Müdigkeit oder Schwächeempfinden, aber nur bei weniger als 10 Prozent der Betroffenen konnten medizinisch fassbare Befunde erhoben werden. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen um bisher unentdeckte Erkrankungen, die unabhängig von COVID-19 bestanden und nur sehr selten mit der Virusinfektion zu tun hatten.
Auch bei Patienten, die typischerweise nach einer mittelschweren Coronavirusinfektion anhaltend unter Luftnot leiden, waren in dieser Studie keine organischen Langzeitschäden der Viruserkrankung feststellbar, und die gemessene Lungenfunktion war eigentlich ausreichend. «Die Betroffenen leiden unter Ängsten, die Erkrankung nicht mehr loszuwerden, und atmen deshalb zu viel. Sie befinden sich in einer Art Hyperventilationszustand, der auf die noch nicht wiedergefundene Sicherheit zurückzuführen ist», so Teufel. Zur Therapie von vermeintlichen Long-COVID-Symptomen empfiehlt er deshalb als erste Massnahme die Edukation, um Ängste auf ein rationales Mass zurückzuführen: «Die Patienten müssen wissen: COVID-19 macht in der Mehrzahl der Fälle nicht körperlich dauerkrank. Das Wahrscheinliche nach einer Infektion ist die vollständige somatische Genesung.»

RBO

Onlinepressekonferenz anlässlich des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 16. Juni 2021.