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Noro- und Rota Meist harmlos,
Nicht nur Grippeviren sind im Winter ein Thema. Auch Viren, die Magen-DarmErkrankungen auslösen, sind in dieser Jahreszeit besonders aktiv. Gefürchtet sind die Noro- und Rotaviren in Altersheimen und Kinderkrippen, weil sie sehr ansteckend sind.
von Petra Stölting*
Noroviren und Rotaviren gehören zu den häufigsten Erregern der Gastroenteritis, einer Schleimhautentzündung im Magen-Darm-Trakt. Für Jugendliche und Erwachsene ist Brechdurchfall unangenehm, aber meist harmlos. Bei Säuglingen, Kleinkindern, kranken und alten Menschen kann die Erkrankung schwerer verlaufen. In unseren Breitengraden kommt es nur sehr selten zu Todesfällen. In Entwicklungslän-
dern mit schlechter medizinischer Versorgung sterben jedoch jedes Jahr vor allem viele Kinder an Infektionen mit Noro- oder Rotaviren. Hierzulande werden die meisten Infektionen in den Wintermonaten beobachtet, man kann sich aber das ganze Jahr über anstecken.
Noroviren
Noroviren werden hauptsächlich direkt von Person zu Person übertragen. Dabei gelangen Viren aus dem Verdauungstrakt des Infizierten – oft über die Hände – in den Mund des Gesunden. In der Medizin bezeichnet man dies als fäkal-orale Übertragung. «Aber auch Erbrochenes ist hoch ansteckend, weil sich dabei ein Aerosol aus virenhaltigen Tröpfchen bildet, das sich über grössere Distanzen verbreitet», erklärt Pietro Vernazza, Leiter des Fachbereichs Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen. Noroviren werden zudem über Wasser, Lebensmittel und Gegenstände übertragen. Sie können einige Tage in der Umwelt überleben und sind in dieser Zeit ansteckend. Sie überstehen Temperaturschwankungen von -20 bis +60 Grad Celsius und sind gegen übliche Seifen und Desinfektionsmittel resistent. Oberflächen und Gegenstände, die mit Erbrochenem oder Stuhl in Kontakt gekommen sind, können mit Javelwasser (0,1%) desinfiziert werden. Nach einer Infektion mit Noroviren wird man nur kurzfristig immun und kann immer wieder erkranken.
In der Schweiz erkranken jährlich etwa 400 000 Personen an Brechdurchfall, verursacht durch Noroviren. Das Virus ist sehr ansteckend, schon 10 bis 100 Viren reichen für eine Übertragung aus. Zur Infektion kommt es meist an Orten, wo viele Menschen auf engem Raum beisammen sind, wie Krankenhäuser, Alters- und Pflegeheime, Kindergärten, Ferienlager oder Kreuzfahrtschiffe. Typische Symptome sind explosionsartiges Erbrechen und Durchfall, seltener kommt auch Fieber hinzu. Die akute Phase beginnt etwa 12 bis 48 Stunden nach der Ansteckung und dauert etwa 2 bis 3 Tage an. In der Regel verläuft die Erkrankung unkompliziert. Während der akuten Phase und mindestens 2 bis 3 weitere Tage scheiden angesteckte Personen die Viren über den Stuhl und Erbrochenes aus.
Rotaviren
Fast jedes Kind infiziert sich während der ersten 2 bis 3 Lebensjahre zum ersten Mal mit dem Rotavirus. Das Spektrum der Symptome reicht von kurzzeitigen, leichten Durchfällen bis zu schwerem, lang anhaltendem Erbrechen, dem starke Durchfälle folgen. In der Schweiz sind Rotaviren die Hauptursache für Spitaleinweisungen von Kindern mit Durchfall. Die Erkrankung dauert durch-
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VIREN & BAKTERIEN
aviren: aber sehr lästig
schnittlich 3 bis 9 Tage. Nach den ersten Kontakten mit Rotaviren bildet sich ein gewisser Immunschutz, sodass weitere Infektionen oft milder oder unbemerkt verlaufen. Die Übertragung auf gesunde Personen erfolgt ebenfalls in erster Linie fäkal-oral oder über das Aerosol nach dem Erbrechen. Eine Weitergabe über Wasser, Nahrungsmittel und Gegenstände ist ebenfalls möglich. Rotaviren bleiben auf Gegenständen mehrere Tage und an den Händen einige Stunden ansteckend.
Was tun bei
Brechdurchfall? Mit dem wässrigen Stuhl und über das Erbrechen verliert der Körper in kurzer Zeit grosse Mengen an Flüssigkeit und Mineralstoffen. Die Austrocknung des Körpers ist somit beim Brechdurchfall die grösste Gefahr. Besonders gefährdet sind kleine Kinder und ältere Menschen. Den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, ist die wichtigste Massnahme. Stark zuckerhaltige Getränke wie Cola oder Limonade sollte man aber vermeiden, weil sie dem Darm noch mehr Flüssigkeit entziehen und damit den Durchfall noch verstärken. Geeigneter sind Wasser oder ungezuckerte Kräutertees. «Noch besser ist es, eine Bouillon zu sich zu
nehmen, so wird dem Körper neben der Flüssigkeit auch wieder Kochsalz zugeführt. Elektrolytlösungen aus der Apotheke zum Ausgleich des Mineralstoffverlusts sind aber normalerweise nicht notwendig», meint Pietro Vernazza. Auch müssen keine speziellen Ernährungsregeln eingehalten werden. Auch kleine Kinder können alles essen, was sie möchten. Berufstätige Erwachsene, Schüler oder Kindergartenkinder sollten ein paar Tage zu Hause bleiben, bis sie andere Personen nicht mehr anstecken können.
Wann zum Arzt? «Bei einer Erkrankung mit Noroviren braucht es nur in seltenen Fällen einen Arzt, da die Erkrankung meist mild verläuft und schnell von selbst vorübergeht», weiss Pietro Vernazza. Bei Rotaviren hingegen kann manchmal ein Arztbesuch oder ein Klinikaufenthalt notwendig sein. Ein Arzt muss vor allem bei grossem Wasserverlust aufgesucht werden, damit der Verlust notfalls über eine Magensonde oder mithilfe von Infusionen ausgeglichen werden kann.
Kann man vorbeugen? Weil bei beiden Virenarten bereits eine sehr geringe Erregeranzahl für eine Er-
krankung ausreicht, ist es schwierig, eine Ansteckung zu vermeiden. Man kann das Ansteckungsrisiko aber zumindest verringern. «Da die Viren hauptsächlich von Person zu Person weitergegeben werden, ist gründliches Händewaschen mit Seife die wichtigste Massnahme, vor allem nach dem Toilettengang», sagt Pietro Vernazza. Infizierte Personen sollten eigene Bettwäsche, Handtücher und Waschlappen benutzen. Die Wäsche muss bei mindestens 60 Grad gewaschen werden. Gegen Rotaviren steht eine Schluckimpfung zur Verfügung, die bei Kindern im Alter von 6 Wochen bis 6 Monaten durchgeführt werden kann und eine Schutzwirkung von bis zu 95 Prozent aufweist. Allerdings ist sie nicht im schweizerischen Impfplan enthalten, sodass die Eltern sie selbst bezahlen müssen. Der Sinn der Impfung ist in der Schweiz umstritten, da Kleinkinder nach der ersten Erkrankung ohnehin einen Immunschutz entwickeln und keine Lebensgefahr besteht. In Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung kann die Impfung jedoch Leben retten. Gegen Noroviren gibt es bis heute keine Impfung, doch wird an verschiedenen Impfstoffen geforscht.
*Petra Stölting ist freie Wissenschaftsjournalistin und lebt in Garbsen bei Hannover, Deutschland.
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