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VIREN & BAKTERIEN
Bakterienkultur in einer Petrischale.
FOTO: ISTOCKPHOTO
Eine Wunderwaffe mit Schwächen
Die Entdeckung der Antibiotika zur Bekämpfung bakterieller Infektionen gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der Medizin. Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch heraus, dass mehr und mehr Bakterien gegenüber der Wunderwaffe resistent wurden.
von Therese Schwender*
D urch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Diphtherie, Pest oder Cholera stellten lange Zeit äusserst lebensbedrohende Erkrankungen dar. Erst die Entdeckung der Antibiotika, allen voran Penicillin, machte es möglich, bakterielle Infektionen wirkungsvoll zu bekämpfen.
Zufällige Entdeckung Die Entdeckung von Penicillin ist dabei einem glücklichen Zufall zu verdanken. Der britische Mediziner Alexander Fleming bemerkte am 28. September 1928, dass während seiner Ferien Schimmelpilze der Gattung Penicillium eine seiner Bakterienkulturen im Labor befallen hatten. In der Umgebung des Schimmels waren jedoch keine Bakterien mehr gewachsen. Fleming schloss daraus, dass der Pilz eine Substanz produzierte, wel-
che die Bakterien am Wachstum hinderte. Weitere Untersuchungen von Fleming und anderen Wissenschaftlern, führten schliesslich zur Entwicklung des Antibiotikums Penicillin. Der erste Patient wurde jedoch erst 1941 damit behandelt.
Nicht uneingeschränkt wirksam Bereits Fleming hatte festgestellt, dass Penicillin nicht bei alle Bakterienarten wirkt. Dies liegt daran, dass nicht alle Bakterien die nötigen Strukturen aufweisen, an denen Penicillin ansetzen und seine Wirkung entfalten kann. In den folgenden Jahren wurden daher weitere Antibiotika entwickelt, die auf unterschiedliche Art und Weise das Überleben oder die Vermehrung von Keimen verhindern. Man glaubte, nun die von bakteriellen Infektionen ausgehende Gefahr
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VIREN & BAKTERIEN
Bakterien
Bakterien sind kleine Organismen (Mikroorganismen), die aus einer einzigen Zelle
chende Bakterien übertragen werden können.
bestehen und die sich durch Teilung vermehren. Bakterien kommen überall in der Natur
Gefahr durch
vor, so auch auf und im menschlichen Körper. Hier haben Bakterien eine wichtige Funk-
Nahrungsmittel?
tion, denn durch die Besiedelung von Haut und Schleimhaut sind sie in der Lage, das
Ein Drittel des weltweiten Antibiotika-
Festsetzen und Eindringen von krankheitsverursachenden Erregern in vielen Fällen ab-
verbrauchs entfällt auf die Tiermedizin.
zuwehren. Unter bestimmten Umständen – zum Beispiel nach Ver-
In den Fünfzigerjahren hatte man fest-
letzungen oder Operationen, bei einer geschwächten Abwehr
gestellt, dass durch die Zugabe von
– können Bakterien aber auch akute Erkrankungen
niedrig dosierten Antibio-
auslösen. Bakterien sind im Licht-
Viren
tika zu Futtermitteln das
unter
mikroskop sichtbar. ts
Wachstum von Mast-
Im Gegensatz zu den Bakterien
Kontrolle zu
tieren verbessert
sind Viren für ihre Vermehrung und ihr
haben. Im Laufe der
werden konnte.
Überleben darauf angewiesen, in die Zellen ei-
Jahre kam es jedoch immer
Diese Praxis birgt
nes anderen Organismus (Menschen, Tiere, Pflan-
häufiger zu Fällen, in denen
jedoch die Ge-
zen, Pilze, Bakterien) einzudringen, besitzen sie doch
Bakterien gegenüber einem bis
fahr, dass Bakte-
keinen eigenen Stoffwechsel. Viren können sich nicht
anhin wirksamen Antibiotikum unemp- werden.
rien im Darm
bewegen, das heisst, sie werden etwa durch den
findlich, das heisst resistent wurden.
Daher
der Tiere resi-
Wind oder über Körperflüssigkeiten transportiert.
ist es
stent werden und
Sie sind viel kleiner als Bakterien und daher
Bakterien sind
wichtig,
diese Resistenz wo-
nur noch mit dem Elektronenmikro-
Überlebenskünstler
Antibiotika
möglich an andere
skop sichtbar.
ts
Auch bei Bakterien ist die Anpassungs- nur dann ein-
Keime weitergeben, mit
fähigkeit an unterschiedliche Lebens- zusetzen, wenn sie
denen auch Menschen di-
bedingungen ein entscheidender Über- wirklich nötig sind. So
rekt oder über Lebensmittel in
lebensfaktor. Zufällig auftretende ergibt es zum Beispiel keinen Sinn,
Kontakt kommen können. In der
Veränderungen im Erbgut (Mutationen) Antibiotika bei Erkrankungen einzuset- Schweiz ist der Einsatz von antibiotika-
einzelner Bakterien können dazu füh- zen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit haltigen Futtermittel zur «Leistungsför-
ren, dass sie gegenüber Antibiotika resis- durch Viren verursacht sind, da in die- derung» von Masttieren seit 1. Januar
tent werden und damit einen Überle- sem Fällen Antibiotika nicht wirken.
1999 verboten.
bensvorteil haben. Die Selektion der Ist die Behandlung mit einem Antibioti- In der Tiermedizin werden Antibiotika
resistenten Bakterien wird vor allem kum nötig, dann ist es wichtig, das Me- aber auch zur Vorbeugung und Behand-
durch einen mehrmaligen Kontakt mit dikament in der vom Arzt verschriebe- lung von Infektionen bei Nutztieren ein-
tiefen Antibiotikadosen gefördert.
nen Dosis und über die verordnete gesetzt. Damit wäre möglich, dass Spu-
Bakterien vermehren sich sehr rasch, Zeitdauer einzunehmen. Nur so kann ren der Antibiotika über die Nahrung in
und bei ihrer Vermehrung geben die re- verhindert werden, dass die Keime mit den menschlichen Körper gelangen und
sistenten Exemplare ihren Überlebens- Antibiotikakonzentrationen in Kontakt dort zur Bildung von Resistenzen beitra-
vorteil natürlich an die nächste Genera- kommen, die nicht hoch genug sind, um gen. Allerdings weiss man, dass Muskel-
tion weiter. Bakterien besitzen zudem sie zu bekämpfen, aber genügen, um die fleisch kaum Antibiotika speichert. Für
die Fähigkeit, Teile ihres Erbguts direkt Bildung von Resistenzen zu fördern.
jedes Antibiotikum wird zudem ermit-
an andere Bakterien weiterzugeben, an- Das Risiko für eine Resistenzentwicklung telt, wie viel Zeit zwischen Behand-
dere Keime quasi damit «anzustecken». kann ebenfalls reduziert werden, wenn lungsbeginn und Schlachtung liegen
Auch auf diese Weise kann sich eine das Antibiotikum so gewählt wird, dass muss (Wartefrist), damit das Fleisch
Antibiotikaresistenz rasch weiter ver- seine Wirkungsweise möglichst gut zu noch als Nahrungsmittel verwendet wer-
breiten.
dem als Auslöser der Infektion vermute- den darf. Auch für die Milch von anti-
ten oder identifizierten Bakterium passt. biotisch behandelten Kühen besteht
Antibiotika gezielt
Denn wählt man ein Antibiotikum, das eine Wartefrist. An Fleisch und Milch
einsetzen
gegen ein möglichst breites Spektrum an (-produkten) durchgeführte Kontrollen
Da Bakterien gegen mehrere, im Bakterien wirkt, kommt auch ein erheb- zeigen, dass hier kaum Gefahrenquellen
schlimmsten Fall sogar gegen alle ver- licher Teil der normalen Bakterienflora bestehen.
fügbaren Antibiotika resistent werden können, muss die Gefahr einer Resistenzentwicklung möglichst tief gehalten
damit in Kontakt. Dadurch entwickeln sich womöglich Resistenzen, die in einem weiteren Schritt auf krankma-
*Therese Schwender ist ausgebildete Tierärztin und arbeitet heute als Medizinjournalistin. Sie lebt in Römerswil (LU).
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