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Was Nägel über die
von Helen Weiss*
Gesunde Nägel sind fest, glatt und unbeschädigt. Veränderungen wie Flecken, Streifen oder Dellen können harmlos sein, aber auch auf gesundheitliche Störungen hinweisen. Ist man unsicher, sollte man die Veränderungen einem Arzt zeigen, besonders, wenn alle Nägel gleichzeitig betroffen sind.
S ieh einmal, hier steht er, pfui! An den Händen beiden, liess er sich nicht schneiden, seine Nägel fast ein Jahr!» Der Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann zeigte mit seiner Geschichte «Der Struwwelpeter» schon 1844, dass Fingernägel die Befindlichkeit eines Menschen widerspiegeln können: Sind sie lang und schmutzig, deutet dies darauf hin, dass es der Betreffende mit der Körperpflege nicht so genau nimmt. Und knabbert jemand ständig an seinen Nägeln, ist dies ein Zeichen von Nervosität oder Unsicherheit. Die verhornten Hautzellen auf den Fingerkuppen geben aber auch Auskunft über den Gesundheitszustand eines Menschen. Zeigen sich Veränderungen wie Rillen, Flecken oder Verfärbungen, liegt dies oft an äusseren Einflüssen. Durch ständigen Kontakt mit Wasser und Reinigungsmitteln werden die Nägel brüchig und dünn. Auch die Ernährung wirkt sich auf die Nagelgesundheit aus. Brüchige und splitternde Nägel können Anzeichen für einen Mangel an Biotin (Vitamin H) sein. Biotin ist essenziell für die Bildung der Hornsubstanz Keratin und trägt somit wesentlich zum gesunden Wachstum von Haut, Haaren und Nägeln bei.
Schädigung durch Pilzbefall Wenn es um Krankheiten geht, welche die Nägel schädigen, stehen Pilzinfektionen im Vordergrund. «Grundsätzlich handelt es sich beim Nagelpilz um eine sehr häufige Erscheinung, die altersabhängig auftritt», sagt Stephan Lautenschlager, Chefarzt des Dermatologischen Ambulatoriums am Zürcher Stadtspital Triemli. So leidet ein Viertel der über 70-Jährigen an einem Nagelpilz. Ein solcher Befall kann aber auch in Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung auftreten. Ein wesentlicher Faktor bei der Verbreitung von Nagelpilz ist gemäss Lautenschlager das Klima: «In kälteren Regionen findet man deutlich mehr Menschen mit Nagelpilzbefall als beispielsweise in Südeuropa.»
Fussnägel eher betroffen Fussnägel sind meist eher von einer Pilzinfektion betroffen als Fingernägel. Man unterscheidet dabei mehrere Formen, Lautenschlager erwähnt hier an erster Stelle die sogenannte distale subunguale Form: Die Erreger dringen in die Unterseite der Nagelplatte ein, und von dort aus dehnt sich der Pilz zum Körper hin aus. Der Nagel weist zunächst eine gelb-
lich-bräunliche Verfärbung auf. «Im weiteren Verlauf bildet sich eine Nagelverdickung. Dies kann die Nagelpflege erschweren und am Fuss allenfalls zu druckbedingten Problemen beim Tragen von Schuhen führen.» Die Therapie ist abhängig von der Art und dem Schweregrad des Pilzbefalls. «Wenn mehr als ein Drittel der Nagelplatte betroffen ist, erweisen sich lokale Behandlungen in der Regel als wirkungslos», so Lautenschlager. In diesen Fällen braucht es umfassende Massnahmen: Medikamente mit Wirkstoffen wie Terbinafin oder Itraconazol müssen über mehrere Monate eingenommen werden, damit die Behandlung erfolgreich ist.
Hinweis auf Nieren- und
Lebererkrankungen Die Nägel können auch Hinweise über krankhafte Vorgänge im Körper geben. Manchmal sind Flecken, Rillen oder Dellen ein Indiz für Erkrankungen der inneren Organe, Blutkrankheiten oder eine Stoffwechselstörung. Der Zustand der Nägel ist mitunter sogar der erste Hinweis, dass im Körper etwas nicht stimmt, wie Lautenschlager erklärt: «Solche Veränderungen betreffen dann in der Regel alle Nägel wie beispielsweise die sogenannten Half-and-half-nails, auch Terry-
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NÄGEL
Gesundheit verraten
Nägel genannt.» Dabei verfärben sich der untere Teil des Nagels weiss und die Nagelspitze rot. Dies können Anzeichen für eine Niereninsuffizienz oder Leberzirrhose sein. Eine muldenförmige Einsenkung des Nagels ins Nagelbett wiederum deutet auf Eisenmangel hin, und stark nach aussen gewölbte Nägel, sogenannte Uhrglasnägel, können auf Lungenkrebs oder eine Leistungsschwäche der rechten Herzhälfte (Rechtsherz-Insuffizienz) hinweisen. Der Facharzt betont, dass insbesondere Veränderungen, die alle Nägel gleichzeitig betreffen, Anhaltspunkte für einen Krankheitszustand sind.
Dunkle Verfärbungen als Warnsignal Auch plötzlich auftretende dunkle Verfärbungen sind ein Warnsignal: Wenn sie länger als 3 Monate bestehen, sollten sie auf alle Fälle einem Hautarzt gezeigt werden. Dieser klärt ab, ob es sich allenfalls um einen bösartigen Hauttumor handelt, der umgehend entfernt werden muss. «Vor allem wenn eine Pigmentierung auf den Nagelfalz übergreift, besteht ein hohes Risiko, dass es sich um eine spezielle Form eines Melanoms, also schwarzen Hautkrebs handelt, der sich im Bereich der Handflächen, Fusssohlen und unter den Nägeln entwickelt», sagt Lautenschlager. Bei jeder Nagelveränderung, die über Monate andauert oder trotz Behandlung fortbesteht, wird der Dermatologe eine Gewebeprobe entnehmen, um abzuklären, ob die Bildung von krankem Gewebe weiter fortschreitet.
Nagelpflege nicht übertreiben Damit Zehen- und Fingernägel gesund bleiben, ist es wichtig, sie regelmässig zu pflegen. Doch wenn man es mit der Maniküre und Pediküre übertreibt, kann man auch ernsten Schaden anrichten. So
sollte man auf keinen Fall die Nagelhäutchen zurückschieben oder abschneiden. Der dünne Film am Nagelansatz verhindert nämlich, dass Schmutz und Bakterien in das Nagelbett eindringen. Werden die Nagelhäutchen oder der Nagelfalz verletzt, kann sich das Gewebe entzünden. Es rötet sich, schwillt an, und nach einiger Zeit bildet sich Eiter. Eine solche Nagelbettentzündung, auch Umlauf genannt, ist äusserst schmerzhaft, und unter Umständen wird der Nagel abgestossen. Dabei kann sich auch eine sehr feste Blase im Bereich der Fingerspitze bilden. Mit einem Einschnitt wird die Eiterhöhle geöffnet, was zu einer sofortigen Druckentlastung führt und die Schmerzen lindert. Je nach Situation wird die Behandlung mit einer Antibiotikakur ergänzt.
Eingewachsene
Fussnägel durch
zu enge Schuhe Auch der Nagel selbst kann Entzündungen verursachen. Trägt man zum Beispiel häufig zu enge Schuhe, können durch den Druck die Zehennägel einwachsen. Wenn eine Entzündung zum ersten Mal auftritt, können bereits das Desinfizieren der Wunde und das Tragen von speziellen Einlagen helfen. Ist der Nagel durch den Druck stark verkrümmt, wird eine Spange um den Nagel angebracht, um ihn in seine ursprüngliche Form zurückzubringen. Auch Pflaster, die den Nagelwall nach aussen ziehen, wodurch der Nagel mehr Platz bekommt, können nützlich sein. Lautenschlager: «Treten solche Entzündungen aber wiederholt auf, muss die Nagelplatte entweder chemisch mit Phenol oder allenfalls operativ dauerhaft verschmälert werden, damit eine Abheilung möglich ist.»
*Helen Weiss ist freischaffende Journalistin. Sie lebt in Basel.
Pilzbefall an der Nagelwurzel: Von der infizierten Nagelwurzel gelangen die Pilze in die Nagelplatte und wachsen mit dem Nagel weiter nach vorne.
Chronische Nagelbettentzündung: Die Nageloberfläche ist oft rau und aufgesplittert. Es bilden sich Furchen sowie Wülste, der ganze Nagel verkleinert sich.
Nagelspange: Eingewachsene Fussnägel sind häufig stark verkrümmt. Um sie in die ursprüngliche Form zu bringen, wird eine Spange angebracht.
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