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INTERVIEW
«Häufigste Ursache für krankhafte Schuppen ist ein Hefepilz»
Verstärkte Schuppenbildung auf dem Kopf ist meist nur ein vorübergehendes, kosmetisches Problem, dem mit entsprechenden Haarpflegeprodukten beizukommen ist. Gelegentlich verbergen sich hinter den lästigen Hautteilchen aber auch Pilzinfektionen oder eine schwerwiegende Erkrankung, wie der Dermatologe Antonio Cozzio im folgenden Gespräch aufzeigt.
PD Dr. med. Dr. sc. nat. Antonio Cozzio ist Leitender Arzt der Dermatologischen Poliklinik des Universitätsspitals Zürich.
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S prechstunde: Schuppen sind ein relativ häufiges Problem, rund ein Drittel der Bevölkerung kennt es aus eigener Erfahrung. Was genau sind Schuppen aus medizinischer Sicht? Dr. med. Dr. sc. nat. Antonio Cozzio: Schuppen sind an sich eine völlig normale Erscheinung der Kopfhaut. Sie entstehen als Abfallprodukt der Oberhaut, die sich alle vier Wochen am gesamten Körper erneuert. In der Regel nimmt man sie jedoch nicht wahr, da die Abschuppung kontinuierlich und diskret erfolgt. Doch bei krankhaften Bedingungen können sie sichtbar werden, etwa wenn sich die Abschuppung vermehrt oder sich die Qualität der Schuppen verändert.
Welche Faktoren können zu einer verstärkten Abschuppung der Kopfhaut führen? Zu häufiges Haarewaschen, die falschen Shampoos oder auch zu heisses Föhnen können die trockene Schuppenbildung fördern. Daneben können eine erbliche Veranlagung, Hormonschwankungen, Stress sowie das Klima Ursachen für eine verstärkte Talgproduktion sein, die oftmals zu einer fettigen Schuppung führt. Typischerweise sehen wir häufig im Winter eine vermehrte Schuppenbildung, sei dies aufgrund der Kopfbedeckung, welche die Kopfhaut reizt oder wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung.
Gibt es Möglichkeiten, Schuppen vorzubeugen? Trockene Kopfhaut sollte durch zu häufiges Waschen nicht zusätzlich ausgetrocknet werden. Zu fettiges Haar darf etwas häufiger gewaschen werden, wobei manchmal als Reaktion eine noch stärkere Talgproduktion auftritt.
Nach der Kopfwäsche sollten die Haare, wenn überhaupt, nur kurz und nicht zu warm geföhnt werden, um die Kopfhaut nicht zusätzlich zu reizen. Es gibt Shampoos mit Pflanzenwirkstoffen wie Thymian, Rosmarin oder Kapuzinerkresse, denen eine schuppenhemmende Wirkung nachgesagt wird. Auf spitze Kammzinken sowie Bürsten mit harten Borsten sollte man verzichten. Mehrmaliges Bürsten mit einer weichen Bürste verteilt den Talg besser auf die Haare und nimmt ihn so der Kopfhaut. Der Talg bietet gewissen Hefepilzen, die zu Schuppung führen können, Nahrung.
Kopfschuppen können offenbar auch krankhaft sein. Welche Ursachen kommen hier infrage? Die häufigste Ursache für krankhafte, oftmals fettige Schuppen ist ein Hefepilz der Familie der Malassezia. Dieser Pilz kann auch auf gesunder Kopfhaut ohne verstärkte Schuppenbildung leben. Kommt es zu einer erhöhten Talgproduktion, fühlt sich dieser fettliebende Hautpilz jedoch wohler und vermehrt sich schneller. Er ernährt sich vom Talg und Fett auf der Haut und setzt bei der Verdauung Substanzen frei, die zu Reizungen der Kopfhaut führen können. Durch Kratzen wird die Entzündung verstärkt und die Schuppenbildung noch mehr angeregt.
Wann sind Schuppen Zeichen für eine ernsthafte Erkrankung, die man medizinisch abklären muss? Die harmlose, normale Schuppenbildung zeigt sich klinisch überhaupt nicht oder nur in einer sehr diskreten Schuppung bei der sogenannten Pityriasis simplex. Dies ist eine verbreitete, nicht ansteckende und meist harmlose
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HAARE
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Im Winter sind Schuppen häufiger als in der warmen Jahreszeit.
Ausgeprägte Rötung und Schuppung bei Psoriasis (Schuppenflechte).
Hautkrankheit, die vor allem bei Kindern auftritt. Bilden sich stärkere, auch gelblich fettige Schuppen, oder ist die Schuppung mit starkem Juckreiz, Krustenbildung, Rötung der Kopfhaut oder Haarausfall verbunden, sollte man einen Dermatologen aufsuchen. Eine trockene Kopfhaut mit Rötung und Schuppung kann Zeichen einer Neurodermitis sein, die auch andere Körperstellen befallen kann. Eine weitere Ursache für krankhafte Schuppenbildung ist eine Kontaktallergie auf Haarfärbemittel oder Shampoobestandteile.
Gibt es weitere Krankheiten, bei denen auch andere Körperstellen von Schuppen befallen sind? Krankhafte Schuppenbildung kann auch im Brustbereich, im Gesicht oder im Ohrbereich auftreten, etwa beim seborrhoischen Ekzem, einer chronischen Hautentzündung. Bei einer lokalen Schuppung mit Haarausfall im betroffenen Gebiet ist auch an eine Dermatophyten-Pilzinfektion zu denken. Neben der oben genannten Neurodermitis ist die Psoriasis zu erwähnen, die sich mit Rötungen und dick-silbrigen Schuppen auf dem Kopf zeigen kann. Seltener kommt als Ursache für übermässige Abschuppung auch die angeborene Fischschuppenkrankheit infrage. Ebenfalls selten können auch Infektionen vorliegen, etwa die Geschlechtskrankheit Syphilis oder, vor allem bei Kindern, Scharlach.
Wie können Laien normale von krankhaften Schuppen unterscheiden und entsprechend reagieren? Wenn eine starke Schuppenbildung und die oben genannten Symptome wie Hautrötungen im Kopfbereich mit ausgeprägtem Juckreiz und Haarausfall vorliegen, empfiehlt es sich, einen Dermatologen zu konsultieren. Insbesondere dann, wenn sich zusätzlich der übrige Körper an einer oder mehreren Stellen entzündet oder schuppt.
Was geschieht, wenn man Schuppen nicht behandelt? Das hängt von der Art der Erkrankung ab. Wenn unbehandelte Schuppen in der Dichte zunehmen, kann das bei den Betroffenen zu einem sozialen Rückzug mit entsprechenden psychischen Folgen führen. Gesundheitlich kann durch eine Anhäufung von Schuppen auf dem Kopf ein Milieu geschaffen werden, das bakterielle und weitere Pilzinfektionen fördert, vor allem bei gleichzeitigem Verletzen der Kopfhaut durch kräftiges Kratzen. Zudem kann es durch zunehmendes Kratzen und Scheuern zu Haarausfall kommen.
Welche Massnahmen sind bei Kopfschuppen wirksam und sinnvoll? Der Dermatologe kann neben den bereits erwähnten vorbeugenden Massnahmen zusätzliche Behandlungen verschreiben. Selendisulfid, Pyrition, Zink oder Ichthiolverbindungen in entspre-
chenden Shampoos bekämpfen die übermässige Schuppenbildung. Zusätzlich sind medizinische Schuppenshampoos mit pilzhemmenden Substanzen verfügbar. Diese Wirkstoffe haben einen Depoteffekt, da sie sich in die Hornstruktur des Haars einarbeiten. Deshalb reicht es, diese Shampoos ein- bis zweimal wöchentlich zu verwenden, während vier bis acht Wochen. Dazwischen sollten bei Bedarf milde Shampoos benutzt werden.
Was empfehlen Sie bei sehr hartnäckigen Schuppen? In solchen Fällen werden zuerst schuppenauflösende Lotionen oder Packungen mit Salicylsäure eingesetzt. Die Hemmung des Juckreizes kann zudem mit Shampoos erreicht werden, die Harnstoff enthalten, der die trockene Kopfhaut regeneriert. Auch eine rückfettende oder kortikosteroidhaltige Packung ist bei gewissen Typen der Kopfhautschuppung sehr hilfreich. Bei Pilzinfektionen oder hartnäckigen seborrhoischen Kopfhautschuppungen ist die manchmal recht langwierige Anwendung von Medikamenten gegen Pilzinfektionen, sogenannten Antimykotika, notwendig. Diese müssen vom Arzt verschrieben werden.
Herr Cozzio, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Das Interview führte Helen Weiss.
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