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Endometriose: zu lange unerkannt
Die Endometriose gehört zu den häufigsten Frauenkrankheiten. Zwischen 30 und 50 Prozent der ungewollt kinderlosen Frauen sind betroffen. Typisch sind starke Schmerzen während der Monatsblutung, die aber häufig als normal angesehen werden. Deshalb bleibt die Erkrankung meist viele Jahre unentdeckt.
Von Therese Schwender*
Das Einsetzen der ersten Monatsblutung als Übergang vom Kind zur Frau gilt noch heute in vielen Kulturen als ein Ereignis, das es zu feiern gilt. Für unzählige Frauen aber beginnt mit der Monatsblutung auch ein langer Leidensweg, denn sie haben eine Endometriose. Bei einer Endometriose siedeln sich ausserhalb der Gebärmutter Inseln aus Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) an. Solche Herde sitzen häufig im Unterbauch, etwa in den Eierstöcken, am Bauchfell, dem Darm oder der Blase. Selten auch in anderen Organen wie Haut oder Lunge. Wie die normale Gebärmutterschleimhaut wachsen die Herde zyklisch und bluten.
Doch dieses Blut kann nicht wie bei der Monatsblutung nach aussen wegfliessen, sondern sammelt sich im Bauchraum an. Je nachdem, wo die Herde liegen, löst dies Beschwerden aus wie starke Unterbauchschmerzen während der Menstruation (Monatsschmerzen), Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Wasserlassen oder Stuhlgang. Auch Schmerzen um den Zeitpunkt des Eisprungs oder chronische Unterbauchschmerzen sind möglich.
Ungewollte Kinderlosigkeit Monatsschmerzen werden vielfach als «normale» Begleiterscheinungen der Blutung angesehen. Deshalb bleibt eine
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GYNÄKOLOGIE
Endometriose häufig jahrelang unerkannt. Die Gynäkologin Corinne Neukomm, die am Berner Inselspital unter anderem die Endometriose-Hotline betreut, sagt: «Viele Frauen sprechen nicht gerne über Probleme wie Monatsschmerzen, eben gerade weil sie denken, das gehöre einfach dazu. So kann es zwischen 3 und 11 Jahren dauern, bis eine Diagnose gestellt wird.» Und dabei ist die Endometriose eine durchaus häufige Erkrankung. «Wir schätzen, dass 10 bis 15 Prozent der Frauen daran leiden. Von den ungewollt kinderlosen Frauen sind gar zwischen 30 und 50 Prozent betroffen.» Ungewollte Kinderlosigkeit zählt zu den häufigen Folgen einer Endometriose. Denn sitzen die Herde in den Eierstöcken, beeinträchtigt dies unter Umständen die Reifung der Eizellen. Die Endometriose führt aber auch zu Reizungen und Entzündungen im Bauchraum. Dadurch kann es zu Verklebungen und Verwachsungen im Bereich der Eileiter kommen, eine normale Schwangerschaft ist dann nicht mehr möglich.
Ursache ist rätselhaft Wie eine Endometriose entsteht, ist nach wie vor ein ungelöstes Rätsel. Eine der Theorien geht davon aus, dass während der Periode ein Teil des Menstruationsbluts über die Eileiter in den Bauchraum fliesst. Dieses Blut enthält lebensfähige Zellen der Gebärmutterschleimhaut, die am Bauchfell haften bleiben und dort zu wachsen beginnen. Allerdings fliesst bei fast jeder Frau etwas Menstruationsblut in die Bauchhöhle, und trotzdem kommt es nicht bei allen Frauen zu einer Endometriose. Es wird deshalb vermutet, dass hier auch genetische Faktoren und das Immunsystem eine Rolle spielen. «Gegen diese Theorie der sogenannten retrograden Menstruation spricht eine neue Untersuchung, bei der man schon bei Mädchen vor der ersten Monatsblutung Endometrioseherde festgestellt hat», erläutert Corinne Neukomm. Eine weitere Theorie versucht die Entstehung einer Endometriose wie folgt zu erklären: Bereits während der Entwicklung im Mutterleib wird an verschiedenen
Stellen im Körper Gewebe angelegt, das sich dann im Erwachsenenalter zu Endometriosegewebe umwandelt. Aber auch diese Theorie lässt sich bis heute nicht eindeutig beweisen. Deshalb laufen weitere Forschungen, welche die Ursache der Endometriose entschlüsseln sollen. So wird am Inselspital seit längerer Zeit die Bauchhöhlenflüssigkeit von Frauen untersucht, die zu einer Bauchspiegelung kommen. Dabei konnten Unterschiede in der Zusammensetzung dieser Flüssigkeit bei Frauen mit beziehungsweise ohne Endometriose festgestellt werden. Welche Bedeutung diese Unterschiede haben, ob sie zum Beispiel Ursache oder Folge der Erkrankung sind, ist allerdings noch nicht geklärt.
Diagnose durch Bauchspiegelung Erste Hinweise, ob eine Endometriose vorliegt, kann eine Tast- und/oder Ultraschalluntersuchung liefern. Um aber die Diagnose mit Sicherheit stellen zu können, braucht es eine Bauchspiegelung (Laparoskopie). Dabei können die Endometrioseherde und die befallenen Organe genau beurteilt und auch eine Gewebeprobe entnommen werden. Nicht immer besteht übrigens ein Zusammenhang zwischen dem Ausmass der Beschwerden und dem Schweregrad der Erkrankung. Bereits einige wenige Herde können unter Umständen zu starken Schmerzen führen.
Herde mit Laser entfernen Nach Möglichkeit werden die Endometrioseherde gleich bei der Bauchspiegelung mithilfe eines Lasers verdampft oder herausgeschnitten. «Das Ziel einer Bauchspiegelung muss sein, alle Herde zu entdecken und zu entfernen», so die Gynäkologin. Dazu brauche es aber einige Erfahrung, da nicht alle Herde gleich gut erkennbar seien. In besonderen Fällen ist neben der Entfernung der Herde zusätzlich eine medikamentöse Therapie nötig. Da die Endometrioseherde durch Östrogene, die weiblichen Geschlechtshormone, aktiviert werden, setzt die Behandlung hier
an. Die Medikamentenabgabe führt zu einem Zustand wie in den Wechseljahren, und die Herde werden so zum Schrumpfen gebracht. Allerdings kann die Behandlung auch wechseljahrtypische, unangenehme Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, trockene Schleimhäute und so weiter auslösen. Diese fallen aber von Frau zu Frau sehr unterschiedlich aus. Ausserdem wird die medikamentöse Therapie während maximal 6 Monaten eingesetzt, um negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Knochen (Osteoporose) zu vermeiden.
Rückfälle sind häufig Als Nachbehandlung empfehlen Ärzte Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch, die Pille oder eine Hormonspirale anzuwenden. Damit wird versucht, ein erneutes Auftreten oder ein Wachstum der Endometrioseherde möglichst hinauszuzögern. Denn leider kommt es meist früher oder später zu einem Rückfall. Besonders hoch ist diese Gefahr bei Frauen, die eine sehr ausgeprägte Endometriose hatten. Eines ist jedoch positiv: Mit dem Einsetzen der Wechseljahre bilden sich allenfalls noch vorhandene Endometrioseherde endgültig zurück.
*Therese Schwender ist ausgebildete Tierärztin und arbeitet heute als Medizinjournalistin. Sie lebt in Römerswil (LU).
INFO
Hotline Endometriose-Zentrum Bern Ärztliche Beratung für Frauen mit Endometriose Jeden Dienstag von 12.00 bis 14.00 Uhr Tel. 031-632 18 37. Anfragen sind auch per E-Mail möglich: endometriose@insel.ch
Selbsthilfegruppen In drei Städten werden zurzeit Selbsthilfegruppen für Betroffene angeboten: Biel: www.endometriose-wieweiter.ch Burgdorf: www.endofemme.ch Zürich: www.offenetuer-zh.ch
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