Transkript
Die Maniokpflanze imponiert durch ihre fingerförmigen Blätter. Geerntet werden die Wurzeln. Sie werden zuerst geschält und gewaschen. Dann wird die Maniokmasse gemahlen, gepresst, gerieben und schliesslich gedämpft.
Maniok – das Wurzelbrot de
Was für uns die Kartoffel, ist in den Tropen der Maniok: ein Grundnahrungsmittel. Er liefert Mehl tief aus dem Boden und ist die viertwichtigste Nahrungspflanze weltweit. Bei über 500 Millionen Menschen steht Maniok auf dem täglichen Speiseplan. Auch unsere Gastronomie beginnt
Im tropischen Süd- und Mittelamerika und in der Karibik gehörte Maniok schon lange vor der Entdeckung Amerikas zur Grundnahrung der Ureinwohner. Vor 500 Jahren brachten die Portugiesen die spindelförmige Wurzel nach Afrika, von wo aus sie im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug bis nach Südostasien fortsetzte.
die Brotwurzel zu entdecken – sehr zur Erleichterung der immer zahlreicheren Getreideallergiker.
von Heini Hofmann*
Ein Weltnahrungsmittel Heute wird Maniok – auch Mandioka, Cassava, Tapioca oder Yuca genannt – im Tropengürtel rund um den Globus kultiviert. Die Weltproduktion beträgt fast 200 Millionen Tonnen jährlich, erzeugt auf rund 20 Millionen Hektaren Anbaufläche, wobei der Kleinanbau statistisch nicht erfasst ist. Während Maniok früher von Kleinbauern für den Eigenkonsum und den lokalen Markt angebaut wurde, ist er inzwischen zur Plantagepflanze arriviert. Man staunt: Rund ein Siebtel der Weltproduktion dieser für die menschliche Ernährung wichtigen Pflanze gelangt als hochwertiges Viehfutterkonzentrat für die Fleischproduktion in die Industrienationen, was in den Ur-
sprungsländern zu Monokulturen führt. Die zu den Wolfsmilchgewächsen (Euphorbiaceae) gehörenden Maniokpflanzen sind mehrjährige, zwei bis fünf Meter hohe, buschige Sträucher mit speziellen, fingerförmig aufgefächerten Blättern, grünlich-gelben Blüten und dreiknöpfigen Kapselfrüchten. Geerntet werden die grossen, büschelweise angeordneten, stärkereichen Wurzeln (Rhizome). Ihre Masse sind beeindruckend: 30 bis 100 cm lang, 5 bis 10 cm dick und 1 bis 10 kg schwer.
Viel Stärke, wenig Eiweiss Die rindenartige Schale der Wurzelknollen ist bräunlich bis schmutzig weiss, das Innere weiss bis gelblich und von fester Konsistenz, bei älteren Exemplaren faserig und holzig. Maniok ist tolerant gegenüber kargen, sauren Böden und relativ resistent gegen Trockenheit. In der Stärkeproduktion pro Fläche übertrifft der Maniok den Mais um das Zehnfache. Doch leider enthält er nur sehr wenig Eiweiss, weshalb viele Menschen in armen Ländern, deren Hauptnahrungsmittel
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ERNÄHRUNG
Maniokrezepte
Mandioka frita – frittierte Maniokwurzel Die Maniokwurzel schälen und ca. 20 Minuten kochen. Abkühlen lassen und in ca. 5 cm lange, fingerdicke Scheiben schneiden. In Erdnussöl goldgelb frittieren und mit Knoblauchsalz würzen.
Farofa seca – trockene Farofa (für 6 Personen) Zutaten: 200 g Maniokmehl, 3 Essl. Butter, 1 Teel. Salz. Das Mehl in einer Pfanne unter ständigem Rühren ca. 10 Min. rösten. Die Herdplatte ausschalten und die Butter nach und nach in das geröstete, heisse Mehl geben und gut verrühren. Es entsteht eine grobkörnige Mischung, die Streuseln ähnelt. Salzen und heiss servieren.
FOTOS: CHRISTOPH HEUBERGER
er Tropen
Linguica frita com Farofa – gebratene Wurst mit Maniokmehl Zutaten: 4 grobe Bratwürste, 2 Frühlingszwiebeln, 1 Knoblauchzehe, 1 Zwiebel, gewürfelter Speck, Maniokmehl nach Bedarf zum Panieren. Die Bratwürste in Scheiben schneiden, in etwas Olivenöl anrösten, zum Schluss die fein gehackten Frühlingszwiebeln und den Knoblauch kurz mit andünsten. Mit Worcestersauce abschmecken und warm stellen. In der gleichen Pfanne die Zwiebel und den Speck dünsten, mit etwas Butter verfeinern und zum Schluss das Maniokmehl hinzugeben und goldgelb rösten. Mit Salz und Pfeffer würzen. Alles auf einer Platte anrichten.
Maniok ist, an Proteinmangel leiden. Die Zubereitungsarten und die Vielzahl von Maniokprodukten variieren von Kontinent zu Kontinent und von Land
Pirão (für 4 Personen) Zutaten: ½ Liter Gemüsebrühe, 1 Tasse Maniokmehl. Die Gemüsebrühe durch ein Sieb giessen, zum Kochen bringen, dann das Maniokmehl unter ständigem Rühren hineinstreuen, bis ein dickflüssiger Brei entsteht, den man mit der Gabel essen kann.
zu Land. In Südamerika werden die Knollen geschält, zerrieben und eingeweicht. Nach einigen Tagen wird die Masse ausgepresst und im Ofen geröstet. Was in der Presse zurückbleibt, liefert das Mandiokamehl (Farinha). Dieses dient zur Herstellung von Fladenbrot, Brei, Saucen, Suppen und alkoholischen Getränken (Kaschiri). Geröstet und in Butter oder Margarine gebraten wird aus Farinha eine ideale Beilage zu Fleisch namens Fa-
Einfache Zubereitung
Eigentlich erstaunlich, dass Maniok bei uns nicht gefragter ist. Zwar findet man ihn man-
cherorts in den Regalen, doch gekauft wird er nur von Kennern und Getreideallergikern.
Dabei ist die Zubereitung einfach: Knollen waschen, schälen, der Länge nach teilen, die
harte Mittelvene herauslösen, in Stücke schneiden, in Salzwasser kochen und mit pikan-
ter Sauce – zum Beispiel aus Olivenöl, Petersilie, Salz und Knoblauch – servieren. Zu Fisch
empfiehlt sich Maniok mit Butter bestrichen, gesalzen und gepfeffert.
Gekochter Maniok, in grosse Stäbchen geschnitten, lässt sich in der Pfanne braten und
frittieren. Gekochte, gedämpfte oder geröstete Knollen können auch zu Brei zerstossen,
zum Verfeinern von Kartoffelsuppe oder Saucen verwendet oder – nach Indianerart – zu
Fladen verbacken werden.
HH
rofa. Maniokmehl kann ähnlich wie Weizenmehl verwendet werden und dient Menschen mit Getreideallergien
als Ersatz. Ein Nebenprodukt bei der Herstellung von Maniokmehl ist Stärke, die, wenn geröstet, Takopia heisst.
Für unsere Gaumen etwas gewöhnungsbedürftig sind die in Palmblätter eingewickelten Maniokstangen (Bibolo) in
dämpft, Couscous-ähnlich) und Garba (qualitativ schlechteres Attiéké).
Unserem Brot ähnlich sind Beijús in Brasilien und Conaque auf den Antillen, Letztere gebacken aus Mandioka- und
Zentralafrika. Manche Produkte werden vor dem Konsum fermentiert, so zum Beispiel in Afrika Gari (saure, mehlige
«Problem» Blausäure Alle Pflanzenteile des Maniok enthalten in ihrem Milchsaft das giftige Blausäure-
Weizenmehl. Ein vor allem in Peru beliebtes Gericht ist Yuca; Yuquitas gibt es sogar in den Fastfood-Ketten als Snack.
Speise), Fufu (feine Paste), Lafun oder Kokonte (mehlige Paste), Agbelima (fermentierter Teig), Attiéké (körnig, ge-
glykosid Linamarin. Je nach Gehalt unterscheidet man zwei Sorten: den bitteren Maniok mit hohem und den in den
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Export gelangenden süssen (Aipim) mit geringerem Anteil an Linamarin. Während sich beim Letzteren das Linamarin hauptsächlich in der Rindenschicht der Wurzelknolle befindet und daher einfache Verarbeitungsschritte genügen (schälen, kochen oder braten), bedingt der bittere, bei dem das Linamarin in der ganzen Knolle verteilt ist, grösseren Verarbeitungsaufwand. Doch wohlgemerkt: Von den 24 wichtigsten Nahrungspflanzen des Menschen enthalten 16 Blausäure, wenn auch meist in geringerem Masse und nicht immer im konsumierten Teil.
Ganzjährige Ernte In manchen Ländern werden auch die eiweissreichen Maniokblätter als gekochtes Gemüse gegessen. Als Nahrungsmittel im Vordergrund steht jedoch die Wurzelknolle. Dabei hat Maniok den grossen Vorteil, dass er – je nach Bedarf – ganzjährig geerntet (und exportiert) werden kann und dabei die höchsten Erträge aller Knollenpflanzen bei erst noch geringem Aufwand erbringt. Ausserdem können die Wurzelknollen auch lange, nämlich zwei bis drei Jahre, im Boden verbleiben, ohne zu verderben. Damit sind sie eine wertvolle Reserve für Hungerzeiten. Geerntete Knollen jedoch verderben rasch; schon nach wenigen Tagen setzt der Abbau ein. Dabei zeigen sich blauschwarze Streifen im Wurzelgewebe, die von kleinen Rindenverletzungen während der Ernte herrühren. Über diese dringen Mikroorganismen ein und leiten so den Fäulnisprozess ein. Bei 5 bis 7° C und 85 bis 95 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit kann die Haltbarkeit auf ein bis zwei Wochen ausgedehnt werden, eingewickelt in Plastikfolie noch ein paar Tage länger. Im Export kommen auch moderne Konservierungsmethoden zur Anwendung, neben Kühlen vor allem das Überziehen mit Wachs.
*Heini Hofmann war früher Zoo- und Zirkustierarzt, heute arbeitet er als freier Wissenschaftspublizist.
INFO
Bezugsquellen Maniok
www.claro.ch: In den Läden der Claro Fairtrade AG gibt es Maniokchips (Nature und Barbeque); sie sind etwas knackiger und härter als Kartoffelchips. Ferner ist geraspelter Maniok, der sich zum Binden von Saucen eignet oder – zusammen mit Milch oder Bouillon – für ein Gericht, das dem Kartoffelstock ähnelt. www.gebana.com: Im Online-Shop der Gebana AG, dem Direktversandspezialisten für Fairtrade-Produkte, kann man ebenfalls geraspelter Maniok bestellen. Bei verschiedenen Grossverteilern findet man in den Regalen auch die ganzen Maniokwurzeln.
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