Transkript
KONGRESS AKTUELL
Virtueller ECTRIMS-Kongress 2021
Digitaler Wissenstransfer zur Multiplen Sklerose
Für den 37. Kongress des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) hatten sich rund 9000 Teilnehmende und 200 Referentinnen und Referenten aus 100 Ländern angemeldet. Die verschiedenen Sitzungen boten Gelegenheit, sich über den aktuellen Stand der Wissenschaft in den unterschiedlichsten Bereichen der Multiplen Sklerose zu informieren.
Z u den in einer Scientific Session aufgegriffenen Themen gehörte die Genetik. Bisher konnten verschiedene genetische Varianten identifiziert werden, die das Risiko erhöhen, an Multipler Sklerose (MS) zu erkranken. Das Ziel der am ECTRIMS-Kongress von Dr. Marijne Vandebergh, Leuven (B), vorgestellten Arbeit war es dagegen, genetische Varianten zu identifizieren, die mit einem erhöhten Schubrisiko einhergehen (1). Dafür analysierten sie und ihre Mitarbeitenden die Daten von 991 MS-Erkrankten, bei denen vor dem Beginn einer krankheitsmodifizierenden Therapie insgesamt 2231 Schübe registriert worden waren. Diese Untersuchungen ergaben schliesslich, dass die genetische Variante rs11871306 innerhalb des Gens WNT9B das Risiko für einen Schub mehr als verdoppelte.
Komorbiditäten erhöhen Behinderungsrisiko Im Rahmen der Poster-Tour stellte Dr. med. Stefanie Binzer, Stockholm (S), ihre Arbeit zum Thema der autoimmunen Komorbiditäten von MS-Betroffenen vor. Laut Binzer zeigten verschiedene frühere Studien, dass Menschen mit MS ein erhöhtes Risiko aufweisen, andere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. Allerdings gebe es kaum Untersuchungen dazu, welchen Einfluss solche Erkrankungen auf die Behinderungsprogression hätten. Anhand einer landesweiten Kohorte untersuchten sie und ihre Mitarbeitenden daher, ob das gleichzeitige Vorliegen einer MS und eines Morbus Crohn, einer Colitis ulcerosa oder eines Typ-1-Diabetes einen Einfluss auf die Behinderungsprogression hat (2). Von 8972 Patienten, die zwischen dem 1. Januar 2004 und Januar 2019 an MS erkrankten, litten 88 (1%) an Typ-1-Diabetes, 47 (0,8%) an Colitis ulcerosa und 78 (0,9%) an Morbus Crohn. Die Analyse ergab, dass MS-Patienten mit Typ-1-Diabetes ein höheres Risiko aufwiesen, einen EDSS-
Score (EDSS: expanded disability status scale) von 3, 4 und 6 zu erreichen. Signifikant war dieses Resultat jedoch nur in Bezug auf das Erreichen eines EDSS-Scores von 4 (Hazard Ratio [HR]: 2,37; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,09– 5,51). Patienten mit Morbus Crohn wiesen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für das Erreichen aller drei Behinderungsmeilensteine auf. In dieser Patientengruppe war lediglich das Resultat für das Erreichen eines EDSS-Scores von 3 signifikant. Eine zusätzliche Analyse der MS-Patienten mit anderen Komorbiditäten (CharlsonKomorbiditätsindex von > 1) zeigte sowohl für Patienten mit Morbus Crohn als auch mit Colitis ulcerosa ein signifikant erhöhtes Risiko für das Erreichen sämtlicher Behinderungsmeilensteine (HR zwischen 1,53 und 2,76). In der Betreuung von Menschen mit MS sollte man sich also nicht nur auf die MS allein konzentrieren, sondern eine holistische Sichtweise haben und der Prävention beziehungsweise dem Management von Komorbiditäten grosse Aufmerksamkeit schenken, fasste Binzer abschliessend zusammen.
Frühe Therapie beeinflusst schubunabhängige Progression Zu einer Progression der Behinderung kann es bei MS-Betroffenen sowohl schubassoziiert (relapse associated worsening, RAW) als auch unabhängig von einer Schubaktivität kommen (progression independent of relapse activity, PIRA). Dr. Mattia Fonderico, Florenz (I), und Mitarbeitende untersuchten die RAW- und PIRA-Raten in einer italienischen Kohorte von Patienten (n = 5340) mit einem klinisch isolierten Syndrom oder einer frühen schubförmigen MS (3). Dabei zeigte sich, dass PIRA für etwa 2 Drittel der Fälle einer bestätigten Behinderungsakkumulation verantwortlich war. Damit scheint laut Fonderico ein schleichendes Voranschreiten der Erkrankung selbst in diesen frühen Stadien von Bedeutung zu sein. Die
Gruppe konnte aber zudem feststellen, dass der frühe Einsatz einer krankheitsmodifizierenden Therapie das Risiko für eine Behinderungsakkumulation schubabhängig wie auch schubunabhängig zu reduzieren vermochte.
Neuroregulin-1 zur Förderung der Remyelinisierung In der Late-Breaking-News-Sitzung wurde von Dr. Hardeep Kataria, Winnipeg (CAN), eine Arbeit zu Neuroregulin-1 (Nrg-1) vorgestellt (4). Wie er einleitend erklärte, bestehe weiterhin grosser Bedarf an MS-Therapeutika, die nicht nur an der entzündlichen Komponente der Erkrankung ansetzten, sondern die auch die Remyelinisierung förderten und weitere Gewebeschäden verhindern könnten. Anhand früherer Untersuchungen konnte seine Forschungsgruppe zeigen, dass Neuroregulin-1 ein wichtiger Wachstumsfaktor ist, der verschiedene Rollen bei der Modulation der Entzündung und der Remyelinisierung hat. Sie fanden aber auch, dass Neuroregulin-1 in den ZNS-Läsionen von Mäusen mit einer experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis sowie in chronischen ZNS-Läsionen von MS-Patienten nur noch in einem reduzierten Mass nachweisbar ist. Eine Behandlung der Mäuse mit unterschiedlichen Nrg-1-Dosierungen führte zu einer Verbesserung der klinischen Symptomatik (5). Im Rahmen der aktuellen Untersuchung konnte Kataria nun zeigen, dass die Wiederherstellung des Nrg-1Spiegels in den demyelinisierenden Läsionen des Rückenmarks die Entwicklung eines proregenerativen Phänotyps von Mikroglia und Makrophagen förderte. Das ging mit einem signifikanten Anstieg des Myelin-Index und dem Erhalt von Axonen einher. Damit scheine die Behandlung mit Neuroregulin-1 eine mögliche Strategie zur Förderung der Remyelinisierung und damit zum Erhalt von Axonen darzustellen, so das Fazit von Katari.
ECTRIMS/EAN-Konsensus zum Thema Impfungen Verschiedene Aspekte des Themas COVID-19 und MS wurden an diesem ECTRIMS-Kongress ebenfalls diskutiert. Einerseits ging es dabei um den Verlauf einer SARS-CoV-2-Erkrankung bei MS-Betroffenen unter einer krankheitsmodifizierenden Therapie, andererseits um die Wirkung der entsprechenden Impfung. Derzeit
46
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
1/2022
KONGRESS AKTUELL
erarbeiten ECTRIMS und EAN (European Academy of Neurology) gemeinsam einen europäischen evidenzbasierten Konsensusreport zum Thema Impfungen bei Patienten mit MS, der auch Angaben zu COVID-19 enthalten wird. Wie Dr. Mauricio Farez, Buenos Aires, Argentinien, erklärte, solle dieses Papier periodisch der aktuellen Datenlage angepasst werden und demnächst auf den Homepages von ECTRIMS und EAN verfügbar sein. Wie er weiter erläuterte, gebe es derzeit bei Patienten mit MS keine spezifischen Kontraindikationen für die verfügbaren COVID-19-Impfstoffe. Die Impfung schütze MS-Betroffene im grossen Ganzen gleich gut wie die Allgemeinbevölkerung. Lediglich bei Patienten, die mit dem S1P-Modulator Fingolimod oder einem Anti-CD20-Antikörper behandelt würden, komme es zu einer ungenügenden Antikörper-Response, so der Referent. Aktuelle Arbeiten zeigten aber, dass diese Patienten zwar keine gute Antikörper-Response, aber eine gute T-Zell-Antwort entwickelten, insbesondere in Bezug auf TH1- und CD8-positive T-Zellen. Die Patienten würden also eine Immunantwort entwickeln, wenn auch keine vollständige. Daher werde ein Antikörpertest zur Beurteilung der Immunität gegenüber SARSCoV-2 nach einer Impfung aktuell auch nicht empfohlen.
Daten zum COVID-19-Risiko und zum Verlauf Im Rahmen des Konsensusreports wird auch die Frage aufgegriffen, ob MS-Patienten ein höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Erkrankung oder für einen schwereren Verlauf aufweisen. Die bisher verfügbaren Daten sprächen dafür, dass es bei Menschen mit MS nicht zu schwereren COVID-19-Verläufen komme als in der Allgemeinbevölkerung, wie Farez erklärte. Als Risikofaktoren für schwere Verläufe wurden bei Patienten mit MS die gleichen Faktoren identifiziert, die bei der übrigen Bevölkerung als Risikofaktoren gelten. Dazu gehören höheres Alter, männliches Geschlecht, Übergewicht, Diabetes, kardiale Komorbiditäten sowie ein höherer EDSS-Score (6). In Bezug auf den Effekt einer krankheitsmodifizierenden Therapie auf den Verlauf einer SARS-CoV-2Erkrankung ergaben Daten aus Italien, dass eine Behandlung mit Interferonen oder Glatirameracetat das Risiko für eine Infektion und für einen schwereren klinischen Verlauf nicht erhöhte (7). «Für MS-Betroffene unter Behandlung mit den Anti-CD20-Antikörpern Ocrelizumab und Rituximab sowie bei Patienten mit einer vor weniger als einem Monat durchgeführten Steroidbehandlung fand sich jedoch ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Erkrankungsverlauf», ergänzte Farez.
Intrathekale Stammzellen bei progredienter MS Am ECTRIMS-Kongress wurden auch zu den progredient verlaufenden MS-Formen Neuigkeiten präsentiert. Cohen et al. stellten die Resultate einer Phase-II-Studie mit Patienten mit einer primär oder sekundär progredienten MS vor (8). Zur Behandlung dieser Patienten wurde bei aus dem Knochenmark entnommenen mesenchymalen Stammzellen (MSC) in der Zellkultur eine Erhöhung der Produktion an neurotrophen Faktoren (NTF) induziert. Durch die intrathekale Applikation dieser Zellen soll bei Patienten mit progredienten MS-Formen nicht nur gegen die ZNS-Entzündung vorgegangen werden können, sondern auch gegen die defiziente Neuroprotektion und Neurodegeneration. An der Studie konnten Patienten mit einem EDSS-Score von 3 bis 6,5 teilnehmen, bei denen es innerhalb der letzten 6 Monate vor Studienbeginn zu keinem Schub gekommen war. Zudem mussten sie in der Lage sein, innerhalb von maximal 60 Sekunden 25 Fuss zu gehen. Sie erhielten in den Wochen 0, 8 und 16 jeweils eine intrathekale MSC-NTF-Applikation und wurden danach für 28 Wochen nachverfolgt. Der primäre Endpunkt der Studie war die Sicherheit. Zu den sekundären Endpunkten gehörten verschiedene Tests, unter anderem der Timed-25-FootWalk-Test (T25FW), der 9-Hole-Peg-Test (9HPT) und der Symbol-Digit-Modalities-Test (SDMT). Ausserdem wurden in Liquor und Blut verschiedene Biomarker bestimmt. Die klinischen Wirksamkeitsparameter wurden mit 48 gematchten Patienten aus dem Register Comprehensive Longitudinal Investigation of Multiple Sclerosis (CLIMB) verglichen. Insgesamt starteten 18 Patienten die Behandlung, 16 erhielten alle 3 intrathekalen Applikationen und konnten ausgewertet werden. 2 Patienten brachen die Studie aufgrund von verfahrensassoziierten Nebenwirkungen ab. 14 beziehungsweise 13% der Teilnehmenden zeigten eine mindestens 25%ige Verbesserung im T25FW und im 9HPT. Aus der Kontrollgruppe erreichte kein Patient diese Resultate innerhalb eines vergleichbaren Follow-ups. Bei 67% der behandelten Patienten zeigte sich eine Verbesserung im SDMT um mindestens 3 Punkte. Die Analyse von Liquorbiomarkern an 3 aufeinanderfolgenden Zeitpunkten ergab eine signifikante Zunahme an neuroprotektiven Molekülen und eine Abnahme an neuroinflammatorischen Biomarkern.
News zu verschiedenen Therapieoptionen Schliesslich wurden am ECTRIMS-Kongress auch Resultate aktueller Untersuchungen zu den verschiedenen zugelassenen Therapieoptionen präsentiert. So gab es die Resultate
einer Interimsanalyse der offenen Verlängerungsstudie DAYBREAK zur Langzeitsicherheit und -wirksamkeit von Ozanimod zu sehen (9). Die Analyse basierte auf den Daten von 2494 Patienten und einer mittleren Ozanimod-Expositionsdauer von 46,8 Monaten in der offenen Verlängerungsphase (9725,5 Patientenjahre). Ozanimod zeigte eine anhaltende Wirkung mit einer tiefen jährlichen Schubrate (adjustierte Rate von 0,103), einer tiefen Rate an neuen/sich vergrössernden T2- und Gadolinium-aufnehmenden Läsionen sowie einer geringen Behinderungsprogression. Die Verträglichkeit erwies sich als gut. 3% der Patienten brachen die Therapie aufgrund von behandlungsassoziierten Nebenwirkungen ab. Es wurden keine schweren opportunistischen Infektionen, jedoch ein Fall einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie registriert (März 2021).
Ocrelizumab Die Phase-IIIb-Studie CASTING untersuchte die Wirksamkeit und die Sicherheit von Ocrelizumab (600 mg i.v. alle 24 Wochen, für 96 Wochen) bei Patienten mit schubförmiger MS, die auf 1 oder 2 vorangehende krankheitsmodifizierende Therapien von > 6 Monaten Dauer suboptimal angesprochen hatten. Patienten mit einem guten therapeutischen Nutzen-Risiko-Profil nach 96 Wochen (beurteilt durch den behandelnden Neurologen) konnten anschliessend in die laufende offene Verlängerungsstudie LIBERTO eingeschlossen werden und erhielten weiterhin alle 24 Wochen 600 mg Ocrelizumab. Es zeigte sich ein konsistent gutes Ansprechen der vorbehandelten Patienten auf Ocrelizumab (10). Über einen Zeitraum von 3 Jahren (CASTINGStudien-Baseline bis Woche 48 der LIBERTOStudie) zeigten 59,4% der Patienten eine NEDA (no evidence of disease activity), bei 68,1% fand sich keine klinische Aktivität (keine bestätigte Behinderungsprogression oder Schübe), und bei 86,6 % fand sich keine MRI-Aktivität. Die Studie ergab im Weiteren auch keine neuen Sicherheitssignale. Eine französische Arbeit untersuchte den Einfluss einer 2-jährigen Behandlung mit Fingolimod auf die kognitiven Fähigkeiten von 53 Menschen mit schubförmiger MS (11). Diese ergab, dass die Behandlung insgesamt zu einer Stabilisierung der kognitiven Funktionen führte, wobei sich einzelne Bereiche, wie zum Beispiel das Langzeitgedächtnis, verbesserten.
Siponimod Bei Menschen mit MS nimmt die Dicke der inneren Retinaschicht im Lauf der Zeit als Ausdruck eines neuroaxonalen Verlusts ab. Eine Arbeit zu Siponimod konnte bei einer kleinen
1/2022
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
47
KONGRESS AKTUELL
Patientengruppe (Siponimod: n = 104, Plazebo: n = 55) mit sekundär progredienter MS zeigen, dass es unter Siponimod im Vergleich zu Plazebo nach 12 und 24 Monaten zu einer geringeren Abnahme der Retinadicke kam (12).
Diroximelfumarat Ebenfalls am ECTRIMS-Kongress vorgestellt wurde eine aktuelle Interimsanalyse der Studie EVOLVE-MS-1 mit Diroximelfumarat (DRF) (13). Sie umfasste 1057 Teilnehmende und eine mediane DRF-Expositionsdauer von 2 Jahren. Die Analyse bestätigte die bis anhin in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit von DRF vorliegenden Resultate. Klinische und radiologische Erkrankungsparameter wurden gegenüber dem Ausgangswert reduziert. Die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von gastrointestinalen Nebenwirkungen lag unter 1%.
Dimethylfumarat und Teriflunomid Eine in Basel durchgeführte Untersuchung hatte sich den Vergleich der klinischen Wirksamkeit von Dimethylfumarat (DMF) und Teriflunomid (TFL) unter Alltagsbedingungen zum Ziel gesetzt (14). Dazu wurden die Daten von 1625 MS-Patienten herangezogen, die zwischen Januar 2013 und März 2020 eine Behandlung mit einer dieser beiden Substanzen begonnen hatten. Die Analyse von 1222 gematchten Patienten (902 mit DMF, 320 mit TFL) ergab schliesslich, dass die Zeit bis zu einem Schub unter DMF signifikant länger war als unter TFL (HR: 0,72; 95%-KI: 0,54–0,97; p = 0,03). Das traf auch auf die Zeit bis zu einer Verschlechterung auf der EDSS zu. Bei Patienten, die von DMF zu TFL oder umgekehrt gewechselt hatten (n = 80), war die Zeit bis zu einem Schub unter DMF signifikant länger als unter TFL (HR: 0,38; 95%-KI: 0,18–0,80; p = 0,01), unabhängig davon, in welcher Reihenfolge die Substanzen eingesetzt worden waren. Anhand von Daten, die ebenfalls unter Alltagsbedingungen erhoben worden waren, untersuchten Miravalle et al. die Wirksamkeit von TFL bei 115
MS-Patienten, die aufgrund einer Erkrankungsprogression auf diese Substanz umgestellt wurden (15). Als Krankheitsprogression war dabei eine über 6 Monate anhaltende Zunahme auf der EDSS von > 1 Punkt bei gleichzeitigem Fehlen neuer klinischer Schübe und/oder neuer MRI-Aktivität definiert. Die Analyse der Wirkung von TFL erfolgte 1 Jahr vor der Umstellung, zum Zeitpunkt der Umstellung sowie 1 Jahr danach. Der mittlere EDSS-Score reduzierte sich von 2,71 ± 2,31 (1 Jahr vor der Umstellung) auf 2,60 ± 2,15 (1 Jahr nach der Umstellung, mittlere Veränderung –0,05). 1 Jahr nach der Umstellung war die jährliche Schubrate bei 65,3% der Patienten stabil, bei 13,9% zeigte sich eine Reduktion der Schubrate im Vergleich zum Jahr vor der Umstellung. Die MRI-Aktivität blieb bei den meisten Patienten stabil. 1 Jahr nach der Umstellung benötigten 83,3% der Patienten keine Gehhilfe (1 Jahr vor der Umstellung: 79,2%).
Alemtuzumab und Cladribin
Eine schwedische Gruppe analysierte die Daten
von 51 Patienten, die unter Alltagsbedingungen
in der zweiten oder dritten Linie mit Alemtuzu-
mab behandelt wurden (7 Patienten waren thera-
pienaiv) (16). Nach einer Therapiedauer von 5
Jahren zeigte sich, dass Alemtuzumab in der Lage
war, die Krankheitsaktivität wirksam zu reduzieren.
Sguigna et al. schliesslich untersuchten in der
CLADRINA-Studie mit 40 Patienten mit schubför-
miger oder sekundär progredienter MS die
Umstellung von Natalizumab auf Cladribin (17).
Gemäss ihrer Interimsanalyse führte der Beginn
einer Cladribinbehandlung 14 Tage nach der letz-
ten Natalizumabinfusion während der ersten
6 Monate nach der Umstellung zu keiner neuen
Krankheitsaktivität und zu keinen Nebenwirkun-
gen.
l
Therese Schwender
Quelle: 37th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), 13. bis 15. Oktober 2021, virtuell.
Referenzen: 1. Vandebergh M et al.: Genetic variation in WNT9B increases
relapse hazard in multiple sclerosis. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl):48 (Abstract 078). 2. Binzer S et al.: Concomitant autoimmunity and risk of multiple sclerosis disability worsening. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl):218 (Abstract P129). 3. Fonderico M et al.: Relapse-associated worsening and progression independent of relapse activity in an Italian multicentre cohort of early multiple sclerosis patients. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl):25 (Abstract 037). 4. Kataria H et al.: Neuregulin-1 facilitates remyelination by promoting the reparative properties of macrophages and microglia in animal models of multiple sclerosis. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl):750 (Abstract 190). 5. Kataria H et al.: Neuregulin-1 beta 1 is implicated in pathogenesis of multiple sclerosis. Brain 2021;144:162-185. 6. Louapre C et al.: Clinical characteristics and outcomes in patients with coronavirus disease 2019 and multiple sclerosis. JAMA Neurol 2020;77:1079-1088. 7. Sormani MP et al.: Disease-modifying therapies and coronavirus disease 2019 severity in multiple sclerosis. Ann Neurol 2021;89:780-789. 8. Cohen J et al.: Phase 2 safety and efficacy study of intrathecal MSC-NTF cells in progressive multiple sclerosis. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl):68 (Abstract 114). 9. Selmaj KW et al.: Long-term safety and efficacy of ozanimod in relapsing multiple sclerosis: interim analysis of the DAYBREAK open-label extension study. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 617 (Abstract P737). 10. Van Wijmeersch B et al.: Efficacy and safety of ocrelizumab in patients with RRMS with suboptimal response to prior disease-modifying therapies: 3-year data from CASTING and LIBERTO 1-year interim results. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 543 (Abstract P627). 11. Pfaff L et al.: Fingolimod and cognition: a longitudinal study. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 723 (Abstract P888). 12. Vermesch P et al.: Siponimod preserves retinal thickness, a marker of neurodegeneration, in patients with SPMS: Findings from the EXPAND OCT substudy. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 488 (Abstract P545). 13. Wray S et al.: Diroximel fumarate in patients with relapsingremitting multiple sclerosis: interim safety and efficacy results from the phase 3 EVOLVE-MS-1 Study. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 619 (Abstract P739). 14. Müller J et al.: Comparative analysis of dimethyl fumarate and teriflunomide in relapsing-remitting multiple sclerosis. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 676 (Abstract P819). 15. Miravalle A et al.: Effectiveness of relapsing multiple sclerosis patients switching to teriflunomide following disease progression in a real-world setting. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 705 (Abstract P858). 16. Sandgren S et al.: The effect of alemtuzumab treatment in relapsing remitting multiple sclerosis: real-world data from a five-year prospective one center study. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 615 (Abstract P734). 17. Sguigna P et al.: P987 Cladribine tablets after treatment with natalizumab (CLADRINA) trial – Interim analyses. Multiple Sclerosis Journal 2021; 27(2 suppl): 801 (Abstract P987).
48
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
1/2022