Transkript
Wir stellen vor:
PD Dr. med. Katrin Parmar
Leitende Ärztin, Reha Rheinfelden
PORTRAIT
PD Dr. med. Katrin Parmar ist seit letztem Sommer Mitherausgeberin von P + N. Die passionierte Neurologin ist nicht wegen des Fachs in die Schweiz gekommen, aber deswegen geblieben.
Sie sind Leitende Ärztin in der Reha Rheinfelden. Was sind Ihre Schwerpunkte in Klinik und Forschung? Ich habe sowohl ein stationäres als auch ein ambulantes Pensum. Stationär betreue ich zurzeit zirka 25 Patienten zusammen mit 2 Assistenzärzten. Etwa die Hälfte davon sind Patienten mit schweren neurologischen Beeinträchtigungen zum Beispiel nach Hirnschlag, Hirnblutungen, Hirntumoren oder Schädel-Hirn-Traumata. Aufgrund ihrer Defizite benötigen sie eine intensivere Betreuung und werden auf einer geschlossenen Reha-Abteilung versorgt. Das können aber auch Patienten mit Demenzen sein, die weglaufgefährdet sind, oder solche, die sich in Bezug auf ihre Bedürfnisse nicht gut äussern können. Die andere Hälfte der stationären Patienten betreue ich auf einer Aussenstation. Sie bedürfen weniger Unterstützung, und es sind beispielsweise Patienten mit leichten Hirnschlägen, Multipler Sklerose (MS) oder Parkinson. Im ambulanten Sektor liegt mein klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt bei der MS, wofür ich mich am Unispital Basel langjährig im Team von Prof. Kappos ausgebildet habe. Momentan bin ich dabei, in Rheinfelden eine Spezialsprechstunde für Patienten mit entzündlich demyelinisierenden ZNS-Erkrankungen wie MS und verwandte Krankheiten für die Region Fricktal aufzubauen. Ich untersuche und berate aber auch Patienten mit allgemein neurologischen Fragestellungen wie zum Beispiel Kopfschmerzen, peripheren neurologischen Problemen oder Epilepsie (inkl. Elektroneuromyografien und Elektroenzephalogramme).
Sie haben sich nach dem Medizinstudium für das Fach Neurologie entschieden. Was gab dazu den Ausschlag? Ich begann mich bereits zu Schulzeiten im Biologieunterricht für die Nervenzellen zu interessieren. Das Hirn hat mich sehr fasziniert. Auch im Studium fand ich es sehr spannend, wie man aufgrund des Ausfallmusters auf die Lokalisierung im Gehirn schliessen kann. Ebenso faszinierte mich die Breite des Wissens und Unwissens in der Neurologie mit den vielen noch unbeantworteten Fragen. Da bot sich ein grosses Forschungsfeld. Rückblickend ist es sehr spannend und befriedigend, ein Teil der grossen Entwicklung bei der MS der letzten 15 Jahre zu sein. Die Neurologie wird zwar oft als Fach bezeichnet, in welchem man für die Patienten nicht viel tun kann, weil es sich meist um unheilbare Erkrankungen handelt. Das Ziel ist hier aber ein anderes. Man kann den Betroffenen im Alltag Erleichterung bringen und sie bei ihrer chronischen Erkrankung begleiten. Insbesondere in der Reha kann man alltagsrelevante Fortschritte über die Zeit beobachten, und man erhält sehr viel Dankbarkeit zurück. Das ist sehr erfüllend.
Sie sind in Deutschland aufgewachsen und haben dort studiert. Was brachte Sie in die Schweiz? Ganz einfach, die Liebe! Mein damaliger Freund hatte zu dem Zeitpunkt, als ich das Medizinstudium abgeschlossen hatte, eine Stelle in der Schweiz angenommen. Da ging ich mit. Ich hatte allerdings schon einen Teil meines praktischen Jahres in der Ostschweiz, in Altstätten, absolviert und fand das interessant. Ich habe dann eine Stelle am Unispital Basel bekommen. Die Liebe zu Basel ist geblieben, seither lebe ich dort.
Sie haben Familie und zugleich einen herausfordernden Job. Wie bringen Sie das unter einen Hut? Das hinzubekommen, bedeutet eine enorme Organisation! Doch der Support ist gross. Beispielsweise bietet Basel eine sehr gute Kinderbetreuung an. Ich habe aber auch einen Partner, der mich dabei unterstützt und bereit ist, selbst zurückzustecken, wenn es für mich wichtig ist. Und am Arbeitsplatz werde ich von meinem Chef und meinen Arbeitskollegen unterstützt, wenn es notwendig ist. Gleichzeitig bringt man mir das Vertrauen entgegen, dass ich trotz einer Teilzeitbeschäftigung volle Leistung bringen und in der Klinik einen wichtigen Teil übernehmen kann. Ich schätze es sehr, dass mir dieses Vertrauen entgegengebracht wird. Es ist zudem ein Wechselspiel der Belastungen. Wenn die Arbeit in der Klinik sehr fordernd ist, sind meine 2 Kinder im Alter von 4 und 6 Jahren eine enorm gute Ablenkung, weil sie es gar nicht zulassen, dass man mit den Gedanken woanders ist. Umgekehrt kann ich mich bei der Arbeit von anstrengenden Tagen zu Hause erholen. Diese Kombination gefällt mir sehr. Man muss aber auch akzeptieren, dass man es nicht allen recht machen kann.
Womit können Sie am besten entspannen, was tun Sie für Ihren Ausgleich? Der Austausch mit Freunden ist mir wichtig und bringt mir viel, ich mache zum Beispiel regelmässige Spaziergänge mit einer Freundin. Ausserdem betreibe ich Yoga, was mir sowohl körperlich als auch mental Entspannung bringt. Und ich lese gerne Romane als Ausgleich zur Fachliteratur.
Was waren Ihre grössten persönlichen und beruflichen Highlights?
Als persönliches Highlight möchte ich meine Familie und die Geburt
meiner Kinder bezeichnen. Ein berufliches und persönliches Highlight
war mein wissenschaftlicher Aufenthalt in Montreal. Dort habe ich in
einer tollen Forschungsgruppe am Montreal Neurological Institute ge-
arbeitet und auch meinen jetzigen Mann kennengelernt. Ich bin dann
zurück nach Basel, und mein Mann, ein indischer Kanadier, kam mit mir
mit, was ich im sehr hoch anrechne. Nach der Rückkehr konnte ich
dann meine Habilitation abschliessen.
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Das Interview führte Valérie Herzog.
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
1/2022