Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
PD Dr. med. Margret Hund-Georgiadis
Chefärztin und medizinische Leiterin REHAB Basel, Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie
PD Dr. med. Margret Hund-Georgiadis unterstützt in Basel Patienten dabei, ihre ausgefallenen neurologischen Funktionen nach und nach zurückzugewinnen. Das war aber nicht der Plan!
Sie sind Chefärztin des REHAB Basel. Wie konnten Sie die Betreuung in der REHAB seit Ihrem Stellenantritt weiterentwickeln? Wie haben versucht weiterzuentwickeln, was bereits angelegt war. Das betrifft den Bereich Frührehabilitation, wo wir die Wachkomastation ausgebaut haben. In der Neurologie haben wir zusätzlich eine Station für schwer verhaltensauffällige Menschen nach Hirnverletzung aufgebaut. Da stecken nicht nur bauliche Massnahmen dahinter, sondern auch viel Konzeptarbeit und Mitarbeiterschulung sowie Konsensfindung, wie man mit solch schweren Hirnverletzungen und Verhaltensformen umgeht. Des Weiteren haben wir als einzige Rehabilitationsklinik in der Schweiz eine Intermediate Care Unit für beatmete und schwer betroffene Patienten eingerichtet, die aus dem Akutspital zu uns kommen. Ein weiterer Bereich widmet sich dem Thema Übungswohnen und berufliche Reintegration für Patienten, deren Zustand sich glücklicherweise verbessert. Hier wurde das Angebot ebenfalls erweitert, damit die Patienten für bestimmte Anforderungen eine strukturierte Betreuung erhalten.
Sie haben sich als Neurologin auf Neurorehabilitation spezialisiert. Wie kam es dazu? Als ich jung war, wollte ich mich eigentlich auf Intensivneurologie spezialisieren, um möglichst nahe am akuten Geschehen zu sein. Mit den Jahren und etwas zunehmender Weisheit habe ich für mich die Neurorehabilitation entdeckt. Das ist eine sehr schöne Arbeit, denn man schlägt im Leben eines Patienten nicht nur eine Seite eines Lebenskapitels auf, sondern kann dieses Kapitel mit dem Patienten zusammen mitmachen. Die Rehabilitation dauert ja in der Regel länger, und man begleitet einen Menschen von der Phase, in der das Schlimme passiert ist, bis – im besten Fall – zur Rückkehr in den Alltag. Das klappt nicht immer, aber dennoch oft. In der Rehabilitation sieht man die Entwicklung von der Phase des schweren Krankheitsbilds mit vielen Funktionsausfällen bis zur Phase, wie der Patient nach und nach lernt, wieder auf die Beine zu kommen. Diesen Prozess mitzubegleiten, macht die Rehabilitation so spannend.
Woraus schöpfen Sie Kraft bei Patienten, die kein Feedback auf Ihre Interventionen geben können? Das ist in der Tat eine grosse Herausforderung nicht nur für mich, sondern auch für das ganze Behandlungsteam. Bei Patienten im Wachkoma spielen sich die Fortschritte in einem ganz anderen Massstab ab. Da geht es nicht um die Frage, möglichst schnell wieder in den Alltag zurückzukehren. Vielmehr müssen der Patient und die Angehörigen so gut versorgt und begleitet werden, dass sie irgendwie lernen, mit dem, was am Ende auch immer herauskommt, umzugehen, Frieden damit zu schliessen und ihren Alltag wieder zu bestreiten. Es kann auch sein,
dass der Patient im Wachkoma bleibt. Hier geht es dann darum, sich an einen neuen Alltag heranzutasten. Und es geht um viele medizinische Komplikationen, die im Lauf der Zeit auftreten können, die beispielsweise eine Beatmung oder künstliche Ernährung notwendig machen.
Sie sind in Deutschland aufgewachsen und haben dort studiert. Was brachte Sie in die Schweiz? Eigentlich wollte ich überhaupt nie in die Schweiz! Als mein Mann aber eine Arbeitsstelle in der Schweiz angenommen hat, hatten wir zu dieser Zeit kleine Kinder, und ich war im Erziehungsurlaub. So sind wir also meinem Mann gefolgt. Letztlich haben wir uns hier aber so gut eingefunden, die Kinder sind hier gross geworden, dass es für uns so stimmt und wir uns hier alle ganz wohlfühlen.
Womit können Sie am besten entspannen, was tun Sie für Ihren Ausgleich? Ich bin gern mit meiner Familie und mit Kindern zusammen. Ich verbringe auch gern Zeit in unserem grossen Garten. Das ist der beste Platz, um sich auszutoben, wenn es nötig ist. Ich koche sehr gern, reise mit meiner Familie gern herum und lese auch gern, momentan gerade ein Sachbuch über griechische Mythen. Das sind alles Hobbys, die ich spontan ausüben kann. Für fixe Aktivitäten am Abend hätte ich tatsächlich keine Energie mehr.
Was waren Ihre grössten persönlichen und beruflichen Highlights?
Das ist eine schwierige Frage, da gibt es so vieles! Alles, was ich gedei-
hen sehe, ist für mich ein Highlight. Angefangen bei meinen Kindern,
die an der Uni und am Gymnasium ihre Abschnitte erfolgreich absol-
vieren, über Patienten, die ich bald entlassen kann, bis zu einer endlich
fertiggestellten wissenschaftlichen Arbeit. Das sind alles Meilensteine,
die auf dem Weg liegen, die, wenn sie geschafft sind, immer wieder ein
Hochgefühl vermitteln.
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Das Interview führte Valérie Herzog.
5/2021
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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