Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
Prof. Dr. Susanne Wegener
Leitende Ärztin, Neurologische Universitätsklinik Zürich, Stroke Center: Leiterin Neuroangiologische Sprechstunde, Leiterin Kopfschmerzen
Angewandte Forschung, die dem Patienten direkt nützt, interessiert die Neurologin am meisten. Zurzeit forscht sie am Fortschritt der individuellen Hirnschlagtherapie und wie Kopfschmerzpatienten kommunizieren.
P+N: Sie sind neben Ihrer klinischen Tätigkeit noch zu 50 Prozent in der Forschung engagiert. Was ist dabei Ihr Schwerpunkt? Prof. Dr. Susanne Wegener: Ich habe vom Schweizerischen Nationalfonds eine Förderprofessur zur translationalen Schlaganfallforschung erhalten. Ziel dabei ist es, herauszufinden, wie man Schlaganfallpatienten individuell besser behandeln kann. Anhand der Bildgebung von akuten Hirnschlagpatienten vor Thrombektomie versuchen wir, Modelle zur Vorhersagbarkeit eines besseren Verlaufs zu entwickeln. Denn trotz erfolgreicher Entfernung des Thrombus erholen sich nicht immer alle Patienten gleich gut. Möglicher Grund dafür ist ein Reperfusionsversagen. Ein zweites Standbein von mir ist der Kopfschmerz. Da bin ich aktuell an einem neuen Projekt, das die Kommunikation von Kopfschmerzpatienten untersucht, insbesondere wie unterschiedlich Patienten ihren Schmerz kommunizieren und ob es Geschlechtsunterschiede dabei gibt. Wir arbeiten dazu mit Linguisten der Universität Zürich zusammen. Dabei zeichnen wir Erstkonsultationen mit Schmerzpatienten per Video auf, sofern diese einverstanden sind, und werten die verbale und nonverbale Kommunikation linguistisch aus. Zielgrösse sind etwa 100 Konsultationen. Mich interessiert auch bei Schlaganfallpatienten, wie unterschiedlich Männer und Frauen in medizinischen Belangen sind und ob sie eine unterschiedliche Behandlung brauchen.
Wo sind Sie aufgewachsen, und wo haben Sie Ihre Schul- und Studienzeit verbracht? Ich bin in Rostock an der schönen Ostsee aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Mit 18 Jahren ging ich dann nach Hamburg, um Medizin zu studieren. Nach dem Studium begann ich an der Charité in Berlin auf der Neurologie zu arbeiten. Dort habe ich gemerkt, dass es mir Spass macht, Klinik und Forschung miteinander zu verbinden. Seither habe ich immer versucht, neben der Klinik, die mir viel Freude macht, Forschung zu betreiben, bei der ich das Gefühl habe, dass sie Fragen lösen kann, die für die Patienten relevant sind, sprich angewandte Forschung. Nach einem dreijährigen Forschungsaufenthalt im Bereich Schlaganfall in San Diego, Kalifornien, kam ich 2007 nach Zürich und habe im Unispital meine Facharztausbildung beendet. Seither bin ich in Zürich.
Warum wollten Sie Ärztin werden? Ich fand es immer spannend, mit Menschen zu arbeiten. Die Nähe zu den Patienten und ihre Geschichten sind das, was mir bei der Arbeit grosse Freude bereitet. Deshalb habe ich dann auch die Neurologie gewählt, weil hier die Patienten und ihre Symptome äusserst vielseitig sind und es auch viele Möglichkeiten gibt, Forschung zu betreiben. Als Ärztin kann ich viel Gutes tun, und es ist schön, wenn man tatsächlich helfen kann. Das geht aber leider nicht immer.
Womit können Sie am besten entspannen? Was tun Sie für Ihren Ausgleich? Ich spiele sehr gern Tennis, am liebsten mit meinem Mann, und ich verbringe gern Zeit mit meiner Familie. Ich habe zwei Töchter: 13 und 16 Jahre alt. Sie sind meine grosse Freude und mit Fussball und Ballett viel sportlicher als ich. Ich reise gern und treffe mich gern mit Freunden, wenn es dann wieder möglich ist.
Was waren Ihre grössten persönlichen und beruflichen Highlights?
Ein stetes persönliches Highlight ist die Tatsache, dass es meiner Fami-
lie gut geht und alle glücklich sind. Ein berufliches Highlight war es,
diese Nationalfondsförderprofessur zu bekommen. Zudem bin ich
kürzlich zur Leitenden Ärztin in der Neurologie befördert worden. Auch
diese neue Herausforderung und die Verbindung des Themas Kopf-
schmerz zusammen mit dem ambulanten Schlaganfallbereich sehe ich
als Highlight, weil es ein äusserst vielfältiges und spannendes Arbeits-
gebiet ist.
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Das Interview führte Valérie Herzog.
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
3/2021