Transkript
E D I T O R I A L Trends im Auftreten und in der
Behandlung von Depressionen
D ie Coronakrise nimmt einen fulminanten Verlauf auf die psychische Gesundheit. Eine internationale Metaanalyse zeigt, dass psychische Probleme wie Angst, Depression, Stress und Schlaflosigkeit während der COVID-19-Pandemie bei etwa einem Drittel der Bevölkerung auftraten (1). Auch in der Schweiz findet sich eine zu der internationalen Studienlage identische Situation (2). Besonders Kinder und Jugendliche scheinen von der Pandemie betroffen zu sein, hier sind die Inzidenzzahlen sogar noch etwas höher (3). Das deckt sich mittlerweile mit ersten klinischen Beobachtungen, wonach in der Schweiz in der Kinderpsychiatrie ein vermehrter Behandlungsbedarf festgestellt wurde. Insofern scheint das Thema Resilienz sowohl in der klinischen Versorgung als auch in der wissenschaftlichen Diskussion relevanter zu werden. Der erste Artikel des vorliegenden Hefts widmet sich deshalb der Resilienz in Coronazeiten und fasst zusammen, welche Faktoren bei der Aufrechterhaltung der Resilienz eine Rolle spielen (4). Die WHO befasst sich im Umgang mit Resilienz mit einem in der Behandlungspraxis bereits etablierten transdiagnostischen Psychotherapieverfahren, nämlich der Acceptance-Commitment-Therapie (ACT) (5).
Mit der steigenden Relevanz depressiver Erkrankungen sind auch neue ganzheitliche, niederschwellige und interdisziplinäre Therapieansätze erforderlich. Der zweite Artikel des Hefts widmet sich deshalb der Rolle von Bewegungs- und Sporttherapie zur Behandlung von Depressionen, wie sie bereits von verschiedensten Organisationen sowie in den Behandlungsleitlinien empfohlen wird (6). Gerade mit einer Steigerung der Selbstwirksamkeit und einer Besserung von körperlichen Beschwerden kann Sport einen weiteren wesentlichen Baustein in der Behandlung von Depressionen darstellen. Einen neuen motivationsfördernden Ansatz verfolgt ein Programm des Departements für Sport, Bewegung und Gesundheit in Basel in einer vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie. Hier untersucht Prof. Markus Gerber derzeit in Kooperation mit vier schweizerischen Kliniken, den Universitären Psychiatrischen Kliniken, den psychiatrischen Diensten in Solothurn, der Klinik Sonnenhalde in Riehen und der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee, inwieweit verschiedene digitale und analoge Coachingstrategien die körperliche Aktivität, kardiorespiratorische Risikofaktoren, kognitive Fähigkeiten, depressive Symptome und weitere psychologische Faktoren beeinflussen können (7).
Neue Ansätze in der Behandlung von Depressionen stellen Wirkungen auf die Hirn-Darm-Achse dar, hier zeigen einige präklinische, aber auch erste klinische Studien eine vielversprechende Wirkung. Dass die Ernährung bei Depressionen eine Rolle spielt, wurde in etlichen Metaanalysen bereits gezeigt (8). So konnte auch in einer prospektiven interventionellen Studie bei schwer depressiv erkrankten Menschen gezeigt werden, dass eine gesunde mediterrane Diät zu einer Reduktion depressiver Symptome beitragen kann (9). Im dritten Artikel wird vorgestellt, welche Rolle der Darm bei der Entstehung von affektiven Störungen spielen könnte, über welche Mechanismen diese Wirkung sich entfalten kann und wie diese therapeutisch genutzt werden könnten. Neben etablierten Verfahren wie der Vagusnervstimulation oder auch der Beeinflussung des Immunsystems werden Probiotika als möglicher Therapieansatz dargestellt, auch hier zeigen einige erste Studien Erfolge in der Therapie (10). Als eine direkte Möglichkeit der Darmmanipulation wird die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) vorgestellt.
In der Behandlung der Depression liegen grosse Chancen darin, diese früher und besser zu erkennen und die Inanspruchnahme von Therapie zu sichern (11). In der Behandlung ist vor allem ein leitlinienbasiertes Vorgehen erfolgreich, gerade bei schwerer behandelbaren Depressionen. Zu dieser Thematik erfahren wir etwas im vierten Artikel von Annette Brühl, Chefärztin in den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. Sie stellt neue und etablierte Therapieverfahren für schwerer behandelbare Depressionen vor (11). Hier ist neben den bewährten Ansätzen, wie der obligatorischen Augmentation von Lithium oder dem Einsatz von Neurostimulationsverfahren wie der Elektrokrampftherapie und der transkraniellen Magnetstimulation, ein neuer pharmakologischer Ansatz in Form des seit März 2020 in der Schweiz verfügbaren Esketamin-Nasensprays hinzugekommen, womit sich ein Durchbruch in den neuen Ansätzen zur Therapie der Depression erzielen lassen könnte. Auch psychotherapeutisch wurden Fortschritte in der Behandlung von chronischen Depressionen erzielt, zum Beispiel mit der Cognitive Behavioral Analysis System Therapy.
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Foto: zVg
Undine Lang
Prof. Dr. med. Undine Lang Direktorin der Klinik für Erwachsene und der Privatklinik
Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Wilhelm-Klein-Strasse 27 4002 Basel
E-Mail: undine.lang@upk.ch
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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Referenzen: 1. Wu T et al.: Prevalence of mental health problems during the COVID-
19 pandemic: A systematic review and meta-analysis. J Affect Disord. 2020;281:91-98. 2. Panda PK et al.: Psychological and Behavioral Impact of Lockdown and Quarantine Measures for COVID-19 Pandemic on Children, Adolescents and Caregivers: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Trop Pediatr. 2020 Dec 27; fmaa12. Epub ahead of print. 3. de Quervain D et al.: 2020. The Swiss Corona Stress Study. OSF Preprints. 4. Lang U: Resilienz: Ressourcen stärken, psychisches Wohlbefinden steigern. Kohlhammer Verlag, 2019. 5. WHO 2020. https://www.who.int/mental_health/. 6. Stubbs B et al.: EPA guidance on physical activity as a treatment for severe mental illness: a meta-review of the evidence and Position Statement from the European Psychiatric Association (EPA), supported by the International Organization of Physical Therapists in Mental Health (IOPTMH). Eur Psychiatry. 2018;54:124-144. 7. Gerber M et al.: The impact of lifestyle Physical Activity Counselling in IN-PATients with major depressive disorders on physical activity, cardiorespiratory fitness, depression, and cardiovascular health risk markers: study protocol for a randomized controlled trial. Trials 2019; 20: 367. 8. Lang UE et al.: Nutritional aspects of depression. Cell Physiol Biochem. 2015;37(3):1029-1043. 9. Jacka FN et al.: A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the‚SMILES‘ trial). BMC Med. 2017;15(1):23. 10. Nadeem I et al.: Effect of probiotic interventions on depressive symptoms: A narrative review evaluating systematic reviews. Psychiatry Clin Neurosci. 2019;73(4):154-162. 11. Brühl AB: Schwer behandelbare Depressionen – Konzept und Behandlungsplanung. Psychiatrie und Neurologie 2021;1:7–10.
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