Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
Prof. Stefan Engelter
Chefarzt Rehabilitation Universitäre Altersmedizin Felix Platter Leitender Arzt Behandlungskette Schlaganfall, Stroke Center, Klinik für Neurologie, Universitätsspital Basel
Mit einem Bein im Stroke Center und dem anderen in der Rehabilitation forscht Prof. Stefan Engelter an der Optimierung der motorischen Regeneration. In die Schweiz kam er aber nicht wegen der Medizin.
P+N: Sie sind Leitender Arzt im Stroke Center des Universitätsspitals Basel, zuständig für die Behandlungskette Schlaganfall. Was muss man sich darunter vorstellen? Prof. Engelter: Schlaganfallpatienten, die im Stroke Center behandelt werden, erhalten anschliessend eine Nachbehandlung in der Rehabilitation. Ich sorge dafür, dass das reibungslos abläuft. Das betrifft die
Fachlicher Werdegang kurz und knapp
Prof. Stefan Engelter wurde 1964 in Mannheim (Deutschland) geboren, verbrachte dort seine Schulzeit und studierte in Freiburg im Breisgau (Deutschland) Medizin. Sein Doktorat schrieb er über zirkulierende Immunkomplexe und das C-reaktive Protein. Die Assistenzzeit absolvierte er an verschiedenen Schweizer Kliniken, den Facharzttitel Neurologie erlangte er im Jahr 2000. Stefan Engelter habilitierte 2005 über «Clinical significance of diffusion-weighted MR imaging in stroke patients», im gleichen Jahr erhielt er den Julien-Bogousslavsky-Award 2005. Den Forschungspreis der Schweizerischen Herzstiftung 2008 erhielt er für seine Arbeiten über die Bedeutung der diffussionsgewichteten MR-Bildgebung bei Schlaganfallpatienten. 2011 wurde er Professor für Neurologie an der Universität Basel. Seither haben zahlreiche der von ihm geförderten Nachwuchsforschende Auszeichnungen und Preise erhalten. Seit 2017 arbeitet er als Chefarzt Rehabilitation der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel wie auch als Leitender Arzt Neurologie für das Universitätsspital Basel. Zurzeit ist er an verschiedenen randomisiert kontrollierten Studien beteiligt. Die TREAT-CAD-Studie prüft die Nicht-Unterlegenheit von Acetylsalicylsäure gegenüber Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten mit Dissektionen der hirnversorgenden Arterien. Die TICH-NOAC-Studie untersucht die Wirkung von Tranexamsäure vs. Plazebo bei Patienten mit Hirnblutungen unter direkten oralen Antikoagulanzien. Im Register NOACISP aged multimorbid wird die Sicherheit der direkten Antikoagulanzien bei betagten und multimorbiden Patienten mit Vorhofflimmern und ischämischem Hirnschlag getestet. In der vom Nationalfonds finanzierten ESTREL-Studie, die sich der Rehabilitation nach Hirnschlag widmet (siehe oben) ist er Studienleiter.
Kommunikation, die Information, dass eine einheitliche Doktrin bei der Behandlung verfolgt wird, dass alle vom Gleichen reden und es letztendlich für alle Beteiligten stimmt. Im Felix Platter Spital Basel sind Sie Chefarzt Rehabilitation. Wie geht das zusammen? Ich habe eine geteilte Anstellung. Zu 80 Prozent bin ich als Chefarzt für die Rehabilitation von Patienten mit vorzugsweise neurologischen oder geriatrischen Erkrankungen im Felix Platter Spital zuständig, das zutreffender Universitäre Altersmedizin Felix Platter heisst. Damit wird die universitäre Ausrichtung sichtbar, was bedeutet, dass wir auch in Forschung und Lehre aktiv sind. Zwei halbe Tag die Woche arbeite ich in der Neurologie des Universitätsspital Basel, das geografisch nicht weit entfernt ist. Mit dem Velo brauche ich jeweils zehn Minuten. Mit meiner Tätigkeit in beiden Spitälern, personifiziere ich quasi die spitalübergreifende integrierte Behandlung, die letztendlich den Patientinnen und Patienten zu Gute kommt.
Sie leiten die ESTREL-Studie, in der Patienten mit Halbseitenlähmung nach Hirnschlag mit Levodopa behandelt werden. Wie kam man darauf und was verspricht man sich davon? Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Medikamente die Erholung von einem Hirnschlag beeinflussen können. Man weiss schon länger, dass es Medikamente gibt, die die Rehabilitation ungünstig beeinflussen, und dass man diese meiden sollte (z. B. Haloperidol). Dann kam die Idee auf, dass es ja vielleicht auch Substanzen gibt, die die Erholung positiv beeinflussen könnten. Levodopa ist eine Vorstufe des Botenstoffs Dopamin, das als «Powerhormon» bezeichnet wird und eine konzentriertere, genauere Arbeitsweise erlaubt. Weil das Faktoren sind, die auch in der Rehabilitation eine grosse Rolle spielen, kann man versuchen, sich diesen Effekt mit der Zugabe von Levodopa zunutze zu machen. Die hinter ESTREL stehende Idee ist, dass die Therapieübungen bei Halbseitenlähmung zum Beispiel in der Physiotherapie eine grössere und nachhaltigere Wirkung haben. Kleinere Studien wiesen bereits auf einen diesbezüglichen Nutzen von Levodopa hin, andere hingegen fanden diesen Effekt nicht. Mit der ESTREL-Studie untersuchen wir das nun in einem grösseren Rahmen. In 24 Zentren (13 Akut- und 11 Rehabilitationszentren) sollen 610 Hirnschlagpatienten mit Halbseitenlähmung rekrutiert werden. Die Patienten beginnen noch im Stroke Center doppelblind randomisiert mit einer 5-wöchigen Therapie mit Levodopa oder Plazebo, die anschliessend im Rehabilitationszentrum weitergeführt wird, jeweils kombiniert mit intensiver Physio- und Ergotherapie. Nach 5 Wochen, 3, 6 und 12 Monaten wird jeweils die motorische Erholung untersucht. Per Ende Januar konnten bereits 200 Patienten rekrutiert werden. In Anbetracht des herausfordernden Studiendesigns – jeder Studienpatient wird spitalübergreifend in einem Akutspital und in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt -, der Vielzahl der Studientenzentren und nicht zu vergessen den Herausforderungen und Restriktionen durch die Pandemie, ist das bereits ein schöner Erfolg. Was man jetzt schon sagen kann, ist, dass das Studienmedikament gut verträglich scheint und die Akzeptanz bei den Patienten gross ist.
1/2021
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
27
Nun ein paar Fragen zu Ihrer Person: Wo sind Sie aufgewachsen? Ich bin in Süddeutschland in Mannheim aufgewachsen und habe dort meine Jugend verbracht.
Warum wollten Sie Arzt werden? Ich wünschte mir einen Beruf, der etwas mit Menschen, mit Helfen, mit Naturwissenschaft und mit Gesundheit zu tun hatte. Diese Kombination fand ich in der Medizin.
Wann entwickelte sich Ihr Interesse für das Fachgebiet Neurologie? Das war erst relativ spät im Studium. Ich habe in der Neurologie ein Praktikum gemacht und wurde ausserordentlich gut betreut. Zudem war im Studentenunterricht die Begeisterung für dieses Fach zu spüren, was sich auf mich übertragen hat.
Sie haben in Deutschland studiert, aber nach Studienabschluss immer in der Schweiz gearbeitet. Was brachte Sie in die Schweiz? Das Skifahren! Ich fahre extrem gerne Ski und wollte einfach näher an Skigebieten sein. Deshalb habe ich in der Schweiz zu arbeiten begonnen. Ich bin dann aber in der Schweiz geblieben, weil mir hier die Arbeitsweise gut gefiel. Die Zusammenarbeit im Team war angenehmer, weniger hierarchisch und von weniger Profilierung geprägt. Das und die Tatsache, dass ich hier auch meine Frau kennengelernt habe, haben dazu geführt, hier zu bleiben.
Haben Sie Kinder? Wir haben 4 Kinder, 15, 18, 20 und 22 Jahre alt, da ist immer etwas los und wir werden mit neuen Ideen und Vorstellungen konfrontiert.
Womit können Sie am besten entspannen? Was tun Sie für Ihren Ausgleich, haben Sie Hobbys? Skifahren! Meine Frau und auch die Kinder fahren auch sehr gerne Ski oder Snowboard. Die kommenden 2 Wochen Sportferien verbringen wir im Bündnerland und frönen unserem Hobby. Entspannen kann ich ansonsten gut mit Freunden, auf Reisen und mit Sport, was momentan pandemiebedingt aber weniger gut möglich ist.
Was waren Ihre grössten Highlights?
Dass ich meine Frau kennengelernt habe und wir zusammen 4 ge-
sunde Kinder haben dürfen.
l
Das Interview führte Valérie Herzog.
28
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
1/2021