Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
Prof. Annette Brühl
Chefärztin im Zentrum für Affektive-, Stress- und Schlafstörungen (ZASS), Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
In den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel ist seit dem letzten Sommer mit Frau Prof. Annette Brühl eine neue Chefärztin für das Zentrum für Affektive, Stress- und Schlafstörungen sowie für das Zentrum der Alterspsychiatrie tätig. Vom Medizinstudium hatte man ihr damals abgeraten, wie sie im Interview zu ihrer Person verriet.
P+N: Wo und wie sind Sie aufgewachsen? Prof. Brühl: Ich bin im deutschen Koblenz am Rhein geboren und dort zusammen mit meiner 2 Jahre jüngeren Schwester aufgewachsen. Ich habe noch viel Kontakt mit meiner Familie in Koblenz.
Was waren Ihre Interessengebiete? Während der Schulzeit waren meine Interessen sehr breit. Ich hatte eher Mühe, mich auf eine Sache zu beschränken, weil ich andere Dinge ebenfalls sehr spannend fand. Meine Entscheidung, Medizin zu studieren, fiel erst spät. Unter anderem deshalb, weil mein Vater immer sagte, als Mediziner werde man nur ausgebeutet, man müsse viele Dienste machen und würde schlecht bezahlt. Das war wohl bei den Ärzten früher so, das war eine andere Zeit.
Warum haben Sie ausgerechnet diesen Beruf ergriffen? Ich hatte Glück, ich war irgendwie immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich habe meine Lebensentscheidungen nie aufgrund langer Überlegungen getroffen. Beispielsweise wollte ich mich ursprünglich der Neurologie widmen und war an einer Klinik in Deutschland. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass mir damit irgendwie langweilig wurde. Ich hatte Lust, wieder an die Uni zurückzugehen. Ich erinnerte mich an Prof. Papassotiropoulos in Zürich, den ich früher einmal kennengelernt hatte, und fragte ihn, wie es denn mit Stellen in Zürich aussehe. Ich musste ja für den Facharzt in Neurologie ein Jahr Psychiatrie als Fremdjahr absolvieren. Er meinte, ich solle meinen Lebenslauf und eine Bewerbung schicken, es würde sich vielleicht etwas machen lassen. Das tat ich, und drei Wochen später hatte ich einen Vorstellungstermin: Ich bekam eine Stelle in der Klinik für Alterspsychiatrie in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Später lernte ich Prof. Herwig kennen, dank ihm erhielt ich die Gelegenheit, wissenschaftlich zu arbeiten. In der Psychiatrie bin ich dann «hängen geblieben», ich habe gemerkt, dass mich dieses Fach sehr interessiert. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her, und ich bin froh über all diese Entscheidungen.
Was war Ihr grösster Erfolg? Dass ich mit dem Wechsel nach Basel meine Professur bekommen habe, ist für mich ein grosser Erfolg. Ich habe immer wieder Erfolge gehabt. Ich habe relativ früh einen wissenschaftlichen Preis für eine Studie vom European College of Neuropsychopharmacology erhalten, was schon eine grosse Auszeichnung für mich war. Klinisch konnte ich eine Station in Zürich komplett neu aufbauen, die vorher quasi nur als Umzugsplatzhalter gedient hatte und dann mit der Umstrukturierung neu aufgelegt wurde. Die Herausforderung bestand auch darin, die Zusammenarbeit
von Mitarbeitern zu fördern, die vorher noch nie zusammengearbeitet hatten. Auch während meines Postdoc-Fellowships in Cambridge konnte ich einiges auf die Beine stellen, wie auch in der Zeit in Zürich nach meiner Rückkehr. Mein Glück dabei ist, dass ich Menschen gut motivieren kann. Wenn ich von etwas überzeugt und begeistert bin, lassen sich die Leute offenbar gern von mir anstecken und folgen mir, das hilft. Am 1. August 2020 habe ich in Basel angefangen und seither die Elektrokonvulsionstherapie neu aufgebaut. Das läuft sehr gut. Das sind Dinge, die mir Freude machen. Dass in Basel der Bereich der Schlafstörungen dazugekommen ist, empfinde ich als Bereicherung. Mein Schwerpunkt liegt bei schwer behandelbaren depressiven Erkrankungen, diesen möchte ich im ambulanten Bereich noch ausbauen.
Womit können Sie am besten entspannen, was tun Sie für Ihren Aus-
gleich?
In meiner Freizeit bewege ich mich viel in der Natur. Im Sommer mit
Wandern, Velofahren, Schwimmen und im Winter mit Langlaufen oder
Winterwandern. Ich gehe normalerweise, wenn nicht das Coronavirus
gerade die Welt beeinflusst, auch sehr gern und regelmässig ins Kino
und ins Theater und besuche gern auch historische, archäologische und
Kunstausstellungen.
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Das Interview führte Valérie Herzog
Fachlicher Werdegang kurz und knapp
Prof. Annette Brühl wurde 1977 in Koblenz (Deutschland) geboren, studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz Medizin und doktorierte über cholinerge Mechanismen und Neuropharmakologie. Als Assistenzärztin und Studienärztin war sie für mehrere klinische Studien in Psychiatrie und Neurologie tätig und hat sich in den Fächern Psychiatrie und Neurologie spezialisiert. Später war sie als Assistenz- und Oberärztin unter anderem an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (Klinik für Alterspsychiatrie und Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie). Seit 2008 ist sie Lehrbeauftragte für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Zürich. Nach ihrer Habilitation im Jahr 2013 an der Universität Zürich forschte sie drei Jahre als Postdoktorandin am Behavioural and Clinical Neuroscience Institute in Cambridge im Bereich Verhaltens- und klinische Neurowissenschaften. 2018 war sie stellvertretende Chefärztin in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Seit 2016 leitet sie die Forschungsgruppe «novel treatment mechanisms in affective disorders/emotionregulation». Am 1. August 2020 hat sie als Professorin für affektive Störungen den Chefarztposten des Zentrums für Affektive-, Stress- und Schlafstörungen (ZASS) und des Zentrums für Alterspsychiatrie (ZAP) an den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel von Edith Holsboer-Trachsler übernommen.
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
1/2021