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FORTBILDUNG
Psychische Erkrankungen und Schwangerschaft
Von der präkonzeptionellen Beratung über die Schwangerschaftsbetreuung bis zur Postpartal- und Laktationsphase
Die Betreuung von psychisch erkrankten Frauen mit Kinderwunsch, Schwangeren oder Stillenden stellt die Behandelnden vor besondere Herausforderungen. Neben der effizienten Therapie der Mutter gilt es auch, das Expositionsrisiko für das ungeborene Kind beziehungsweise den Säugling minimal zu halten. Dabei können sowohl die Krankheit der Mutter und deren Folgen als auch die therapeutischen Interventionen (z. B. mit Psychopharmaka) eine potenziell schädliche Exposition für das Kind darstellen.
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Thorsten Mikoteit
von Thorsten Mikoteit
Z u diesem Dilemma gibt es nur wenig Evidenz, auf die man eine Therapieentscheidung abstützen kann, da methodisch hochwertige, kontrollierte, prospektive Vergleichsstudien zur Therapie von Schwangeren und stillenden Müttern fehlen. Trotzdem wurden in den letzten Jahren viele Schwangere mit Psychopharmaka «off label» behandelt, beispielsweise nehmen in den USA zirka 8 Prozent der Schwangeren Antidepressiva ein (1). Aus den retrospektiv gesammelten Erfahrungswerten lassen sich mit Vorbehalt Empfehlungen für die präkonzeptionelle Beratung sowie für die Behandlung von Schwangeren und postpartalen Müttern ableiten. Im Folgenden soll der allgemeine Konsens zu Standardfragen in der peripartalen Psychiatrie dargestellt werden.
Präkonzeptionelle Beratung Auch Frauen mit schweren psychiatrischen Krankheitsbildern wie Schizophrenie oder bipolaren Störungen können im Reproduktionsalter einen Kinderwunsch hegen oder ungeplant schwanger werden. Daher ist es wichtig, diese nach ihrem Kinderwunsch zu befragen und gegebenenfalls eine präkonzeptionelle Beratung anzubieten. Bei (vorläufig) negativem Schwangerschaftswunsch sollte die Patientin über die Möglichkeiten einer sicheren Kontrazeption beraten werden. Bei positivem Kinderwunsch stellt sich die Frage, ob die Erkrankung ausreichend remittiert oder zumindest so stabil ist, dass die Patientin einer Schwangerschaft und der späteren Mutterschaft gewachsen ist. Sind Ressourcen vorhanden oder mobilisierbar, welche die krankheitsbedingten Einschränkungen der Mutter kompensieren könnten? Da Schwangerschaften von Frauen mit schweren psychiatrischen Diagnosen wie Schizophrenien oder schweren Depressionen als Risikoschwanger-
schaften gelten (2, 3), ist peripartal eine engmaschigere psychiatrische und geburtshilfliche Betreuung notwendig. Ist eine Schwangerschaft planbar, stellt sich prospektiv die Frage, wie ein Rückfall oder eine Krankheitsexazerbation in dieser Zeit vermieden werden kann und ob eine bestehende Medikation im Hinblick auf die Schwangerschaft akzeptabel oder zu ändern ist. Während Patientinnen mit psychotischen Erkrankungen während der Schwangerschaft ein vermindertes Erkrankungsrisiko haben, ist das Rezidivrisiko postpartal jedoch hoch (4). Hingegen haben epidemiologische Studien gezeigt, dass Angst und Depression während der Schwangerschaft in ähnlicher Häufigkeit auftreten wie postpartal (5). Schliesslich stellt sich auch die Frage, inwiefern die mütterliche Krankheit selbst Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben könnte. Es ist bekannt, dass pränataler Stress oder eine akute psychische Krankheit der Mutter programmierende (z. B. epigenetische) Effekte auf die kindliche Entwicklung haben (6–8). Solche pränatal exponierten Kinder haben später ein erhöhtes Risiko, selbst an einer psychischen Störung zu erkranken. Aufgrund dieser Überlegungen und der Tatsache, dass die meisten Psychopharmaka nach heutigem Wissensstand keine erhöhten teratogenen oder fetotoxischen Einflüsse haben, gilt derzeit allgemein die Meinung, dass die fetale Exposition durch eine akute psychische Erkrankung der Mutter gravierender ist, als die Exposition mit einem gut verträglichen und nicht teratogenen Medikament (3).
Psychiatrische Erkrankungen während der Schwangerschaft Da Schwangerschaften nicht selten auch ungeplant eintreten, passiert es häufiger, dass Patientinnen unter einer vorbestehenden Psychopharmakotherapie schwanger
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www.embryotox.de QR-Link: https://www.rosenfluh.ch/qr/embryotox
geworden sind. Dann stellt sich die Frage, ob ein allfälliges teratogenes Risiko durch Absetzen der Medikation noch vermeidbar wäre. In solchen Fällen braucht es eine individuelle Abklärung des spezifischen Expositionsrisikos durch das jeweilige Medikament (siehe Link). Da die meisten Antidepressiva und Neuroleptika kein bekanntes teratogenes Risiko haben, wird unbedingt davon abgeraten, bei Eintritt einer Schwangerschaft die Medikation abrupt abzusetzen. Das abrupte Absetzen hat ein erhebliches Rückfall- oder Rezidivrisiko zur Folge. Dies stellt ein unverhältnismässig höheres Risiko dar, als das minimale Expositionsrisiko des Kindes durch den Wirkstoff (11). Neben der gezielten Anwendung von Psychopharmaka, auf deren Einsatz weiter unten detailliert eingegangen wird, sind natürlich auch andere Massnahmen wie eine allgemeine Stressentlastung, Verbesserung der Schlaffähigkeit oder auch psychotherapeutische Massnahmen zu wählen. In einzelnen Studien hat sich auch die Lichttherapie als wirksame Methode zur Behandlung von Schwangerschaftsdepressionen bewährt (16). Auch Frauen, die bisher nicht psychisch krank waren, können während der Schwangerschaft erstmals erkranken, z. B. an Depressionen oder Angststörungen. Daher wird empfohlen, dass Primärversorger darauf sensibilisiert sind und gegebenenfalls auch Screeninginstrumente wie die bewährte Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala (EPDS) einsetzen, um betroffenen Frauen frühzeitig Therapie- und Hilfsangebote zu vermitteln (12–14).
Wochenbett und Stillzeit Das Wochenbett erfordert von der Frau eine grosse Anpassungsleistung auf verschiedenen Ebenen. Neurobiologisch und neuroendokrinologisch ist der rasche Abfall der Sexualsteroide auf das Niveau wie vor der Schwangerschaft zu bedenken, was sich bei empfindlichen Frauen häufig als Babyblues im Wochenbett äussert (19). Dieser ist grundsätzlich nicht spezifisch behandlungsbedürftig, kann die Frauen aber kurz vor dem Übergang vom Wochenbett ins häusliche Milieu verunsichern. Andere Steroidhormone, insbesondere die der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA), normalisieren sich langsamer. Die verminderte Flexibilität dieser HPA-Achse scheint auch ein typisches Phänomen für eine verminderte Stresstoleranz und ein erhöhtes Depressionsrisiko innerhalb der ersten drei Monate zu sein (20, 21). Weitere Belastungsfaktoren sind die häufige Insomnie und ein allfälliger Schlafentzug beziehungsweise veränderte Schlaf-Wach-Rhythmen, welche situativ bedingt sind (22). Dazu kommen natürlich die psychosozialen Anpassungsleistungen, insbesondere von Erstgebärenden, und allenfalls ein Mangel an sozialer Unterstützung. Aus diesen Überlegungen wird verständlich, dass in der Postpartalzeit die Stressbelastbarkeit abnimmt und Frauen vulnerabler sind für psychische Störungen. 13 bis 19 Prozent entwickeln im ersten Jahr postpartal eine Depression (23). Bei Frauen, die in der Vorgeschichte eine Psychose oder eine bipolare Störung hatten, besteht postpartal ein hohes Rezidivrisiko. Therapeutisch gilt es, den Teufelskreis aus Stressbelastungen, Insomnie, Symptomen von Angst und Depression, Schwierigkeiten in der Bewältigung der Rollen-
funktionen mit Insuffizienzerleben und Zunahme von Stress und Depressivität zu unterbrechen. Da Frauen sich postpartal häufig einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt sehen und mit Schuldgefühlen zu kämpfen haben, ist die Schwelle zu Hilfsangeboten hoch. Daher sind alle beteiligten Berufsgruppen, die diese Frauen in den ersten Wochen betreuen, auf Anzeichen von postpartalen Depressionen zu sensibilisieren. Auch hier empfehlen sich der Einsatz des Screeninginstruments und Angebote von Frühinterventionen bei Primärversorgern. Durch eine schwere psychiatrische Erkrankung kann die Mutter erheblich darin beeinträchtigt sein, selbst für ihr Kind zu sorgen. Das Umfeld wie auch professionelle Helfer, insbesondere bei akut psychotischen oder suizidalen Patientinnen, sollten auf Hinweise für Kindswohlgefährdungen sensibilisiert sein. Subtilere Risiken sind Mutter-Kind-Bindungs-, Interaktions- und Fütterungsstörungen. Eine depressive Mutter reagiert häufig weniger responsiv auf kindliche Signale, eine ängstliche Mutter dagegen eher intrusiv. Manche Frauen entwickeln auch Aversionen gegenüber dem Kind, die unterschwellig spürbar sind. Diese Mutter-Kind-Interaktionsstörungen können ebenfalls nachhaltige Auswirkungen auf die frühkindliche Entwicklung und das spätere Gesundheitsprofil des Kindes haben (26, 27). Daher wird empfohlen, die Mutter-Kind-Interaktion in das Therapiekonzept miteinzubeziehen und insbesondere bei Auffälligkeiten des Kindes, wie Fütterungs- und Emotionsregulationsstörungen, die multidisziplinären Angebote einer Schrei-Baby-Sprechstunde in Anspruch zu nehmen. Sollte eine Mutter postpartal psychiatrisch hospitalisationsbedürftig sein, wäre der Aufenthalt auf einer Mutter-Kind-Station in einer psychiatrischen Klinik wünschenswert, um parallel zur mütterlichen Behandlung die Mutter-Kind-Bindung und die mütterlichen Rollenfunktionen zu fördern.
Psychopharmakotherapie vor und während einer Schwangerschaft sowie in der Stillzeit Teratogenität/Embryotoxizität Bezüglich spezifischer Psychopharmaka sollte das aktuelle Wissen eines Pharmakovigilanz- und Embryotoxikologie-Zentrums konsultiert werden, beispielsweise unter www.embryotox.de. Was die Antidepressiva betrifft, so sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) weder mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko noch mit längerfristigen schädlichen Effekten auf die kindliche Entwicklung behaftet (9). Antipsychotika, abgesehen von Risperidon und möglicherweise Paliperidon, gelten ebenfalls als nicht teratogen. Hingegen muss bei Quetiapin und Olanzapin mit einem erhöhten Risiko für einen Gestationsdiabetes gerechnet werden. Von den Mood-Stabilizern dürfen die Antiepileptika Valproat, Carbamazepin und Topiramat wegen Teratogenität und Fetotoxiziät nicht während der Schwangerschaft verabreicht werden. Bei diesen Medikamenten würde man ein Ausschleichen beziehungsweise eine Umstellung auf ein weniger riskantes Medikament wie Lamotrigin oder ein Antipsychotikum empfehlen. Valproat ist prinzipiell bei Frauen im gebärfähigen Alter nicht indiziert und darf nur gegeben werden, wenn kein anderes Medikament zur Behandlung
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zur Verfügung steht. Sollte auf Valproat nicht verzichtet werden können, muss jährlich das entsprechende Informationsblatt von der Patientin unterschrieben und bei den Akten aufbewahrt werden. Die Fortführung einer Lithiumtherapie ist individuell abzuwägen, da das kardiale teratogene Risiko (Epstein-Anomalie) offenbar geringer ist als ursprünglich angenommen (10). Neben teratogener Effekte, die im ersten Trimenon auszuschliessen sind, spielen im weiteren Verlauf der Schwangerschaft Risiken für Wachstumsverzögerungen und möglicherweise erhöhte Abort- beziehungsweise Frühgeburtsrisiken eine Rolle. Die Exposition mit einem Antidepressivum scheint diese Risiken nicht in gravierender Weise zu erhöhen. In früheren Studien, die solche Gefahren sahen, wurde der Effekt der unbehandelten Krankheit nicht berücksichtigt, sodass nicht klar ist, inwieweit ein Psychopharmakon zusätzlich schädlich ist (17). Bei Frauen, die während der Schwangerschaft Psychopharmaka einnehmen, besteht ein erhöhtes Risiko für ein neonatales Anpassungssyndrom (bis zu 30% Häufigkeit), ohne dass das spezifischen Wirkstoffen zugeordnet werden kann. Die Warnung gilt also klassenübergreifend für alle Psychopharmaka (18). Das neonatale Anpassungssyndrom ist oft selbstlimitierend und mild, es kann aber sein, dass das Neugeborene überwacht und unspezifisch assistiert werden muss, daher wird die Entbindung in einem Klinikum mit Neonatologie empfohlen.
Pharmakokinetik Generell muss bei Frauen, die während der Schwangerschaft mit Psychopharmaka behandelt werden, die veränderte Pharmakokinetik während der Schwangerschaft berücksichtigt werden. Aufgrund einer erhöhten Metabolisierungs- und Eliminationsrate sind häufig Dosissteigerungen notwendig, um gleiche Wirkstoffspiegel beziehungsweise gleiche Effekte zu erzielen. Jedoch normalisieren sich diese pharmakokinetischen Besonderheiten nach Ende der Schwangerschaft in wenigen Tagen, sodass postpartal dann wieder Dosierungen wie vor der Schwangerschaft einzustellen sind. Besondere Vorsicht gilt bei der Anwendung von Lithium: Sollte Lithium bei einer schweren bipolaren Störung unverzichtbar sein, muss der Lithiumspiegel engmaschig überwacht und angepasst werden, da aufgrund der sich ändernden Pharmakokinetik die Dosis während der Schwangerschaft erhöht, aber kurz vor der Entbindung unbedingt reduziert werden muss, um postpartal neurotoxische Schäden zu vermeiden. Frauen, die während der Schwangerschaft psychiatrisch erkrankt sind beziehungsweise mit Psychopharmaka behandelt werden müssen, sollten in einem Zentrumsspital betreut werden, mit der Möglichkeit von Ultraschallfeindiagnostik, um allfällige Störungen der pränatalen Entwicklung festzustellen.
Indikationsstellung/Behandlungsstrategie Bei der Indikation für eine allfällige Psychopharmakotherapie während der Schwangerschaft besteht das Problem, dass es keine randomisierten, plazebokontrollierten Studien zur Behandlung mit Psychopharmaka gibt und dass das Wissen darüber nur aus Anwendungserfahrungen stammt (15). Erweist sich eine Pharmakotherapie als notwendig, wird daher empfohlen, am ehesten alt-
bekannte und bewährte Medikamente zu wählen, zu denen es bereits viel Erfahrung gibt. Auch hier sollte immer wieder die individuelle Abklärung in einem Pharmakovigilanz- und Embryotoxikologie-Zentrum eingeholt werden. Da eine unbehandelte psychiatrische Störung auch eine Exposition für das Kind darstellt, ist prioritär die Mutter rasch und effizient zu behandeln. Bei Rezidiven kann auf das vorher bewährte und wirksame Medikament zurückgegriffen werden, vorbehaltlich einer Risikoabklärung durch das Pharmakovigilanz-Zentrum. Depressionen werden während einer Schwangerschaft meist mit Sertralin oder (Es-)Citalopram behandelt, da es hierzu die meisten Empfehlungen und Erfahrungen gibt. Zur Schlafregulation können sedierende Antidepressiva in niedriger Dosis, wie beispielsweise Amitriptylin oder Mirtazapin, eingesetzt werden, oder auch Quetiapin als sedierendes atypisches Neuroleptikum (9). Die Verordnung von Psychopharmaka in der Stillzeit sollte wiederum mit einem Pharmakovigilanz-Zentrum abgeglichen werden. Im Prinzip sollte die Wahl auf ein kurz wirksames Medikament mit hoher Proteinbindung, niedrigem Milch-Plasma-Quotienten und einer geringen relativen (körpergewichtsbezogenen) Dosis fallen. Bei Neuverordnungen von Antidepressiva wird auch hier meist ein SSRI wie Sertralin oder Paroxetin empfohlen (24, 25). Bei einer Monotherapie ist ein Abstillen nicht zwingend. Bei akuten Exazerbationen, wie beispielsweise bei einer Psychose oder biopolaren Störung, wo häufig eine Polypharmazie notwendig wird, würde man aber doch zum Abstillen raten. In solchen Fällen kann auch die Verbesserung des Nachtschlafs nach Entbinden von der Stillpflicht für die Frauen entlastend sein. Grundsätzlich sollten Frauen ermutigt werden, mehr auf die Schlafhygiene zu achten, sich von unnötigem Stress
Merkpunkte:
● Depressionen und Angststörungen sind die häufigsten perinatalen psychischen Störungen.
● Pränataler Stress und unbehandelte psychische Störungen sind ein Expositionsrisiko für das ungeborene Kind und dessen spätere Entwicklung.
● Die effiziente Behandlung der mütterlichen psychischen Erkrankung ist primärpräventiv für das Kind.
● Vor jeder Verordnung eines Psychopharmakons in Schwangerschaft und Stillzeit sollte eine aktuelle Konsultation eines Pharmakovigilanz- und Embryotoxikologiezentrums erfolgen, da das Wissen über Risiken und Nebenwirkungen auf retrospektiven Datenerhebungen beruht und entsprechend veränderlich ist.
● Zurzeit gelten selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Sertralin oder Citalopram als Mittel der ersten Wahl bei neu aufgetretenen Depressionen in Schwangerschaft oder Stillzeit.
● Valproat und Carbamazepin sind teratogen und fetotoxisch und müssen vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden. Valproat ist im gebärfähigen Alter generell zu vermeiden.
● Nach ungeplantem Eintritt einer Schwangerschaft wird von einem abrupten Absetzen der Medikamente abgeraten, da mit Absetz- oder Reboundphänomenen zu rechnen ist und die mutmassliche Risikominimierung gegenüber dem Kind nach bereits stattgefundener Exposition unklar ist.
● Die Behandlung einer postpartalen Depression erfordert ein integratives Therapiekonzept, idealerweise mit Einbezug der Mutter-Kind-Beziehung.
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und Verpflichtungen in den ersten Wochen zu befreien und ein unterstützendes Helfernetz in Anspruch zu nehmen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die mentale
Gesundheit der Mutter während der Schwangerschaft
und Stillzeit prioritär ist. Beim Einsatz von Psychophar-
maka ist auf das geringstmögliche bekannte Exposi-
tionsrisiko für das Kind zu achten. Die Entbindung sollte
in einem Zentrumsspital mit Neonatologie geplant wer-
den. Ferner sollte auch auf eine Abstinenz von Alkohol,
Nikotin und illegalen Drogen hingewirkt werden, da
diese Substanzen im Vergleich zu den üblichen Psycho-
pharmaka mitunter weit schwerwiegendere teratogene
und fetotoxische Risiken bergen.
l
Korrespondenzadresse:
PD Dr. med. Thorsten Mikoteit
Psychiatrische Dienste Solothurn
Kliniken für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik
Weissensteinstrasse 102
4503 Solothurn
E-Mail: thorsten.mikoteit@spital.so.ch
Interessenlage: Der Autor deklariert keine Interessenkonflikte.
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