Transkript
SYMPOSIUM
Parkinson-Symposium 2018
wird das Narkoserisiko gesenkt, andererseits kommt es zu weniger axialen und motorischen Symptomen und behandlungsinduzierten Nebenwirkungen.
Am Parkinson-Symposium 2018 der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich stellten Experten neue Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie des Morbus Parkinson und klinisch interessante Fälle aus dem Gebiet der Bewegungsstörungen vor.
D as idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. In der Schweiz leben über 15 000 Betroffene. Seit der Erstbeschreibung der Parkinson-Krankheit haben die wissenschaftlichen Fortschritte das Verständnis der Krankheit grundsätzlich verändert. Prof. Christian Baumann, Leitender Arzt an der Klinik für Neurologie im USZ, stellte aktuelle medikamentöse Entwicklungen vor. Seit Frühling 2018 ist der Catechol-O-Methyltransferase-(COMT-) Hemmer Opicapon erhältlich. Er wird angewendet als Zusatztherapie zu Levodopa/DOPADecarboxylase-Hemmern (DDCI) bei erwachsenen Patienten mit Morbus Parkinson mit motorischen End-of-dose-Fluktuationen, bei denen unter diesen Kombinationen keine Stabilisierung erreicht werden kann. In der Zulassungsstudie fielen die Endpunkte etwas besser als unter dem COMT-Hemmer Entacapon aus. In der Einnahme sei allerdings zu berücksichtigen, dass Opicapon vor Levodopa eingenommen wird, da es sonst zu einem Peak von Opicapon kommen kann.
Levodopa-Applikationen Im Bereich der Applikationen liegen Ergebnisse aus Phase-II- und -III-Studien vor. Inhalative Levodopa-Applikationen wirken durch Umgehung der Magen-Darm-Passage schneller. Die Off-Zeit ist in Studien signifikant niedriger, und die Betroffenen kommen schneller aus dem Off heraus als unter Tabletten, so Prof. Baumann. Amantadin wird ebenfalls in der symptomatischen Parkinson-Behandlung eingesetzt und weiter beforscht. Es schwächt die beim Morbus Parkinson auftretende Überaktivität acetylcholinerger striataler Interneurone ab und bremst als schwacher NMDA-Rezeptor-Antagonist den Einfluss glutamaterger Projektionen aus dem Kortex. In neuen Studien wird eine Extendedrelease-Kapsel 2-mal täglich bei levodopainduzierten Dyskinesien untersucht. Die Nebenwirkungen fallen ähnlich wie unter der klassischen Applikation aus, allerdings ohne störende Dyskinesien, und auch die Off-Zeiten gehen zurück. Neben den symptomatischen Therapien werden auch regenerative Therapien intensiv erforscht. Zur Sanierung des dopaminergen Defizits werden beispielsweise zellbasierte Methoden oder bereits bekannte Medikamente in Form eines Repurposingversuches untersucht.
Punding: Häufig übersehen Punding ist «etwas zu viel des Guten», so PD Dr. Daniel Waldvogel, Neurologische Praxis Luzern. Punding ist eine Verhaltensstörung, die durch komplexes, nicht zielorientiertes Verhalten gekennzeichnet ist. «In der Regel wird das übersteigert gemacht, was vorher schon häufig und repetitiv ausgeführt wurde», so Waldvogel. Auffällig sind die unterschiedlichen Angaben von Betreuern und Betroffenen zur Häufigkeit des Pundings. Dies betrifft auch andere Nebenwirkungen der dopaminergen Therapie, wie zum Beispiel die Impulskontrollstörung. 17 Prozent der Betroffenen geben beispielsweise eine Hypersexualität an. Befragt man die Caregiver, sind es hingegen 55 Prozent. Waldvogel empfiehlt deshalb, dass Betroffene immer auch in Begleitung des Partners zur Konsultation erscheinen sollen. Therapeutisch ist fast immer Levodopa Mittel der Wahl. Zurückhaltend sollte mit «rescue medication» wie Madopar liquid oder Apomorphin wegen des Risikos eines Dopamin-Dysregulations-Syndroms umgegangen werden. Sollte der Patient eine hohe Frequenz an «rescue medication» benötigen, sei laut Waldvogel an eine tiefe Hirnstimulation zu denken.
Tiefe Hirnstimulation Die tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) kommt insbesondere bei der Parkinson-/Tremor- und Dystonie-Erkrankung zur Anwendung. Beispielsweise dann, wenn sich die Symptome unter der medikamentösen Therapie nur ungenügend gebessert haben. Operativ wird eine feine Elektrode ins Gehirn implantiert. Der Schrittmacher moduliert gezielt die Funktionen bestimmter Hirnregionen. Über die Wahl der Zielgebiete wird laut Dr. Markus Oertel, Oberarzt Neurochirurgie am USZ, noch immer diskutiert. Denn Abweichungen von 1 bis 2 Millimeter können riesige Konsequenzen haben: «Die genaue Planung und Zielführung ist deshalb enorm wichtig.» Untersuchungen wie die EARLYSTIM-Studie (1) zeigen, je früher implantiert wird, desto grösser ist der Erfolg. «Das Alter des Betroffenen per se hingegen spielt bei der Implantation keine limitierende Rolle», so Oertel. Die Effekte der DBS sind nach 10 Jahren noch spürbar. Bei der Implantation der Elektroden zeigt sich, dass es insgesamt vorteilhaft ist, diese bei wachen beurteilbaren Patienten einzulegen. Einerseits
Fokussierter Ultraschall (FUS) Beim fokussierten Ultraschall wird unter kontinuierlicher MRT-Kontrolle eine umschriebene Region im Gehirn gezielt auf 60 Grad erwärmt. Dadurch ist eine punktgenaue Läsion möglich. Für die Erwärmung des Gewebes werden Schallwellen aus 1024 Ultraschallquellen in einem einzigen Punkt konzentriert. Eine Schädelöffnung ist dafür nicht nötig, so Dr. Lennart Stieglitz, Leitender Arzt an der Klinik für Neurochirurgie USZ. Es braucht auch keinen Hautschnitt, allerdings muss der Kopf des Patienten vollständig rasiert sein, da Haare Luft einschliessen können. Derzeit bieten weltweit rund 32 Zentren den fokussierten Ultraschall an; zu denen auch die Klinik für Neurologie am USZ gehört. FDA-approved ist FUS seit 2016. Im Vergleich zur DBS hat der fokussierte Ultraschall den Vorteil, dass es beispielsweise kein Infektionsrisiko gibt und keine hoch spezialisierte Nachsorge wie bei der DBS geleistet werden muss. Allerdings ist die Läsion irreversibel und der Ultraschall nur einseitig möglich, da es sonst zu Gangstörungen kommen kann. Ein geringes Blutungsrisiko ist bei der DBS als auch beim FUS vorhanden.
Pumpentherapie
Ist die Parkinson-Erkrankung weit fortgeschrit-
ten und eine Behandlung mit den üblichen
Medikamenten zur Symptomkontrolle nicht
mehr ausreichend, ist die kontinuierliche
L-Dopa-Infusion eine Option. Der gelförmige
Wirkstoff wird dabei direkt ins proximale Jeju-
num appliziert (PEG-Sonde). Bei der Pumpen-
therapie wird mikronisiertes Levodopa und
Carbidopa verwendet.
Geeignete Patienten sind solche, bei denen,
wie erwähnt, die optimale Kontrolle durch die
konventionelle Therapie nicht erreicht werden
kann, die aber kognitiv nicht eingeschränkt
sind und eine gute Betreuungssituation auf-
weisen. Die kontinuierliche Abgabe von L-
Dopa führt in der Regel nachweislich zu einer
verbesserten Beweglichkeit der Betroffenen. Es
bessern sich auch nicht motorische Symptome
wie Schlafstörungen und Depressionen. Nach-
teile der Pumpentherapie sind meist techni-
scher Natur, da die Sonde verrutschen oder
verstopfen kann, hielt Prof. Erik Wolters, Klinik
für Neurologie USZ, fest.
G
Annegret Czernotta
Referenzen:
1. WMM Schuepbach, J Rau, K Knudsen, J Volkmann, P Krack, L Timmermann, TD Hälbig, H Hesekamp, SM Navarro, N Meier, D Falk, M Mehdorn et al., for the EARLYSTIM Study Group: Neurostimulation for Parkinson’s disease with early motor complications. N Engl J Med. 2013; 14; 368(7): 610–622.
Quelle: Parkinson-Symposium 2018, 22. November 2018, Careum-Zürich
40 3/2019
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE