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Neue und bewährte Therapien für Parkinson-Patienten
FORTBILDUNG
Das idiopathische Parkinson-Syndrom gilt als eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Die Therapie basiert auf der symptomatischen Behandlung mit dopaminerg wirkenden Medikamenten (Tabletten, Pflaster oder Pumpen) oder der tiefen Hirnstimulation. Neue Medikamente sollen nicht nur den Dopaminmangel ausgleichen, sondern auch dem gefürchteten Sterben der Nervenzellen ein Ende machen.
von Stephan Klebe
D en Durchbruch für die symptomatische Parkinson-Therapie lieferten die Erkenntnisse des striatalen Dopaminmangels bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (iPD) (3). Die dopaminerge Therapie mittels L-Dopa – immer in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer und/oder Dopaminagonisten – war über Jahrzehnte die Basis der medikamentösen iPD-Therapie. Die tiefe Hirnstimulation (THS) etablierte sich seit Anfang der 1990er-Jahre als effektives Therapieverfahren bei ausgewählten iPDPatienten. Allerdings sind alle zugelassenen Therapien rein symptomatisch. Sämtliche Versuche, die Progression des iPD zu verzögern («Neuroprotektion»), sind bisher leider nicht geglückt.
Dopaminerge Therapie Die Substitution des striatalen Dopamindefizits bildet weiter den Grundpfeiler der iPD-Therapie. Die dopaminergen Therapien zielen darauf ab, Zeiten schlechter Beweglichkeit (Off-Phasen) zu reduzieren und Zeiten guter Beweglichkeit (On-Phasen) zu ermöglichen. Gerade in mittleren oder fortgeschrittenen Stadien soll dies durch eine verlängerte Wirkung der Präparate oder eine kontinuierliche Gabe funktionieren. Die längere Wirkdauer einer L-Dopa-Gabe kann unter anderem durch die Blockade von L-Dopa-abbauenden Enzymen gelingen. Dabei werden Inhibitoren der Catechol-OMethyltransferase (COMT; Tolcapon, Entacapon) oder der Monoaminooxidase B (MAO-B; Selegilin, Rasagilin) verwendet. Mit Opicapon (Ongentys®) gibt es seit Mitte 2016 einen neuen COMT-Hemmer, der abends eingenommen eine 24-stündige Wirkung hat und eine dem Entacapon vergleichbare Reduktion der Off-Zeiten erzielt. 2015 wurde Safinamid (Xadago®) zugelassen (4). Sein duales Wirkprinzip kombiniert eine reversible MAO-B-hemmende Eigenschaft mit der Reduktion der glutaminergen Überaktivität – das Ganze über eine
Blockade von spannungsabhängigen Natriumkanälen. Safinamid ist allerdings nicht als Monotherapie, sondern nur in Kombination mit L-Dopa bei iPD-Patienten mit motorischen Fluktuationen zugelassen.
Kontinuierliche dopaminerge Therapie Bei der kontinuierlichen Gabe sind retardierte Dopaminagonisten in oraler Form oder eine transdermale Applikation über 24 Stunden verfügbar. Zudem gibt es Medikamentenpumpen, die meist über den Tag subkutan (Apomorphin, in der Schweiz nicht mehr im Handel) oder nach gastroskopischer Anlage einer «JET-PEG» (Duodopa®) das jeweilige Präparat kontinuierlich applizieren. In der Entwicklung befinden sich neue Applikationen von L-Dopa-Präparaten wie transdermales L-Dopa (ND0612), inhalatives L-Dopa (CVT-301) oder neue L-Dopa-Formulierungen (AP09004; IPX066). Die sogenannte Accordion Pill® (AP09004) kombiniert mit einer neuen Galenik eine rasche und nach Auffalten des «Akkordeons» lang anhaltende Aufnahme von L-Dopa (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00918177). Seit 2015 ist IPX066 in den USA (Rytary®) und in Europa (Numient®) zugelassen. Dabei wird schnell lösliches und lang wirksames L-Dopa in einer Kapsel in einem Verhältnis von 1:4 kombiniert, womit man einen stabileren L-DopaSpiegel aufrechterhält. Im Vergleich zu StandardL-Dopa/Decarboxylasehemmer und L-Dopa/Decarboxylasehemmer/Entacapon zeigte IPX066 eine Reduktion der Off-Zeit und eine Zunahme der On-Phasen (5). Über die zeitnahe Zulassung in Deutschland und auch in der Schweiz kann noch keine Aussage gemacht werden.
Tiefe Hirnstimulation Die THS bei iPD ist ein etabliertes funktionell-stereotaktisches Verfahren. Die drei Zielgebiete bei iPD sind der Nucleus subthalamicus (STN), der Globus pallidus internus (GPi) und der ventrale intermediolaterale Kern des Thalamus (Vim). Die THS wurde zur Behandlung der
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FORTBILDUNG
motorischen Symptome, vor allem nach motorischen Komplikationen (STN, GPi), oder für einen therapieresistenten Tremor (Vim) entwickelt. Den deutlichen Behandlungserfolg und die bessere Lebensqualität durch die THS bei gut ausgewählten Patienten verschiedener Altersgruppen zeigten vielfach grosse Studien (1, 2). Weltweit sind heute etwas über 150 000 iPD-Patienten implantiert – mit zurzeit mehr als 10 000 THS-Eingriffen pro Jahr (6). Im Fokus stehen technische Neuerungen (längere Elektroden, segmentierte Elektrodenkontakte zur besseren Steuerung des applizierten elektrischen Feldes, wiederaufladbare Stimulatoren) und verbesserte Bildgebungsverfahren zur Zielpunktlokalisation.
Neue Medikamente Bei neuen medikamentösen Ansätzen der symptomatischen Therapie für motorische und/oder nicht motorische Parkinson-Symptome werden Präparate ohne direkte dopaminerge Wirkung genutzt. Istradefyllin als Adenosin-2A-Rezeptor-Antagonist gegen «wearing off» oder Dyskinesien ist seit 2013 zusätzlich zu L-Dopa in Japan zugelassen (Nouriast®). Allerdings stehen die endgültigen Ergebnisse weltweiter Phase-III-Studien noch aus oder haben bisher keine überzeugenden Ergebnisse geliefert. Der Noradrenalin-Precursor Droxidopa (L-Threo-Dops) wurde aufgrund von positiven Studienresultaten bei neurogener orthostatischer Hypotonie bei iPD-Patienten 2014 in den USA zugelassen (Northera®). Ob und wann eine Zulassung in Europa und auch in der Schweiz erfolgt, lässt sich noch nicht sagen. Die Ergebnisse einer Phase-III-Studie, die sich mit dem für Narkolepsie zugelassenen Histaminrezeptorantagonisten Pitolisant (Wakix®, in der Schweiz noch nicht zugelassen) hinsichtlich seiner Wirkung auf die exzessive Tagesschläfrigkeit bei iPD befasst, sind noch nicht veröffentlicht.
Krankheitsmodifizierende Behandlungen Die bisherigen Ansätze potenzieller krankheitsmodifizierender Therapien konnten die Hoffnungen nicht erfüllen. Viel diskutiert wurde unter anderem die Wirksamkeit des selektiven irreversiblen MAO-B-Hemmers Rasagilin aus der ADAGIO-Studie (7). Diese hatte 2009 einen grossen Einfluss auf die Behandlung, insbesondere von Patienten mit iPD in frühen Erkrankungsstadien. Die Ergebnisse des Follow-ups waren ernüchternd (8): Man kann nicht von einem sicheren krankheitsmodifizierenden Effekt unter Rasagilin über einen längeren Zeitraum ausgehen. Neuere Studien befassen sich mit Koffein, Nikotin, Isradipin oder immuntherapeutischen Ansätzen. So beschreiben viele epidemiologische Studien eine neuroprotektive Wirkung von Koffein und Nikotin auf iPD (9). Zurzeit befassen sich Phase-III-Studien mit Koffein und Nikotin und einem möglichen Effekt auf den Krankheitsverlauf (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01738178; clinicaltrialsregister.eu: 2010-020299-42). Isradipin ist ein für arteriellen Hypertonus zugelassener Kalziumantagonist vom Dihydropyridin-Typ (DHP) und hat in In-vitro- sowie In-vivo-Studien bei iPD einen neuroprotektiven Effekt gezeigt. Weitere epidemiologische Studien bewiesen ein reduziertes Risiko für ein iPD bei Einnahme von DHP. Eine Phase-III-Studie mit Isradipin ist derzeit geplant (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02168842) (10). Ob die neuen Ergebnisse zu einem
möglichen neuroprotektiven Effekt von β2-Mimetika in Studien einfliessen, ist noch nicht bekannt (11).
Impfung gegen Parkinson? Da α-Synuclein bei der Ätiologie und der Ausbreitung des iPD im Nervensystem eine entscheidende Rolle zu spielen scheint, ist es naheliegend, aktive oder passive immuntherapeutische Strategien bei iPD einzusetzen. Erste Arbeiten applizierten dabei immunogene Peptide subkutan, die das C-terminale Ende von α-Synuclein imitieren. Die Patienten entwickeln dabei Antikörper, die auch im Liquor zu finden sind (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02216188; AFFITOPE® PD01A). Eine andere Peptidgruppe testet zurzeit eine Phase-I-Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02267434; AFFITOPE® PD03A). Bei den passiven Immuntherapien verabreicht man monogene Antikörper gegen α-Synuclein intravenös (12). Dabei zeigte sich bei Gesunden eine Reduktion des α-Synucleins im Serum (12). Eine daraufhin initiierte Phase-II-Studie mit 60 iPD-Patienten befindet sich derzeit in der Auswertung (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02157714; PRX002).
Fazit und Ausblick
Insgesamt zeigen sich vielversprechende Entwicklun-
gen für die symptomatische und krankheitsmodifizie-
rende Parkinson-Behandlung, in die neue Techniken
und Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung einflies-
sen. Künftig muss geklärt werden (1), wie die rezenten
Ergebnisse zur extrazerebralen Manifestation des iPD
(gastrointestinal, Haut) mit eingebracht werden können
(2, 13, 14, ), wann der optimale Zeitpunkt einer krank-
heitsmodifizierenden Behandlung ist und nicht zuletzt
(3) wie eine krankheitsmodifizierende Wirkung zu mes-
sen ist.
G
Prof. Dr. med. Stephan Klebe
Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Essen
D-45147 Essen
Interessenlage: Der Autor hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 8/2018. Die leicht überarbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Anpassungen an Schweizer Verhältnisse erfolgten durch die Redaktion von ARS MEDICI.
Merkpunkte:
G Die Substitution des striatalen Dopamindefizits bildet weiter den Grundpfeiler der Therapie bei idiopathischem Parkinson-Syndrom.
G Bei der kontinuierlichen Dopamingabe sind retardierte Dopaminagonisten in oraler Form oder eine transdermale Applikation über 24 Stunden verfügbar. Zudem gibt es Medikamentenpumpen, die das jeweilige Präparat kontinuierlich applizieren.
G Mehrere grosse Studien belegen den Behandlungserfolg und die bessere Lebensqualität durch die tiefe Hirnstimulation bei ausgewählten Patienten verschiedener Altersgruppen.
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Literatur:
1. Deuschl G et al.: Stimulation of the subthalamic nucleus at an earlier disease stage of Parkinson‘s disease: concept and standards of the EARLYSTIM-study. Parkinsonism Relat Disord 2013; 19(1): 56–61.
2. Deuschl G et al.: A randomized trial of deep-brain stimulation for Parkinson‘s disease. N Engl J Med 2006; 355(9): 896–908.
3. Ehringer H, Hornykiewicz O: (Distribution of noradrenaline and dopamine (3-hydroxytyramine) in the human brain and their behavior in diseases of the extrapyramidal system). Klin Wochenschr 1960; 38: 1236–1239.
4. Borgohain R et al.: Randomized trial of safinamide add-on to levodopa in Parkinson‘s disease with motor fluctuations. Mov Disord 2014; 29(2): 229–237.
5. Hauser RA et al.: Extended-release carbidopa-levodopa (IPX066) compared with immediate-release carbidopa-levodopa in patients with Parkinson‘s disease and motor fluctuations: a phase 3 randomised, double-blind trial. Lancet Neurol 2013; 12(4): 346–356.
6. Obeso JA et al.: Past, present, and future of Parkinson‘s disease: a special essay on the 200th anniversary of the shaking palsy. Mov Disord 2017; 32(9): 1264–1310.
7. Olanow CW et al.: A double-blind, delayed-start trial of rasagiline in Parkinson‘s disease. N Engl J Med 2009; 361(13): 1268–1278.
8. Rascol O et al.: Long-term effects of rasagiline and the natural history of treated Parkinson‘s disease. Mov Disord 2016; 31(10): 1489–1496.
9. Noyce AJ et al.: Meta-analysis of early nonmotor features and risk factors for Parkinson disease. Ann Neurol 2012; 72(6): 893–901.
10. Biglan KM et al.: A novel design of a phase III trial of isradipine in early Parkinson disease (STEADY-PD III). Ann Clin Transl Neurol 2017; 4(6): 360–368.
11. Mittal S et al.: β2-Adrenoreceptor is a regulator of the α-synuclein gene driving risk of Parkinson‘s disease. Science 2017; 357(6354): 891–898.
12. Schenk DB et al.: First-in-human assessment of PRX002, an antiα-synuclein monoclonal antibody, in healthy volunteers. Mov Disord 2017; 32(2): 211–218.
13. Doppler K et al.: Cutaneous neuropathy in Parkinson‘s disease: a window into brain pathology. Acta Neuropathol 2014; 128(1): 99– 109.
14. Stokholm MG et al.: Pathological α-synuclein in gastrointestinal tissues from prodromal Parkinson disease patients. Ann Neurol 2016; 79(6): 940–949.
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