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Aktuelle Studien – kurz gefasst
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- Neuer ALS-Bluttest: Hilfe bei der Differenzialdiagnose und Hinweise auf Krankheitsverlauf - Wie das Rasterzellen-System des Gehirns gedankliche Räume kartiert - Frauen an der Spitze bringen Teams zu besseren Leistungen
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KURZ & BÜNDIG
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38097
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&K U R Z B Ü N D I G
Aktuelle Studien – kurz gefasst

Neuer ALS-Bluttest: Hilfe bei der Differenzialdiagnose und Hinweise auf Krankheitsverlauf

Forschende der Universitäten Ulm und Mailand haben einen Bluttest entwickelt, der die Diagnose der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) erleichtert. Der neue Test hilft dabei, die ALS von anderen neurodegenerativen Erkrankungen zu unterscheiden. Weiterhin erlaubt er eine Prognose des Krankheitsverlaufs. Die Blutuntersuchung eignet sich besonders für grössere Kohorten, beispielsweise im Zuge von klinischen Studien sowie für Patienten, bei denen aus medizinischen Gründen keine Liquorpunktion möglich ist.
Der Bluttest misst die Konzentration von Neurofilamenten (Neurofilament light chain/NFL) im Serum der Patienten. Dabei handelt es sich um Proteine, die das «Gerüst» von Nervenzellen wie Motoneuronen bilden. Sterben diese Nervenzellen wie im Verlauf der ALS ab, werden Fragmente des Proteingerüsts freigesetzt. Infolgedessen ist die Konzentration des Biomarkers NFL bei den Patienten erhöht – frühere Studien der Ulmer Gruppe hatten diesen Effekt bereits im Liquor und auch im Serum nachgewiesen.

Der neue Bluttest beruht auf der sogenannten Single-Molecule-Array-Technologie (Simoa). Die Zuverlässigkeit der neuen diagnostischen Methode wurde an 124 ALS-Patienten der Ulmer Universitätsklinik für Neurologie überprüft sowie an 159 Kontrollen. Darunter waren Probanden mit anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sowie Studienteilnehmer ohne degenerative oder entzündliche Nervenerkrankungen. Tatsächlich erwies sich die NFL-Konzentration im Blut von ALS-Patienten am höchsten (Ausnahme: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) und ermöglichte eine Differenzialdiagnose. Die vergleichenden Messungen erlaubten es den Wissenschaftlern erstmals, eine diagnostische Schwelle für ALS festzulegen: Ist die zuvor definierte NFL-Konzentration im Blut überschritten, gilt ALS als wahrscheinlich. Zudem konnten die Autoren zeigen, dass die gemessenen Werte der Biomarker mit der Aggressivität der Krankheit korrelieren. In Zukunft soll die Zuverlässigkeit des neuen Bluttests weiterhin in grösseren, multizentrischen Kohorten überprüft werden. Ausserdem

plant die Forschergruppe, weitere Marker in die Diagnostik einzuführen, die die Labordiagnose noch spezifischer machen. Die Ulmer Gruppe konnte bereits zeigen, dass sich die Neurofilamente zur Frühdiagnostik in Familien mit der vererbten ALS-Variante eignen. Mit dem neuen Verfahren lassen sich nunmehr grössere Kohorten untersuchen und ebenso Patienten, bei denen aus medizinischen Gründen keine Liquorpunktion durchgeführt werden kann. Auch im Zuge von klinischen Studien könnte diese zusätzliche Methode eingesetzt werden.
Quelle: gekürzte Pressemitteilung auf idw-online.de vom 14.10.2018
Publikation:
Verde F, Steinacker P, Weishaupt J, Kassubek J, Oeckl P, Halbgebauer S, Tumani H, von Arnim C, Dorst J, Feneberg E, Mayer B, Müller H, Gorges M, Rosenbohm A, Volk A, Silani V, Ludolph A, Otto M: Neurofilament light chain in serum for the diagnosis of amyotrophic lateral sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry Published Online First: 11 October 2018. doi: 10.1136/jnnp-2018-318704

Wie das Rasterzellen-System des Gehirns gedankliche Räume kartiert

Wie genau und insbesondere mit welcher zeitlichen Dynamik das sogenannte Rasterzellen-System im menschlichen Gehirn funktioniert, wurde bisher nur vermutet. Ein viel diskutierter Ansatz ist, dass die Signale dieser Zellen Karten von sogenannten kognitiven Räumen erstellen, in denen wir Menschen mental die komplexe Realität anordnen und abspeichern. Ein europäisch-amerikanisches Wissenschaftlerteam konnte nun durch elektrophysiologische Verfahren Evidenz für die Existenz des Rasterzellen-Systems im menschlichen Gehirn nachweisen.
Unter der Leitung von Prof. Christian Doeller vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und Dr. Tobias Staudigl vom Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour der Radboud Universität in den Niederlanden, machten die Forscher mithilfe verschiedener Messverfahren Signale sichtbar, die die Aktivität von Rasterzellen indizieren, während die Probanden Bilder von Alltagsszenen erkunden.

Um die Dynamik der Hirnaktivität nachzuweisen, haben die Wissenschaftler voneinander unabhängige Messungen mit zwei verschiedenen Verfahren durchgeführt: einmal mit der sogenannten Magnetoenzephalografie (MEG) an 36 gesunden Menschen und ausserdem mit einer Elektroenzephalografie (EEG) an einem Epilepsiepatienten. Den Versuchsteilnehmern wurden 200 Bilder gezeigt, die Szenen innerhalb und ausserhalb von Räumen enthielten. Augenbewegungen wurden mittels EyeTracking aufgezeichnet. Bei dem Epilepsiepatienten machten es sich die Forscher zunutze, dass diesem vor einer Gehirnoperation Elektroden aufgrund klinischer Indikation implantiert worden waren, mit denen sich die elektrische Aktivität direkt im Gehirn aufzeichnen lässt. Der Patient schaute sich ähnliche Bilder mit Szenen innerhalb und ausserhalb von Räumen an, ausserdem mit Tieren und Gesichtern. Währenddessen wurden auch seine Augenbewegungen gemessen, womit die Wissenschaftler einen zusätzlichen Datensatz gewinnen konn-

ten, um die Aktivierungsmuster der Zellen aufzuzeichnen. Die Ergebnisse eröffnen viele spannende Möglichkeiten für weitere Forschungen. Zum Beispiel, um zukünftig neue Biomarker für Krankheiten wie Alzheimer zu entwickeln, so die Autoren. Denn bei jungen Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für die AlzheimerErkrankung ist beispielsweise die Aktivität des Rasterzellen-Systems reduziert.
Quelle: gekürzte Pressemitteilung www.idw-online.de vom 12.10.2018
Originalpublikation:
Tobias Staudigl, Marcin Leszczynski, Joshua Jacobs, Sameer A. Sheth, Charles E. Schroeder, Ole Jensen, Christian F. Doeller (2018): Hexadirectional modulation of high-frequency electrophysiological activity in the human anterior medial temporal lobe maps visual space.
https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S09609822(18)31260-0

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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE

&K U R Z B Ü N D I G

Frauen an der Spitze bringen Teams zu besseren Leistungen

Arbeitsgruppen unter weiblicher Leitung erzielen bessere Prüfungsergebnisse. Trotzdem beurteilen männliche Teammitglieder die Führungsleistung von Frauen schlechter. Das sind die Ergebnisse einer Studie, die das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) veröffentlicht hat. Grundlage war ein breit angelegtes TeamworkFeldexperiment an einer italienischen Universität.
Das Experiment umfasste 430 Studierende, die sich freiwillig entschieden hatten, einen Teil ihrer Prüfung als Teamarbeit zu absolvieren. Die Zusammensetzung der Dreierteams und die Führungsrolle wurden ausgelost. So konnten die Forscher den Effekt unterschiedlicher Geschlechterkonstellationen in einem realen Arbeitsumfeld messen. Bislang waren Teamwork-Experimente meist nur unter Laborbedingungen durchgeführt worden. Die Teamleitungen hatten die Aufgabe, gemeinsame Arbeitstreffen zu organisieren und die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung zu koordinieren. Bei gutem Abschneiden ihres Teams wurden sie für ihren Mehraufwand mit Extrapunkten belohnt.

Trotz gleichem Zeiteinsatz erzielten die frauengeführten Teams signifikant bessere Abschlussnoten. Ausschlaggebend waren die individuellen Leistungen der Teammitglieder. Insbesondere Frauen liefen unter weiblicher Führung zu besserer Form auf. Dieser Effekt war den Teamleiterinnen gar nicht bewusst – sie beurteilten ihre eigene Führungsleistung nicht besser als männliche Teamleiter. Die Teamleiterinnen selbst erbrachten hingegen schwächere Prüfungsleistungen als weibliche Teammitglieder. Die Forscher vermuten, dass Frauen mehr Zeit zum Wohle der Gruppe investierten, etwa durch betreuende und koordinierende Tätigkeiten, auch wenn dabei ihr eigenes Lernpensum zu kurz kam. Dafür spricht auch, dass Teamleiterinnen ihre Aufgabe als besonders zeitintensiv empfanden und das Engagement der anderen Teammitglieder kritischer beurteilten als Männer. Die Teilnehmerbefragung im Anschluss an das Experiment ergab ausserdem, dass die weiblichen Teamleitungen von männlichen Teammitgliedern tendenziell schlechter bewertet wurden. «Männer scheinen immer noch Vorbehalte gegen weibliche Führung zu haben, obwohl – oder vielleicht gerade weil – diese sich

als besonders effektiv erweisen kann», sagt IZAFellow Vincenzo Scoppa von der Universität Kalabrien, der die Studie gemeinsam mit Maria De Paola (ebenfalls Universität Kalabrien und IZA) sowie Francesca Gioia von der Universität Mailand verfasst hat. Laut den Autoren profitierten frauengeführte Teams im untersuchten Beispiel vom uneigennützigen Engagement der Teamleiterinnen sowie deren Organisations- und Motivationstalent. Diese «typisch weiblichen» Eigenschaften gewännen in modernen, von Kooperation geprägten Arbeitsumgebungen zunehmend an Bedeutung. In anderen Kontexten könnten jedoch auch «typisch männliche» Führungseigenschaften wie Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen durchaus vorteilhaft sein, heisst es in der Studie.
Quelle: Pressemitteilung www.idw-online.de vom 12.10.2018
Originalpublikation:
Maria De Paola, Francesca Gioia, Vincenzo Scoppa: «Teamwork, Leadership and Gender»
IZA Discussion Paper No. 11861 http://ftp.iza.org/ dp11861.pdf

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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE

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