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A New Understanding of Mental Disorders, Computational Models for Dimensional Psychiatry
In seinem Buch geht Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Universitätsmedizin Berlin, auf neue Berechnungsansätze (computational approach) für ein besseres Verständnis von psychischen Störungen ein. In den insgesamt zehn Kapiteln informiert der Autor über grundlegende Lernmechanismen wie Pawlowsches Konditionieren bei psychischen Störungen, belohnungsabhängiges Lernen, exekutive Kontrolle und modellbasierte Entscheidungsfindung, serotonerge Neurotransmission und ihre Rolle bei negativen Affekten, evolutionäre Konzepte psychischer Störungen, computationale Modelle von Lernmechanismen bei Psychosen, oder Lernmechanismen bei Suchterkrankungen und affektiven Störungen. Im letzten Kapitel wird der Fokus auf Lernmechanismen gelegt und wie diese das Verständnis von psychischen Störungen beeinflussen könnten. Psychosen sind beispielsweise heute im DSM-5 und ICD10 gelistet. Sie differieren in Bezug auf die Schlüsselsymptome und die jeweilige Tradition des Begriffs Schizophrenie. Der Autor beschreibt in diesem Kapitel die historischen Zusammenhänge in der Diagnostik der Erkrankung und geht auf die neurobiologischen Zusammenhänge ein. Computationale Modelle könnten in der Erkennung von modellbasierten und modellfreien Entscheidungsstrategien unterstützen. So haben Menschen mit einer psychotischen Episode häufig Schwierigkeiten, Informationen richtig zu interpretieren. Heinz gibt das Beispiel eines Patienten, der jedes Mal im Vorbeigehen an der Tür des Direktors klopft, weil dort das Schild «Bitte anklopfen» steht. Was sich als Widerstand des Patienten lesen liesse, ist einfach eine falsche Interpretation der vorliegenden Situation (denn nur wer eintreten will, soll anklopfen).
Computationale Ansätze könnten visionär sein und eine Schlüsselrolle spielen beim Erkennen und der Unterstützung von Lernen durch Belohnung oder der Salienz. Das Buch gibt Hoffnung und bietet eine innovative und hochintelligente sowie differenzierte Lösung, aber auch Erklärungen für heute scheinbar unlösbare und abstrakte Probleme in der Diagnostik und Therapie. Weder die Neurobiologie alleine noch die Genetik erklären monokausal Ursache und Entwicklung psychischer Störungen. Durch im Buch propagierte komplexere Modelle, die durch neue Methoden wie die computationale Unterstützung Ursachen und verschiedene Mechanismen integrieren, könnte ein Schritt hin zu einer erfolgreicheren Therapie und zu einem tieferen Verständnis dieser komplexen Diagnosen gemacht werden. Andreas Heinz hat ein wichtiges Buch geschrieben, das neue Einblicke ermöglicht und spannende visionäre Ansätze propagiert, die sich heute skizzieren lassen und morgen schon anwendungsbasiert neue Wege in die Zukunft der Psychiatrie bahnen könnten.
Prof. Dr. Undine Lang, Klinikdirektorin der Erwachsenenpsychiatrie und Privatklinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel und Ordinaria der Universität Basel
Andreas Heinz The MIT Press Massachusetts Institute of Technology Cambridge, Massachusetts 02142 http://mitpress.mit.edu ISBN 978-0-262-03689-4 Euro 27.58, 214 Seiten.
4/2018
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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