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FORTBILDUNG
Psychisch kranke Arbeitnehmer: Prozess und Resultate eines Forschungsprojektes
Unternehmen tragen die ökonomische Hauptlast bei psychisch kranken Mitarbeitern. Denn die Folgekosten psychischer Krankheiten übersteigen die arbeitsbezogenen Behandlungskosten. Die OECD hatte in ihrer Analyse der Schweiz 2014 gezeigt, dass unser Land über sehr viele Ressourcen verfügt, um psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeiten zu bewältigen. Die Umsetzung ist jedoch schwierig. Um Sensibilisierungsprozesse und wirksamere Interventionen im Bereich Arbeit und psychische Krankheit einzuleiten, bedarf es deshalb einer intensiven Unterstützung und Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure. Der Beitrag gibt Hinweise, was bei der Bewältigung beachtet werden könnte.
Niklas Baer Kurt Bachmann Ines Keller Ulrich Frick
von Niklas Baer1, Kurt Bachmann2, Ines Keller2 und Ulrich Frick3
Relevanz psychischer Arbeitsprobleme
R und jeder fünfte Arbeitnehmer erfüllt zu einem beliebigen Zeitpunkt die Kriterien für eine psychische Störung (1). Dies liegt daran, dass psychische Krankheiten in der Bevölkerung sehr häufig sind und dass die grosse Mehrheit dieser Personen erwerbstätig ist. Obwohl diese Krankheiten meist leichterer Natur sind, schlagen sie sich oft in Produktivitätsverlusten sowie längeren Absenzen nieder. Die arbeitsbedingten Folgekosten psychischer Krankheiten übersteigen in der Folge die gesamten Behandlungskosten – das heisst, eigentlich tragen die Unternehmen eine ökonomische Hauptlast psychischer Probleme, immerhin rund 20 Milliarden Franken pro Jahr. Dennoch sind sich Betriebe gerade in der Schweiz der Relevanz dieser Problematik noch wenig bewusst: Weniger als 10 Prozent aller Schweizer Unternehmen haben zum Beispiel einen systematischen Kontakt zu einem internen oder externen Psychologen – im Vergleich zu im Schnitt 25 Prozent der Betriebe in europäischen Ländern. Die OECD hatte in ihrer Analyse der Schweiz 2014 gezeigt, dass unser Land über sehr viele Ressourcen verfügt, um psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeiten zu bewältigen, zum Beispiel die höchste Psychiaterdichte aller OECD-Staaten, eine sehr hohe Beschäftigungsquote und differenzierte soziale und private Versicherungssysteme. Die Analyse zeigte aber auch auf, dass es noch viel zu wenig Kooperation zwischen den Akteuren gibt und dass die Ressourcen deshalb zu selten genutzt werden (2). Hier sind in erster Linie die behandelnden Psychiater und die Arbeitgeber angesprochen.
1 Psychiatrie Baselland; 2 Psychiatrische Dienste SRO; 3 University of Applied Sciences Döpfer, Köln.
Der lange Weg zu einem Forschungsprojekt Dr. med. Kurt Bachmann, ehemaliger Chefarzt der Psychiatrischen Dienste der Spitalregion Oberaargau im Kanton Bern, hat 2014 diese Problematik aufgenommen. Er schreibt: «Weder im Medizinstudium noch in der Fortbildung zum psychiatrisch-therapeutischen Facharz, war das Thema ‹Arbeitsplatz-Erhaltung› Gegenstand der Lehre. Entsprechend unprofessionell habe ich meine vielen Patienten über Jahre in diesem enorm wichtigen Lebensbereich begleitet und unterstützt – und dazu beigetragen, dass einige von ihnen ihre Arbeit verloren und möglicherweise keine mehr gefunden haben.» Meine diesbezüglichen, wahrscheinlich in der Medizin weitverbreiteten Defizite, wurden mir ein erstes Mal bewusst, als ich von einer Firma eingeladen wurde, öffentlich zum Thema ‹Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen› zu referieren. Dabei realisierte ich, dass sich psychiatrische Arbeitsunfähigkeits-Zeugnisse (AuF) in mehrfacher Hinsicht von somatisch begründeten unterscheiden: G Sie sind für die betreffenden Mitarbeitenden unan-
genehm bis beschämend; G sie sind oft zeitlich nicht begrenzt; G sie werden vom Arbeitgeber viel öfter infrage ge-
stellt und sind für den Arbeitgeber und die Arbeitskollegen oft schlecht nachvollziehbar. Im Rahmen des gegenseitigen Austausches erkannte ich weitere in dieser Thematik wichtige Fakten. Arbeitgeber wissen zum einen sehr wenig über psychische Erkrankungen und vor allem auch kaum etwas darüber, was in den Betroffenen vorgeht. Zum anderen pflegen Ärzte und die Arbeitgeber gegenseitige Stereotypen, die eine Zusammenarbeit wesentlich behindern: Die Arbeitgeber gehen davon aus, dass sich immer Ärzte finden, die ein AuF ausstellen, auch wenn dieses nicht berechtigt ist. Und Ärzte gehen davon aus, dass die Arbeitgeber psychisch kranke Menschen sehr schnell ent-
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Kasten 1: Psychische Auffälligkeiten am Arbeitsplatz (4)
lassen oder der IV zuschieben, um ihren Betrieb zu optimieren. Im Anschluss an die erwähnte Tagung wurde mir deutlich bewusst, dass im Bereich Arbeitsplatzerhalt für psychisch kranke Menschen ein grosser Entwicklungsschub nötig und möglich ist. Um die notwendigen Entwicklungen auf eine breite Basis zu stellen, luden wir CEO und HR-Verantwortliche zu einer gemeinsamen Sitzung ein, an der wir die Problematik darstellten. Erfreulicherweise waren einige sehr motiviert, gemeinsam mit uns in einen Prozess einzusteigen, der als Ziel eine deutliche Verbesserung der Problematik in unserer Region hatte. Die CEO aus der Arbeitsgruppe waren zum Teil im Vorstand des regionalen Wirtschaftsverbandes (WVO), dem rund 350 Unternehmen angeschlossen sind, und regten dort an, eine öffentliche Veranstaltung zum Thema «Die Ohnmacht der Arbeitgeber im Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitenden» durchzuführen. Die Veranstaltung war ein grosser Erfolg mit einem sehr grossen Publikumsaufmarsch. Es wurde im Anschluss beschlossen, einen Fragebogen zu erarbeiten, der aufzeigen sollte, welche Probleme Führungskräfte mit psychisch erkrankten Mitarbeitern haben und wie sie mit Psychiatern und anderen Akteuren zusammenarbeiten. Damit war eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Arbeitgeberschaft, der Psychiatrie und der Forschung konstituiert. Eine erste Online-Befragung wurde in der Region Oberaargau im Frühjahr 2015 geplant und durchgeführt.
Resultate der Befragung An 300 Betriebe erfolgte die Bitte, sie allen Führungskräften weiterzuleiten. Insgesamt wurde der Befragungslink von 469 Personen angeklickt, 328 Personen starteten die Befragung und beantworteten diese zumindest teilweise (70%); 260 Personen beantworteten die Befragung vollständig (79% der Starter). Knapp 40 Prozent der Befragungsteilnehmer arbeiteten in Gewerbebetrieben und je rund 10 Prozent in der öffentlichen
Verwaltung, im Gesundheits- und Sozialwesen und im Baugewerbe. Alle anderen Branchen waren seltener vertreten.
Fast alle Chefs haben Erfahrung mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden Auf die Einstiegsfrage, ob sich die Führungskräfte «an eine Situation mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin erinnern können, der oder die zumindest vorübergehend psychisch auffällig war, Leistungs- oder Verhaltensprobleme zeigte und für den Betrieb oder die Führungskraft mit Belastungen verbunden war», antworteten 91 Prozent, sich an eine solche Situation zu erinnern. Gleichzeitig gaben lediglich 29 Prozent der Befragten an, jemals in ihrer Führungskarriere darauf geschult geworden zu sein, wie man psychisch auffällige Mitarbeitende führen könne. Dieses Missverhältnis zwischen der Häufigkeit solcher Problemsituationen und der seltenen Schulung von Vorgesetzten ist kein Phänomen der Region Oberaargau, sondern wurde in einer kürzlich durchgeführten repräsentativen Befragung von Deutschschweizer Führungskräften bestätigt (5).
Die typischen psychischen Auffälligkeiten am Arbeitsplatz Die häufigsten psychischen Auffälligkeiten dieser Mitarbeitenden betreffen entwertendes, impulsives, instabiles, inkonstantes und externalisierendes Verhalten (rund 60% der Fälle), Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme, mangelnde Eigeninitiative, Verlangsamung, Passivität sowie Freud- und Interesselosigkeit (rund 55% der Fälle), Autoritätsprobleme, sabotierendes Verhalten, Negativismus und fehlende Verantwortungsübernahme (rund 50%) – danach folgten mit jeweils rund 40 Prozent intellektuelle Überforderung, Perfektionismus, Überstunden und Erschöpfung sowie Geltungsdrang, Egoismus, Kritikunverträglichkeit und angeberisches Verhalten (Kasten 1). Dies bestätigt die grosse Bedeutung der Persönlichkeit respektive der Persönlichkeitsstörung bei Problemen
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Kasten 2: Reaktionen der Arbeitskollegen (4)
am Arbeitsplatz: Emotional-instabile und impulsive, passiv-aggressive und narzisstische Persönlichkeiten werden als häufigste, dritthäufigste und fünfthäufigste Gruppe genannt. An zweiter Stelle sind die depressiven Problemmuster (4). Dies entspricht auch den beiden häufigsten diagnostischen Gründen für eine IV-Rente in der Schweiz (3).
Hohe Belastung des Arbeitsumfeldes Besonders häufig belastet waren Vorgesetzte, CEO und Personalverantwortliche durch impulsiv-aggressive und narzisstische Auffälligkeiten (in je rund 45% der Fälle), danach folgten depressive Probleme (in 30%) und Ängste, Zwangsprobleme und schmerzbedingte Probleme (25%) von Mitarbeitenden. Dies ist nachvollziehbar, da sich die persönlichkeitsbedingten Probleme besonders stark auf der Beziehungsebene auswirken. Die Belastung der befragten Führungskräfte war denn auch erheblich: Zwei Drittel fühlten sich in diesen Problemsituationen frustriert, ohnmächtig und hilflos, 55 Prozent gerieten wegen dieser Situation in Konflikte mit dem Team oder mit ihrem eigenen Vorgesetzten, und fast 40 Prozent hatten Probleme mit dem Abschalten nach der Arbeit. Diese Situationen belasten auch die Arbeitskollegen: Fast 80 Prozent der Arbeitskollegen hatten während des Problemverlaufs widersprüchliche Gefühle und schwankten zwischen Mitleid und Ärger, 60 Prozent fühlten sich gestresst und überfordert und so weiter (Kasten 2). In rund 4 von 5 Fällen kam es dazu, dass sich Arbeitskollegen beim Vorgesetzten über den betreffenden Mitarbeiter beschwert haben (fast immer mehrmals), und in einem Drittel der Fälle haben sich die Arbeitskollegen gar überlegt, wegen dieser Probleme selbst die Stelle zu wechseln.
Psychische Probleme bleiben diffus und erschweren die Lösung Zum Teil ist diese hohe Belastung der Arbeitsumgebung dadurch bedingt, dass das Team meist erst spät
im Problemverlauf vermutete oder wusste, dass es sich bei den Auffälligkeiten um ein psychisches Problem handeln könnte oder handelt. Nur in einem Viertel aller Fälle wusste das Team schon früh Bescheid. Dies wiederum hängt damit zusammen, dass die betreffenden Mitarbeiter in mehr als 70 Prozent der Fälle ihr psychisches Problem am Arbeitsplatz nicht offengelegt hatten. Bei denjenigen Mitarbeitern, die sich «geoutet» hatten, sagten die Vorgesetzten fast immer (in über 90% der Fälle), dies habe den Betreffenden nicht geschadet. Wo Mitarbeiter sich nicht «geoutet» hatten, sagten mehr als 70 Prozent der Vorgesetzten, eine Offenlegung hätte den Betreffenden geholfen.
Führungskräfte suchen selten einen Kontakt zum behandelnden Arzt Führungskräfte unternehmen in solchen Situationen viel, um zu helfen. Aber gewisse entscheidende Interventionen nehmen sie nicht vor: Sie sprechen die betreffenden Mitarbeiter nicht früh auf ihre Auffälligkeiten an, obwohl sie in einem Drittel der Fälle angeben, dass sie bei diesem Mitarbeiter eigentlich schon beim Anstellungsverfahren zumindest leicht irritiert waren. Sie ziehen fast nie die IV-Stelle hinzu, und sie haben – obwohl sie selbst und auch die Arbeitskollegen erheblich belastet sind – nur selten Kontakt zum behandelnden Arzt des auffälligen Mitarbeiters (in 24% der Fälle). Auf die Frage, ob die Vorgesetzten ohne Kontakt einen solchen gewünscht hätten, antwortet gegen die Hälfte mit «Nein». Dies ist ein zentrales Resultat, dem künftig nachgegangen werden sollte: Warum suchen Vorgesetzte diesen Kontakt nicht? Kommen sie gar nicht erst auf die Idee, oder gehen sie a priori davon aus, dass der Arzt ihnen sowieso nicht helfen wird?
Ein direkter Kontakt zum Arzt würde helfen Hier mehr zu wissen, ist wichtig, weil diejenigen Vorgesetzten mit Kontakt zum behandelnden Arzt in zwei Dritteln der Fälle angaben, dass er hilfreich war. Als besonders hilfreich wahrgenommen wurde es, wenn sich der Arzt für die Einschätzung der Führungskraft interes-
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siert hat (in rund 80% der als hilfreich erlebten Kontakte) und wenn er gemeinsam mit dem Vorgesetzten den Wiedereinstieg nach einer Krankheitsabsenz besprochen hat (in 70% dieser Fälle). Der Nutzen durch reine Informationen wird hingegen seltener als hilfreich eingeschätzt. Das heisst, Arbeitgeber fühlen sich vor allem dann gut unterstützt, wenn sie sich vom Arzt wahrgenommen fühlen und wenn sie sich mit ihm absprechen können (statt nur Informationen zu erhalten). Dies ist möglicherweise das wichtigste Resultat dieser Untersuchung: Die gemeinsame Problemlösung mit und die Beziehung zum Arzt würden den Arbeitgebern am meisten helfen.
Psychiater werden häufig als hilfreich erlebt – Hausärzte seltener Aufschlussreich ist diesbezüglich auch die Einschätzung der befragten Führungskräfte, mit welchen externen Stellen sie – insgesamt während ihrer Führungskarriere – jemals Kontakt hatten und ob sie diese Partner generell als eher unterstützend oder eher nicht unterstützend wahrgenommen haben. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede: Am häufigsten (rund 55%) hatten Führungskräfte Kontakt mit behandelnden Hausärzten. Diese erlebten sie im Verhältnis von 2:1 als unterstützend – im Vergleich mit anderen Akteuren also eher selten. Fast ebenso häufig hatten sie Kontakt mit CaseManagern von Krankentaggeldversicherern. Diese Kontakte wurden mit einem Verhältnis von 9:1 sehr häufig als eher unterstützend erlebt – bei den fast gleich häufigen Erfahrungen mit IV-Beratern war das Verhältnis lediglich 3:1. Bei privaten Psychiatern und dem regionalen Psychiatrischen Dienst geben rund 35 respektive rund 25 Prozent der Arbeitgeber an, jemals entsprechende Kontakte gehabt zu haben. Diese waren allerdings – sofern vorhanden – mit einem Verhältnis von 5:1 respektive 4:1 häufig positiv. Auch dieses Resultat wurde in der kürzlich durchgeführten Deutschschweizer Führungskräfte-Befragung bestätigt (5). Das heisst: Wenn es zu einem Kontakt zwischen Arbeitgeber und Psychiater kommt, ist die Chance sehr gross, dass dieser Kontakt als hilfreich erlebt wird. Hingegen besteht zwischen Arbeitgebern und Hausärzten Bedarf an Austausch: Hausärzte sind zwar der häufigste Partner von Arbeitgebern, aber sie werden vergleichsweise selten als hilfreich erlebt.
Merkpunkte:
G Die arbeitsbedingten Folgekosten psychischer Krankheiten übersteigen durch Arbeitsausfälle die gesamten Behandlungskosten.
G Rund 90 Prozent der Arbeitgeber kennen Mitarbeiter, die zumindest vorübergehend psychisch auffällig waren, Leistungs- oder Verhaltensprobleme zeigten und für den Betrieb oder die Führungskraft mit Belastungen verbunden waren.
G Lediglich 29 Prozent der Arbeitgeber geben an, jemals in ihrer Führungskarriere darauf geschult geworden zu sein, wie man psychisch auffällige Mitarbeitende führen könnte.
G Für Arbeitskollegen sind Probleme psychisch kranker Kollegen oft schlecht nachvollziehbar.
G Die gemeinsame Problemlösung mit und die Beziehung zum Arzt würden den Arbeitgebern am meisten helfen.
Rückmeldung der Resultate an die Arbeitgeber Der Zweck dieser Befragung war, Situation und Probleme der Arbeitgeber im Umgang mit psychisch auffälligen Mitarbeitenden aufzuzeigen und Grundlagen für Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Um dem nachzukommen, war es der Arbeitsgruppe ein Anliegen, erste Hauptresultate (von denen hier einige dargestellt wurden) möglichst rasch an die Arbeitgeber zurückzugeben und eine Diskussion in Gang zu setzen. Mit einem gut besuchten Anlass im Herbst 2015 wurde dies rasch getan, und in der Folge kam es zu einem Treffen der Arbeitsgruppe mit den regionalen Hausärzten. Dieser Prozess hat erst begonnen, und trotz allseitigem Interesse zeigen sich dieselben Hemmnisse wie ganz zu Beginn dieses Befragungsprojektes. Dies verdeutlicht, dass Verbesserungen in diesem Themenbereich möglich sind, aber einen langen Atem brauchen. Die Psychiatrischen Dienste SRO haben mittlerweile das Thema weiterentwickelt und anhand einer internen Befragung von Ines Keller prioritäre Handlungsbereiche identifiziert.
Fazit
Um Sensibilisierungsprozesse und wirksamere Interven-
tionen im Bereich Arbeit und psychische Krankheit ein-
zuleiten, eignet sich ein regionaler Rahmen gut. Das
vorliegende Beispiel lässt folgende Hinweise darauf zu,
was dabei zu beachten ist:
G Alle relevanten Akteure müssen eingebunden sein.
G Obwohl alle Beteiligten über Erfahrungen hinsicht-
lich des Themas verfügen, muss zunächst eine ge-
meinsame Verständnisbasis geschaffen werden.
G Die Erarbeitung von «gemeinsamen» Daten ist zen-
tral und eine Grundlage für die Identifikation aller
Beteiligten, für die weitere Diskussion und die Im-
plementierung von Massnahmen (auch wenn es
ähnliche Daten irgendwo schon geben würde).
G Jeder weiterführende Schritt bedingt wieder ein
ähnliches Vorgehen – dies liegt an der tief verwur-
zelten Zurückhaltung gegenüber der Tatsache, dass
psychische Probleme weitverbreitet, beeinträchti-
gend und mit Aufwand verbunden sind, wenn man
sich ihnen stellt.
G
Korrespondenzadresse:
Dr. phil. Niklas Baer
Leiter Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation
Psychiatrie Baselland
Bienentalstrasse 7
4410 Liestal
E-Mail: niklas.baer@pbl.ch
Literatur:
1. OECD (2015) Fit Mind, Fit Job. OECD Publishing, Paris.
2. OECD (2014) Mental Health and Work: Switzerland. OECD Publishing, Paris.
3. Baer N, Frick U, Fasel T: Dossieranalyse der Invalidisierungen aus psychischen Gründen; Typologisierung der Personen, ihrer Belastungen, Erkrankungen und Berentungsverläufe. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 6/2009. Bundesamt für Sozialversicherungen, Bern.
4. Baer N, Frick U, Fasel T, Wiedermann W: «Schwierige» Mitarbeiter – Wahrnehmung und Bewältigung psychisch bedingter Problemsituationen durch Vorgesetzte und Personalverantwortliche. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 1/2011. Bundesamt für Sozialversicherungen, Bern.
5. Baer N, Frick U, Auerbach S, Basler M: «Der tägliche Wahnsinn» – Psychisch auffällige Mitarbeiter und ihr Problemverlauf aus Sicht von Deutschschweizer Führungskräften. Interact-Verlag Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Luzern 2017(in Erarbeitung).
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