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EDITORIAL
Epilepsieprobleme im neurologischen Alltag
O bwohl Epilepsien zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen zählen und ihre Behandlung zum «Alltag» der neurologischen Praxis gehört, kann die Differenzialdiagnose anfallsartiger Störungen und «epilepsieverdächtiger» EEG-Veränderungen nicht selten praktische Schwierigkeiten bereiten.
Die neuste Definition der Epilepsie, von der Internationalen Liga gegen Epilepsie 2014 veröffentlicht (Fischer et al., Epilepsia 55: 475–482, 2014), macht es den erstdiagnostizierenden Kollegen auch nicht unbedingt leichter: Sie betont einerseits, dass man eine Epilepsie zwar diagnostizieren kann, wenn nach einem ersten nicht provozierten Anfall ein Wiederholungsrisiko von mehr als 60 Prozent besteht, dass man aber auch warten kann bis zum zweiten nicht provozierten Anfall, wenn man dieses Risiko nicht kennt. Und andererseits gesteht sie zu, dass die Indikation zu einer medikamentösen Behandlung unabhängig von der Diagnose getroffen werden kann. Für all dies gibt es gute Gründe, Probleme in der individuellen Beratung unserer Patienten werden dadurch aber noch nicht gelöst.
Solche Probleme treten in den verschiedensten Phasen der Epilepsiediagnostik und -therapie auf. Die Beiträge in der vorliegenden Ausgabe konzentrieren sich dabei auf einige Schwierigkeiten der klinischen und elektroenzephalografischen Differenzialdiagnostik (Siekierka, Mothersill, Schmutz, S. 10 ff.), der medikamentösen Therapie bei tumorassoziierten Epilepsien (Happold, PoryazovaNeumann, S. 4 ff.), der prächirurgischen Diagnostik pharmakoresistenter Epilepsien (König, Kurthen, S. 14 ff.) und der Einordnung von Problemen der sozialen Interaktion bei spezifischen Epilepsiesyndromen (Steiger, Kegel, Jokeit, S. 19 ff.).
Mit dieser notwendigerweise begrenzten Auswahl von Themen hoffen wir, Sie ein wenig in Ihrer alltäglichen Arbeit unterstützen zu können. Selbst diese wenigen Themen machen aber bereits deutlich, dass es eine Vielzahl von Fragen in der praktischen Epileptologie gibt, die eine Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen erfordern. In Zürich hat dies dazu geführt, dass sich die Kliniken für Neurologie, Neurochirurgie und Neuroradiologie des Universitätsspitals, das Kinderspital Zürich und die Schweizerische Epilepsie-Klinik der Klinik Lengg den organisatorischen Rahmen des «Zentrums für Epileptologie und Epilepsiechirurgie» gegeben haben, in dem sie in Zukunft noch enger kooperieren wollen, um allen epileptologischen Problemen angemessen begegnen zu können. Die neuropädiatrischen und neurochirurgischen Kollegen werden es uns sicher nachsehen, dass wir uns hier auf «Alltagsprobleme» in der Betreuung erwachsener Epilepsiepatienten konzentrieren.
Der psychiatrische Schwerpunkt dieser Ausgabe konzentriert sich auf die tier- und robotergestützte Therapie.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme und span-
nende Lektüre.
G
Prof. Dr. Dr. Thomas Grunwald Medizinischer Direktor
Schweizerische Epilepsie-Klinik Klinik Lengg AG Bleulerstrasse 60 8008 Zürich
E-Mail: thomas.grunwald@kliniklengg.ch
5/2016
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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