Transkript
EDITORIAL
Angehörige in der Psychiatrie: ein wichtiges Bindeglied
P sychisch krank zu sein, betrifft nicht nur das Individuum und ist mehr als eine Aneinanderreihung von Symptomen, die diagnostiziert und behandelt werden. Psychische Erkrankungen nehmen auch grossen Einfluss auf das Leben der Familie und der Freunde. Eine erfolgreiche Therapie sollte deshalb immer das persönliche Umfeld des Patienten oder der Patientin miteinbeziehen.
Nach vorsichtigen Schätzungen leben in der Schweiz bis zu 50 000 Kinder und Jugendliche mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Das Risiko, selbst ein psychisches Leiden zu entwickeln, ist für sie deutlich erhöht. Transgenerationales Weiterleiten von Krankheiten ist in der Psychiatrie, aber auch für die Gesellschaft ein bedeutsames Thema. Eine moderne psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung muss diese Tatsache immer berücksichtigen.
Nicht ohne Grund hat sich der diesjährige Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (SGKJPP) in Zusammenarbeit mit weiteren nationalen und internationalen Fachgruppen und Stiftungen dem Thema der psychischen Gesundheit aus der Generationenperspektive gewidmet. Mehr als 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich in Basel über drei Tage mit der brandaktuellen Thematik auseinander. Ob die Auseinandersetzung Früchte trägt, auch in politischer Hinsicht, wird allerdings erst die Zukunft zeigen. Der Co-Kongresspräsident Dr. Kurt Albermann geht im Interview auf Seite 20 auf diese Problematik ein.
Wie die praktische Implementierung eines niederschwelligen und professionellen Angebots für Angehörige in der akutpsychiatrischen Versorgung erleichtert werden kann, zeigen die Autoren Dr. Janis Brakowski, Prof. Paul Hoff und Dr. Matthias Jäger auf (Seite 4).
Und welche typischen Spannungsfelder in der Angehörigenarbeit dann auftreten können und wie sich Angehörige konzeptuell einbinden lassen, zeigen die Autoren Edith Scherer und Dr. Thomas Lampert (Seite 10).
Die Psychologin Andrea Rufer gibt im Interview auf Seite 14 Auskunft über die häufigsten Probleme und Anliegen von Angehörigen psychisch kranker Menschen.
Über die Herausforderungen für psychisch kranke Eltern, die notwendige und gewünschte Unterstützung bei der Betreuung ihrer Kinder zu erhalten, berichten Stefanie Hefti, Dr. Marc Schmid und der Autor dieses Editorials auf Seite 17.
Die Pflegewissenschaftlerin Dr. Susanne Schoppmann wiederum gibt im Beitrag auf Seite 23 Auskunft über Handlungsstrategien, die von Angehörigen zur Bewältigung einer depressiven Erkrankung in der Familie erfolgreich eingesetzt wurden.
Wir hoffen, Sie mit diesem Heft inspirieren zu kön-
nen, und freuen uns auf eine lebhaft geführte
Diskussion zu dieser Thematik.
G
Prof. Alain Di Gallo Herausgeber
E-Mail: Alain.DiGallo@upkbs.ch
In Anlehnung an den erfolgreichen Kongress befasst sich auch diese Ausgabe mit der Angehörigenarbeit.
4/2016
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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