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Psychisch krank in Deutschland
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Psychisch krank in Deutschland

Prof. Heinrich Kunze hat für seine Dienste um die Psychiatriereform das Bundesverdienstkreuz erhalten. Als langjähriges Vorstandsmitglied der Aktion Psychisch Kranke e. V. (1992–2012), Facharzt für Psychiatrie, Nervenarzt und Soziologe hat er in seinem Buch «Psychisch krank in Deutschland» ein grandioses Plädoyer für ein zeitgemässes Versorgungssystem geschrieben.
Viele Fragen, die sich heute Behandlern und Betroffenen aufdrängen, werden bis ins Detail belegt und Schritt für Schritt in einem sehr verständlichen und klar aufgebauten Text beantwortet. Werden psychisch Kranke zum Treibgut im Mainstream der Gesundheitswirtschaft? Werden sie integriert oder ausgegrenzt? Was hat die PsychiatrieEnquête uns gebracht, was wollte überhaupt die Psychiatrie-Enquête? Ist ein personenzentrierter Ansatz in der psychiatrischen Behandlung realisierbar und realisiert? Was ist das St.-Florians-Prinzip des psychosozialen Versorgungssystems? Übernehmen wir heute die Verantwortung für einzelne Personen, Menschen oder für beliebte und beliebige Massnahmen? Sind Massregelvollzug, Gefängnisse und Obdachlosigkeit «Endstationen» oder ein «Neustart» nach gescheiterter Behandlung in der Allgemeinpsychiatrie? Steuert die Finanzierung die Versorgung oder umgekehrt? Wird das neue Entgeltsystem begrüsst oder abgelehnt? Stimulieren Leistungen nach Aufwand den Kontrollaufwand und den Misstrauensaufwand zwischen Kasse und Klinik? Ist aus der Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen eine Gewinnoptimierung geworden? Wieso braucht eine Essstörung fünfmal so viele Minuten Behandlungszeit wie eine Psychose? Teilhabereform: hochzonen oder herunterzonen? Was ist mit Arbeit? Was ist mit Pflege? Warum kooperieren separierte Dienste nicht miteinander? Kann die Würde bis zum Lebensende erhalten bleiben? Lernen wir von den USA den Niedergang?
In seinem Buch arbeitet Prof. Kunze präzise und empathisch, historisch und zukunftsgerichtet, detailliert, aber

auch mit einem grossen Bogen Visionen und Grenzen der Versorgung psychisch kranker Menschen in Deutschland aus und antwortet auf schwierige Fragen von skrupulös bis global, regional, innovativ und historisch.
In seinem Geleitwort für das Buch «Psychisch krank in Deutschland» schreibt Peter Masuch, Präsident des Bundessozialgerichtes, sehr treffend und bringt es damit auf den Punkt: «Eine alles umfassende Zentralverwaltung für Rehabilitation und Teilhabe können wir uns ebenso wenig wünschen wie eine Überantwortung dieses sensiblen Versorgungsbereichs auf einen an Wettbewerb ausgerichteten Markt von privaten Leistungserbringern.»
Auch die Abgeltung stationärer Leistungen in der Psychiatrie der Schweiz erfährt künftig eine Neuerung und Entwicklung hin zu einem national einheitlichen Tarifsystem mit Leistungsbezug. Hier entstehen derzeit lebhafte Diskussionen um die Validität der Datenerfassung im Rahmen des nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken und deren realistischen Bezug zur tatsächlich erbrachten Leistung sowie Anfälligkeit für Manipulation. Diskussionen bestehen auch hinsichtlich des erforderlichen Umfangs und der Art künftig finanzierter ambulanter Behandlung. In diesem Kontext kann es hilfreich sein, von Fehlern des deutschen Systems zu lernen – idealerweise, bevor sie aufgetreten sind und dann viele Menschen betreffen.
Korrespondenz: Prof. Undine Lang, Klinikdirektorin der ErwachsenenPsychiatrischen Kliniken EPK, Ordinariat Psychiatrie der Universität (UPK) Basel; Mail: undine.lang@upkbs.ch
Heinrich Kunze: Psychisch krank in Deutschland, Plädoyer für ein zeitgemässes Versorgungssystem, ISBN: 978-3-17-025998-0, Auflage 2015, 226 Seiten, Kohlhammer Verlag, Taschenbuch: Fr. 65.–, eBook: Fr. 48.90.

&12 1/2016
PSYCHIATRIE NEUROLOGIE