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EDITORIAL
Zwänge: Keine Angst vor der Behandlung
Z wangserkrankungen gehören mit einer Prävalenz von über 2 Prozent zu den sehr häufigen psychischen Erkrankungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Es gibt zwei durchschnittliche Erkrankungsgipfel: im Alter von zirka 10 Jahren und im jungen Erwachsenenalter. Zwangsstörungen können aber auch bereits Kinder im Alter von vier oder fünf Jahren entwickeln. Leider bleibt beim einzelnen Betroffenen auch heute die Erkrankung noch zu lange unbehandelt; durchschnittlich vergehen von den ersten Symptomen bis zur ersten Vorstellung beim Arzt zwei bis acht Jahre. Aus Verlaufsstudien wissen wir, dass die Prognose umso besser ist, je rascher die Erkrankung behandelt wird. Die kognitive Verhaltenstherapie (KBT) mit Exposition und Reaktionsmanagement ist gemäss zahlreichen Studien, Leitlinien und Behandlungsempfehlungen die Methode erster Wahl. Doch trotz zahlreicher Publikationen wird die KBT in der Praxis leider noch immer zu selten angewandt. Informationsdefizite aufseiten der Betroffenen, aber auch der Fachpersonen scheinen hier ursächlich zu sein. In dieser Ausgabe von P&N haben wir deshalb die Behandlung von Zwangsstörungen ins Zentrum gestellt. Die Psychologin Gunilla Wewetzer und Prof. med. Christoph Wewetzer aus Köln erläutern die Behandlungselemente der KBT bei Kindern, wobei die Expositionstherapie mit Reaktionsmanagement das zentrale Wirkelement darstellt. Das Geschwisterpaar hat erstmals ein deutschsprachiges Therapiemanual zu Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen herausgegeben, das anschaulich und praxisorientiert geschrieben ist und damit eine grosse Hilfe in der Behandlung von Zwängen darstellt. Wie die Therapie im Erwachsenenalter aussieht, beschreiben Prof. Michael Rufer, Zürich, und sein Team. Im Erwachsenenalter ist die KBT, einschliesslich Exposition mit Reaktionsmanagement, ebenfalls die Therapie erster Wahl.
Weiterentwicklungen wie unter anderem die Akzeptanz- und die Commitmenttherapie oder auch metakognitive Ansätze sind neue Therapieprogramme für eine individualisierte Behandlung. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Rolle der Angehörigen: Eltern sind in die Therapie einzubinden, weil das Familienleben durch den Zwang stark beeinflusst wird, wie es Dr. Dr. Veronika Brezinka, Zürich, anschaulich beschreibt. Neue Studien zeigen, dass familienbezogene Interventionen, die über eine Edukation hinausgehen, sehr gute Effekte auf den gesamten Therapieverlauf haben.
Neuer Aufklärungsbogen ADHS/ADS Erfreulich ist auch, dass nun ein vollständig überarbeiteter Aufklärungsbogen zu ADHS/ADS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) von Thieme Compliance vorliegt, der Auskunft darüber gibt, welche Mittel für eine medikamentöse Therapie der ADHS bei Kindern und Erwachsenen zur Verfügung stehen und was bei ihrer Verwendung zu beachten ist. Die Zusammenarbeit von Schweizer und deutschen Experten erleichtert die Aufklärung von Betroffenen in der Praxis. Im Interview erklärt Dr. Alexander Zimmer, Solothurn, die Neuerungen, die für die Nutzung in der Schweiz relevant sind. Der neurologische Teil dieser Ausgabe befasst sich mit Gesichts- und Kopfschmerzen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. G
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza Ärztliche Direktorin
Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Zürich
Neumünsterallee 9, Postfach 1482 8032 Zürich
E-Mail: Susanne.Walitza@kjpdzh.ch
4/2015
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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