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FORTBILDUNG
Aktualisierter Aufklärungsbogen zur medikamentösen Behandlung von ADHS
4/2015
ADHS gilt vorwiegend als eine Erkrankung des Kindes- und Jugendalters. Dabei kann sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei etwa der Hälfte der Betroffenen im Erwachsenenalter fortsetzen. Der aktualisierte Aufklärungsbogen von Thieme Compliance erläutert, welche Mittel für eine medikamentöse Therapie der ADHS bei Kindern und Erwachsenen zu Verfügung stehen und was bei ihrer Verwendung zu beachten ist. Der Schweizer Psychiater Dr. Alexander Zimmer, Solothurn, war an der Überarbeitung beteiligt und gibt im Interview Auskunft über Änderungen.
Psychiatrie & Neurologie: Warum oder wie kam es zur Zusammenarbeit mit deutschen Experten? Dr. Alexander Zimmer: Gemeinsam mit Dr. Julius Kurmann aus Luzern habe ich bereits mehrere Aufklärungsbögen zur Psychopharmakotherapie in Zusammenarbeit mit dem Thieme-Compliance-Verlag aktualisiert. Der Aufklärungsbogen zur medikamentösen Behandlung von ADHS/ADS ist jedoch der neueste in der ganzen Reihe. Bisher hatten sich die Aufklärungsbögen lediglich auf Deutschland bezogen. Wir haben diese nun im engen Austausch mit Fachvertretern aus Deutschland und der Schweiz sowie mit Juristen weiterentwickelt. Den Auftrag dazu erhielten wir 2010 von der Schweizer Vereinigung der Psychiatrischen Chefärztinnen und Chefärzte (SVPC). Wir sollten einen Vorschlag ausarbeiten, wie in der Schweiz Patienten über die medikamentöse Behandlung während einer stationären oder ambulanten psychiatrischen Behandlung aufgeklärt werden sollen und in welcher Form die entsprechende Aufklärung im Anschluss dokumentiert wird. Zudem wurden relevante Schweizer Fachverbände und Patientenorganisationen in die Entwicklung der Bögen miteinbezogen, um deren Unterstützung zu gewinnen.
Alexander Zimmer
zur Behandlung von ADHS in der Schweiz bis anhin zwar für Kinder und Jugendliche, aber nicht für Erwachsene zugelassen. Für diese bleiben in der Schweiz weiterhin Methylphenidatpräparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung die erste medikamentöse Behandlungsoption. Nur falls Nebenwirkungen bei dieser Behandlung auftreten oder sich die Symptome durch eine Behandlung mit Methylphenidat nicht gebessert haben, wird im Sinne einer Second-Line-Option die Behandlung mit Lisdexamfetamin in Betracht gezogen.
Wie war das Feedback auf die Aufklärungsbögen? Alexander Zimmer: Das Feedback bei der Vorstellung unserer Aufklärungsbögen war sehr unterschiedlich – es reichte von der Befürchtung, dass man mit einer zu ausführlichen Aufklärung Patienten von der Einnahme ihrer Medikamente eher abschrecken könnte, bis zur Begeisterung darüber, dass nun endlich administrativ einfach zu handhabende Aufklärungsbögen in allgemeinverständlicher Sprache vorliegen. Der Detaillierungsgrad der Aufklärungsbögen stellt einen Kompromiss zwischen den umfangreichen Vorgaben des Schweizer «Arzneimittel-Kompendiums» und dem ärztlichen Praxisalltag dar.
Was musste in Bezug auf die Behandlung von ADHS/ ADS für die Schweiz angepasst werden? Alexander Zimmer: Die Indikationen der Psychopharmaka sind in Deutschland und der Schweiz teilweise unterschiedlich. So ist beispielsweise das Atomoxetin
Gibt es neue Therapieoptionen? Alexander Zimmer: Leider gab es sonst bei den Psychopharmaka in den vergangenen Jahren wenig relevante Neuentwicklungen.
Hat sich die Dosierung in der Medikation verändert? Alexander Zimmer: Nein. Die Dosierungsempfehlungen sind seit Langem schon konstant. Aber natürlich in der praktischen Anwendung individuell sehr verschieden.
Was sind Pitfalls in der Behandlung? Wo tauchen die meisten Schwierigkeiten auf, bei denen der Aufklärungsbogen eine Hilfe ist? Alexander Zimmer: Mit den Aufklärungsbögen wollen wir helfen, die Qualität der Aufklärung in der Psychopharmakotherapie zu verbessern. Sie sollen dem Patienten bei einer selbstbestimmten Entscheidung bei der Wahl des passenden Medikamentes helfen. Wir gehen
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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Kasten:
ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Die sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist zu einem grossen Teil genetisch bedingt und äussert sich durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Steht die Unaufmerksamkeit im Vordergrund, und sind Hyperaktivität und Impulsivität nur schwach ausgeprägt oder fehlen sie, spricht man von einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Schüler mit ADHS/ADS geraten häufig in Konflikte mit Lehrern und Mitschülern. Ihre Leistungen sind in der Regel schlechter, als es ihrer Begabung entspricht. Bei Erwachsenen können sich die Probleme im Beruf und in sozialen Beziehungen fortsetzen. ADHS/ADS gilt als häufigste psychische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen. In mindestens der Hälfte der Fälle besteht sie im Erwachsenenalter weiter. Der Aufklärungsbogen wurde, wie die Vorauflage, in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiaterin Prof. Dr. Susanne Walitza erstellt. Neu hinzugekommen sind die Schweizer Psychiater um Dr. Alexander Zimmer und Dr. Julius Kurmann und Prof. Dr. Mathias Luderer aus Mannheim. Der neue Aufklärungsbogen «Medikamente zur Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS/ADS)» ist ab sofort beiThieme Compliance erhältlich: www.thieme-compliance.de Weitere Erläuterungen in Bezug auf die in der Schweiz geltenden Rahmenbedingungen für die Aufklärung und Dokumentation bei Psychopharmakotherapie sind unter www.psychiatrie.ch veröffentlicht.
davon aus, dass ein enger Einbezug der Patienten die
Therapietreue erhöht und damit zum Therapieerfolg
beiträgt. Den Ärzten wiederum liegt mit dem Aufklä-
rungsbogen ein Dokument vor, dass die Aufklärungsar-
beit bestätigt und vereinfacht.
G
Sehr geehrter Herr Dr. Zimmer, wir bedanken uns für das Interview.
Das schriftliche Interview führte Annegret Czernotta.
Korrespondenzadresse: Dr. Alexander Zimmer
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH Praxisgemeinschaft Kreuzackerpark Schänzlistrasse 2 4500 Solothurn E-Mail: azimmer@hin.ch
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