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FORTBILDUNG
Rehabilitative Interventionen in verschiedenen Krankheitsphasen der Multiplen Sklerose
Serafin Beer
5/2014
Die Multiple Sklerose (MS) ist geprägt durch einen zunehmenden multisystemischen Befall des zentralen Nervensystems mit oft komplexen Störungsbildern und sehr variablem Verlauf. Auch wenn sich durch krankheitsmodifizierende Behandlungen in frühen Krankheitsphasen eine Milderung des Krankheitsverlaufs erreichen lässt, kommt es im Langzeitverlauf dennoch bei einem Grossteil der Personen mit MS (PmMS) zu invalidisierenden funktionellen Störungen mit zunehmenden Einschränkungen in der sozialen Partizipation und der Lebensqualität. Der frühzeitige Einbezug rehabilitativer Interventionen in ein umfassendes Therapiekonzept ist für den Langzeitverlauf wichtig, um frühzeitig drohenden Behinderungen entgegenzuwirken und das Leistungsniveau und die Lebensqualität von PmMS möglichst lange zu erhalten. Die Art, die Modalität und die Intensität rehabilitativer Programme richtet sich nach der Krankheitsphase sowie den funktionellen Einschränkungen und den daraus abgeleiteten Zielen.
von Serafin Beer
Einleitung
D ie Komplexität und die Variabilität des Krankheitsbildes der Multiplen Sklerose (MS) stellt eine enorme Herausforderung dar, um für betroffene Personen ein passendes und für jede Krankheitsphase optimiertes Behandlungskonzept zu finden. Ein umfassendes Langzeitmanagement ist jedoch insbesondere bei der MS, angesichts des frühen Erkrankungsalters (im Mittel um das 30. Lebensjahr) und der langen Krankheitsdauer (rund 40 Jahre ab Krankheitsbeginn), von grosser Bedeutung (1, 2). In frühen Krankheitsphasen kann der Verlauf bei der schubförmig-remittierenden MS (Relapsing Remitting MS, RRMS) zwar durch den Einsatz krankheitsmodifizierender Medikamente signifikant verbessert werden (3), bei einem Grossteil der Betroffenen kommt es jedoch nach 15 bis 20 Jahren zu einem Übergang in eine sekundär-progrediente MS (SPMS) (4), bei welcher die Immuntherapien – wie bei der primärprogredienten MS (PPMS) – kaum beziehungsweise nicht mehr wirksam sind (3, 5, 6). Die Auswirkungen der Behandlungen auf die Behinderungsprogression im Langzeitverlauf sind somit umstritten (6, 7). Die krankheitsmodifizierenden Therapien kommen somit nur einem Teil der gesamten MS-Population während einer beschränkten Krankheitsdauer zugute. Ein Grossteil der Personen mit MS (PmMS) ist während einer langen Krankheitsphase einem Krankheitsprozess unterworfen, welcher über die Jahre mit einer fortschreitenden Akkumulation neuer Läsionen und komplexen Behinderungen einhergeht (8). Auch die pharmakologischen symptomatischen Behandlungen beschränken sich in der Regel nur auf wenige Symptome der MS (Spastik,
Schmerzen, Blasenstörungen) und sind oft von limitierenden Nebenwirkungen begleitet (9). Für andere häufige MS-Symptome (z.B. Schwindel, Ataxie, Paresen, Fatigue, kognitive Defizite) sind keine wirksamen medikamentösen Therapien verfügbar. Dabei sollte bedacht werden, dass für einige Symptome nicht medikamentöse Behandlungsansätze teilweise wirksamer sind. Der Einsatz rehabilitativer Massnahmen ergänzt somit die therapeutischen Möglichkeiten des Langzeitmanagements der MS um wesentliche Aspekte, welche durch alleinige pharmakologische Interventionen nicht abgedeckt werden können.
Rehabilitative Interventionen in frühen und mittleren Krankheitsphasen Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass PmMS körperlich deutlich weniger aktiv sind als nicht betroffene Personen, wobei Betroffene durch die Steigerung der körperlichen Aktivität eine höhere Lebensqualität erreichen (10). Interventionen, welche darauf abzielen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, haben somit einen substanziellen Effekt auf die Funktionalität und die Lebensqualität von PmMS. Bei fehlenden beziehungsweise leichten Behinderungen (EDSS < 3) sind in der Regel bereits eine Instruktion und ein Coaching zum besseren Erhalt und zur Optimierung der physischen Leistungsfähigkeit (z.B. Empfehlungen für körperliche Aktivitäten und Sport, Durchführung eines selbstständigen individuellen Trainings) erfolgreich (11, 12). Dabei besteht heutzutage eine sehr gute Evidenz, dass physische Trainingsprogramme (Krafttraining, Ausdauertraining, aerobes Training) einen positiven Effekt auf die allgemeine kardiovaskuläre Fitness, die körperliche Belastbarkeit, die Fatigue und die Mobilität haben
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Abbildung 1: Krafttraining Ein progressives Krafttraining der Beine ergab eine signifikante Verbesserung der Kraft und der Gehfunktionen, wobei dieser Effekt den Behandlungszeitraum mehrere Monate überdauerte.
Kasten 1:
Symptomorientierte rehabilitative Interventionen
Symptome reduzierte körperliche Aktivität, Dekonditionierung
Paresen Gangstörungen, posturale Stabilität Ataxie
Spastik Blasenstörungen
Fatigue
kognitive Störungen
Uhthoff-Phänomen Depression Schmerzen
Massnahmen Krafttraining Ausdauertraining aerobes Training
Krafttraining Physiotherapie Krafttraining Hippotherapie Koordinationstraining Hippotherapie
Wassertherapie Hippotherapie multidisziplinäre Blasenrehabilitation, Beckenbodentraining multidisziplinäre Rehabilitation Ressourcenmanagement körperliches Training neuropsychologische Interventionen physisches Training Kühlung Kühlwesten psychologische Interventionen Verhaltenstherapie TENS, Wassertherapie
Evidenz Verbesserung der kardiovaskulären Fitness, Ausdauer, Fatigue, Lebensqualität Verbesserung Kraft, Mobilität Verbesserung Gehfunktionen, Gehstrecke, Reduktion Sturzrisiko limitierte Evidenz für positiven Effekt auf Koordination, Rumpfstabilität limitierte Evidenz für Reduktion der Spastik Verbesserung Frequenz, Kontinenz, Reduktion Restharn
Reduktion Fatigue
Verbesserung Aufmerksamkeit, Gedächtnis
funktionelle Verbesserungen, Reduktion Ermüdbarkeit Verbesserung Depression
Schmerzreduktion
(13–16), ohne dass eine anhaltende Verschlechterung der Symptomatik beziehungsweise eine Schubauslösung befürchtet werden muss (17, 18). Daneben scheint sich eine verbesserte physische Fitness auch positiv auf die kognitiven Funktionen auszuwirken (19). Zudem finden sich Hinweise, dass sich körperliches Training positiv auf die kortikale Plastizität auswirken kann (20). Diese
kortikale Reorganisation erlaubt es PmMS, Funktionsdefizite zu kompensieren und ihre Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum zu erhalten (21–23). Diese kompensatorischen Mechanismen nehmen bei zunehmender Läsionslast in späteren Krankheitsphasen ab (24). Die Abnahme der Neuroplastizität im Krankheitsverlauf stellt dementsprechend ein wichtiges Argument für einen möglichst frühzeitigen Beginn rehabilitativer Interventionen dar. Durch die schrittweise Steigerung der Belastung, zumeist beginnend auf einem tiefen bis mittleren Belastungsniveau, werden auch hohe Belastungen gut toleriert (25): dabei ergab ein progressives Krafttraining der Beine eine signifikante Verbesserung der Kraft und der Gehfunktionen, wobei dieser Effekt den Behandlungszeitraum mehrere Monate überdauerte. Ein solches Training scheint auch die zentrale Aktivierung zu steigern (26), was eine Zunahme adaptiver Mechanismen vermuten lässt.
Problem- und symptomorientiert behandeln Rehabilitative Interventionen sollten problem- und symptomorientiert geplant werden (Kasten 1). Während in der frühen Phase der Erkrankung Einschränkungen der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit und eine Dekonditionierung im Vordergrund stehen, kommen im weiteren Verlauf zunehmend spezifische invalidisierende Symptome hinzu, welche eine spezifische assistierte Therapie notwendig machen. Von den PmMS selbst werden insbesondere Einschränkungen der Gehfunktionen als invalidisierend wahrgenommen. Die Mobilität zu erhalten beziehungsweise zu verbessern stellt ein wichtiges Ziel dieser mittleren Krankheitsphase dar. Ein physiotherapeutisches Training führt zu einer Verbesserung der Mobilität, des Gleichgewichts und des Gangs, wobei gleichzeitig eine Reduktion des Sturzrisikos (27) erreicht wird. Ein aerobes Laufbandtraining (mit oder ohne Gewichtsentlastung) kann die Ausdauer und die Geschwindigkeit beim Gehen verbessern (28, 29), was vermutlich durch eine höhere Effizienz und eine verbesserte Belastungstoleranz des Gangs erreicht wird (30). Daneben dürfte sich ein Laufbandtraining auch positiv auf die Lebensqualität und die Fatigue auswirken (31). Die posturale Stabilität und die Rumpfkontrolle kann zusätzlich durch Hippotherapie verbessert werden, mit gleichzeitiger Reduktion der Spastik (32, 33). Eine Wassertherapie kann die Bewegungen paretischer Muskelgruppen erleichtern und sich positiv auf Schmerzen und Spasmen auswirken (34–36). Bei Patienten mit einem Uhthoff-Phänomen können kühlende Massnahmen beziehungsweise Kühlwesten die Ermüdbarkeit, die Muskelkraft und -funktion vorübergehend verbessern (37, 38) und die Tolerabilität eines körperlichen Trainings erhöhen (39). Bei Vorliegen von Blasenstörungen mit Drangsymptomatik sollte neben pharmakologischen Behandlungen ein Beckenbodentraining oder ein individuelles multidisziplinäres Blasenrehabilitationsprogramm durchgeführt werden, welches zu einer signifikanten Verbesserung der Blasensymptome führt (40, 41). Kognitive Verhaltenstherapien und Instruktionsprogramme für ein individuell angepasstes Ressourcenmanagement im Alltag ergaben eine signifikante Reduktion der Fatigue und eine höhere Effizienz im Alltag mit teilweise Verbesserungen in der Lebensqualität (42–44). Da-
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neben können physische Trainingsproramme und multidisziplinäre Rehabilitationsprogramme (45) eine Reduktion der Fatigue bewirken. Durch ein kognitives Training und computerassistiertes Aufmerksamkeitstraining können Aufmerksamkeit und Gedächtnisfunktionen bei PmMS verbessert werden (46, 47). Eine neuere Studie zeigte, dass nach einem kognitiven Rehabilitationsprogramm die positiven Effekte den Behandlungszeitraum einige Monate überdauern (48). Intensität und Frequenz: Die richtige Intensität und Frequenz der Behandlung ist abhängig vom Schweregrad der funktionellen Defizite und von den Zielsetzungen: je schwerer die Einschränkungen und je höher die angestrebten Funktionsverbesserungen, desto höher die notwendige Therapieintensität. In dieser Hinsicht weisen intensive Therapiephasen im stationären oder halbstationären Rahmen über einen limitierten Zeitraum (3–4 Wochen) entscheidende Vorteile auf. Die dabei erreichbare Therapieintensität (mehrere Therapiesitzungen pro Tag) mit regelmässigen Erholungsphasen ermöglicht optimale Trainingsmöglichkeiten mit einem individuellen Belastungsniveau sowie die Möglichkeit einer engmaschigen Kontrolle und allenfalls Adaptation des Therapieprogramms. Ein solches optimiertes Therapiesetting ist ambulant von zu Hause aus aufgrund der Alltagsbelastungen nicht möglich. Neben der Notwendigkeit multimodaler Therapien sind die Optimierung der Intensität und die Erholung während der Therapiephase wichtige Argumente für eine stationäre und multidisziplinäre Rehabilitation. Die enge inter- beziehungsweise transdisziplinäre Organisation während einer solchen multidisziplinären Rehabilitation erlaubt es daneben, eine detaillierte Bestandesaufnahme der Defizite durchzuführen, die eine Basis für die individuellen kurzfristigen Ziele und für die weiteren Empfehlungen der poststationären Phase darstellt. Diese Instruktion und Information der PmMS während einer solchen stationären Rehabilitationsphase ist für einen nachhaltigen Behandlungserfolg mindestens so wichtig wie die unmittelbar durch die spezifischen Therapien erreichten Erfolge (49). Ein ebenso wichtiger Punkt für den Langzeiterfolg ist die Selbsterfahrung der PmMS, dass ein aktives Training trotz ihrer Funktionseinschränkungen möglich ist und zu teilweise erstaunlichen, messbaren Verbesserungen führt. Das widerspricht den Erfahrungen der meisten PmMS im Alltag, da sie oft bereits wegen geringer Belastungen ermüden, sich erschöpft fühlen und deshalb körperliche Anstrengungen eher meiden. Systematische Reviews beschreiben eine sehr hohe Evidenz für die positive Wirkung solch intensiver, multidisziplinärer, stationärer oder ambulanter Rehabilitationsprogramme auf die Aktivitäts- und die Partizipationsebene sowie auf die Lebensqualität (50). Dieser positive Effekt überdauert den Behandlungszeitraum teilweise um mehrere Monate (51). Die beste Evidenz für solche multidisziplinären Rehabilitationsprogramme besteht für Patienten mit progredienter Krankheitsphase (SPMS bzw. PPMS). Einige Studien konnten jedoch auch bei Patienten mit RRMS mit inkompletter Schubremission durch multidisziplinäre Rehabilitation eine bessere und raschere funktionelle Erholung nachweisen (52).
Rehabilitative Interventionen in späteren Krankheitsphasen Spätere Krankheitsphasen sind geprägt von einem progredienten Verlust der Gehfähigkeit mit Rollstuhlabhängigkeit. In dieser Phase sind regelmässige spezifische Therapiemodalitäten in Kombination mit intensivierten, multidisziplinären und stationären Rehabilitationsphasen zum Erhalt der Selbstständigkeit und der Mobilität notwendig. Während frühere Studien die positive Wirkung von Kraft- und Ausdauertraining nur bei wenig behinderten PmMS nachweisen konnten, zeigt sich in einer neueren Studie, dass auch bei schwerer betroffenen PmMS (EDSS 6,5–8,0) ein Ausdauertraining gut toleriert wird und mit genügender Intensität durchgeführt werden kann, um die kardiovaskuläre Fitness auch in dieser Krankheitsphase zu verbessern (53). Das Krafttraining wird hauptsächlich auf die oberen Extremitäten und den Rumpf fokussiert, um den Transfer und die Fortbewegung im Rollstuhl zu erhalten. Ein konventionelles Gangtraining beziehungsweise Laufbandtraining ist bei Patienten mit höheren Gehbehinderungen (EDSS 6,0–7,5) schwierig durchzuführen. Mit einem roboterassistierten Gangtraining kann ein höherer Therapieeffekt erreicht werden, möglicherweise bedingt durch die bessere Adaptation der Belastung und die Unterstützung der Beinbewegung mit längerer effektiver Therapiezeit (54). Die oben beschriebenen adaptiven kompensatorischen Mechanismen sind in späten Krankheitsphasen weniger gut ausgebildet, was teilweise auch den niedrigeren Effekt rehabilitativer Interventionen in sehr viel späteren Krankheitsphasen erklärt (55). Bei schwerstbehinderten, weitgehend bettlägerigen Patienten (EDSS 8–9,5) be-
Abbildung 2: Roboterassistiertes Gangtraining Ein konventionelles Gangtraining beziehungsweise Laufbandtraining ist bei Patienten mit höheren Gehbehinderungen (EDSS 6,0–7,5) schwierig durchzuführen. Mit einem roboterassistierten Gangtraining kann ein höherer Therapieeffekt erreicht werden, möglicherweise bedingt durch die bessere Adaptation der Belastung und die Unterstützung der Beinbewegung mit längerer effektiver Therapiezeit (54).
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Kasten 2:
Rehabilitative Möglichkeiten in verschiedenen Krankheitsphasen
Krankheitsphase (EDSS) 0 bis 2.5 3.0 bis 4.5
5.0 bis 6.0
6.5 bis 7.5
>8
Probleme
keine oder minimal funktionelle Einschränkungen oder Behinderungen, reduzierte physische Aktivität mässig funktionelle Einschränkungen, Paresen, Ataxie, Spastik, beginnende Gangstörungen, Fatigue, evtl. Blasenstörungen mässig funktionelle Einschränkungen, mässige Gangstörungen, spastische Paresen, Koordinationsstörungen, Fatigue, Blasenstörungen, kognitive Einschränkungen
schwere komplexe funktionelle Einschränkungen, schwere Gehbehinderung, zunehmende Einschränkungen obere Extremitäten, u.a.
sehr schwere Behinderungen, Bettlägerigkeit, hohes Risiko für sekundäre Komplikationen (Kontrakturen, Druckstellen, Schluckstörungen, Aspirationen, Osteoporose u.a.)
Ziele Interventionen
Erhalt und Optimierung der
regelmässiges körperliches
körperlichen Fitness,
Training, Instruktion/Coaching
der psychosozialen Leistungsfähigkeit für individuell angepasstes
und der Lebensqualität
Training
Verbesserung der physischen
Physiotherapie, Ausdauertraining,
Leistungsfähigkeit und der Mobilität, aerobes Laufbandtraining,
Verbesserung der MS-Symptome progressives Krafttraining,
evtl. multidisziplinäre Rehabili-
tation, Blasenrehabilitation
Erhalt beziehungsweise Wiederherstellung der Selbstständigkeit der Alltagsfunktionen, Verbesserung der Mobilität und der MS-Symptome
multidisziplinäre Rehabilitation, intensivierte Physiotherapie, Kraft-Ausdauer-Training, Laufbandtraining, funktionelle Ergotherapie, Blasenrehabilitation, Ressourcenmanagement, Evaluation Schienen/ Gehhilfsmittel
Verbesserung beziehungsweise Erhalt der kurzstreckigen Gehfähigkeit, Transfer, Erhalt der Rollstuhlmobilität
multidisziplinäre Rehabilitation, regelmässige Physiotherapie, Standing, Krafttraining, Rollstuhltraining, Laufbandtraining, eventuell roboterassistiertes Gangtraining
Erhalt der Mobilisierbarkeit, Reduktion des Pflegeaufwandes, Vermeidung von Komplikationen
regelmässige Physiotherapie, Stretching, spastikreduzierende Massnahmen, Atem-SchluckTraining, optimierte Pflege, evtl. multidisziplinäre Rehabilitation bei spezifischen Problemen
steht das Hauptziel aus dem Erhalt der Beweglichkeit und der Mobilisierbarkeit sowie aus der Reduktion der Pflegebedürftigkeit und der Prävention von Komplikationen (Kontrakturen, Druckstellen, Schmerzen, respiratorische Probleme). Neben regelmässigen assistierten
Merksätze:
G Aufgrund ihrer hohen Komplexität und ihrer Variabilität ist die MS eine Herausforderung für die Zusammenstellung eines optimal adaptierten Behandlungskonzepts.
G Rehabilitative Interventionen sollten neben den pharmakologischen Therapien von Beginn an integraler Teil eines umfassenden Langzeitmanagements sein, um den PmMS eine möglichst hohe Funktionalität und Lebensqualität zu ermöglichen.
G Den Krankheitsphasen individuell angepasste, problem- und symptomorientierte rehabilitative Interventionen und intensivierte multidisziplinäre Rehabilitationsprogramme tragen entscheidend dazu bei, funktionelle Einschränkungen und Behinderungen zu verringern und damit die Lebensqualität von PmMS zu verbessern.
Therapien ist in dieser Phase insbesondere die Beratung
und die Instruktion der Betreuer entscheidend. MS-Be-
troffene sollten von Beginn an in regelmässigen Abstän-
den reevaluiert werden bezüglich der Notwendigkeit
zur Einleitung beziehungsweise Anpassung rehabilita-
tiver Massnahmen (Kasten 2) (49).
Die Auswirkung rehabilitativer Interventionen auf die Ak-
tivität beziehungsweise die Progression der Erkrankung
bleibt unklar. Zwar ist der positive Effekt einer dreiwöchi-
gen multidisziplinären, stationären Rehabilitation auf die
Behinderung und die Lebensqualität 6 bis 9 Monate über
den Behandlungszeitraum hinaus durch eine Studie von
Freeman und Mitarbeiter (51) belegt, ein positiver Einfluss
auf die Behinderungsprogression (EDSS) konnte jedoch
bis anhin nicht nachgewiesen werden (50). Theoretisch
wären bei MS-Patienten positive Einflüsse eines körperli-
chen Trainings auf die Immunvorgänge und somit auf die
Krankheitsaktivität denkbar (56–58). Diese positiven Aus-
wirkungen liessen sich bis jetzt durch klinische Studien
allerdings nicht belegen (59).
G
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Serafin Beer
Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation
Rehabilitationszentrum
7317 Valens
Telefon: 081-303 14 13, Fax: 081-303 14 36
E-Mail: serafin.beer@kliniken-valens.ch
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