Transkript
Nachgefragt: Gute Adhärenz – weniger Schübe
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Peter Rieckmann, Chefarzt der Neurologischen Klinik Sozialstiftung Bamberg, über die Bedeutung der Adhärenz für die MS-Therapie.
Herr Prof. Rieckmann: Ist mangelnde Adhärenz ein Problem in der MS-Therapie? Prof. Dr. Peter Rieckmann: Die inkonstante oder geringe Adhärenz ist ein Problem bei allen chronischen Erkrankungen, die die Betroffenen nicht unmittelbar spüren. Das trifft auf die Multiple Sklerose ebenso zu wie auf andere Autoimmunerkrankungen oder beispielsweise auf Epilepsie oder sogar Diabetes mellitus. Bei diesen Erkrankungen sind die Patienten nur dann adhärent, wenn man sie überzeugen kann, dass die Therapietreue eine Investition in die Zukunft ist.
Gibt es hinsichtlich der Adhärenz Unterschiede zwischen oraler Medikamenteneinnahme und Injektionen? Es macht einen gewissen Unterschied, ob ein Medikament oral eingenommen oder injiziert wird. Bei oraler Einnahme ist die Adhärenz interessanterweise schlechter. Patientenbefragungen zeigen, dass der häufigste Grund für die Nicht-Einnahme von Medikamenten das Vergessen ist. Offenbar vergisst man eine Tablette leichter als eine Injektion. Im Falle der Injektionen wird häufig Injektionsmüdigkeit als Grund für mangelnde Adhärenz angegeben. Dieses Problem tritt in der Regel nach längerer Therapiedauer auf.
Was kann man denn tun, um die Therapietreue zu verbessern? Man sollte den Patienten gleich zu Beginn der Therapie deren Sinnhaftigkeit genau erklären. Am besten ist es, bei jeder Gelegenheit auf den präventiven Charakter der Behandlung hinzuweisen. Ich bespreche mit den Patienten genau ihre Befunde und weise bei dieser Gelegenheit auch immer darauf hin, dass die erreichten Erfolge eben nur dann von Dauer sein können, wenn die Medikamente auch eingenommen beziehungsweise injiziert werden.
Wie wirkt sich mangelnde Adhärenz auf den Therapieerfolg aus? Wie viel Adhärenz ist notwendig für bestmögliche Ergebnisse? Adhärenz spielt eine enorm wichtige Rolle. Man hat verglichen, wie sich eine Therapietreue von 80 Prozent gegenüber einer Adhärenz von 70 Prozent auf den Therapierfolg auswirkt, und hat bei ersterer eine niedrigere Schubrate gefunden. Dazu ist anzumerken, dass 80 Prozent Adhärenz bei der MS schon eine recht gute Therapietreue bedeuten.
Peter Rieckmann
Spielt eine bei MS-Patienten häufige leichte kognitive Beeinträchtigung hier eine Rolle? Alltagsrelevante kognitive Einschränkungen sind bei MS-Patienten meist nur gering ausgeprägt, haben aber einen deutlichen Einfluss auf die Lebensqualität. Sie können die Leistungen oft nur verzögert abrufen und brauchen daher etwas mehr Zeit, um die Zusammenhänge zu verstehen. Aber natürlich ist jede Massnahme, die hilft, den Patienten an die Injektion zu erinnern, hilfreich. Hier werden die sogenannten Smart Devices in Zukunft sicher eine wichtige Rolle spielen.
Bringen moderne Technologien hier Hilfe? Ja. Moderne Injektionshilfen wie RebiSmart® erinnern den Patienten nicht nur an die Injektion, sondern dokumentieren sowohl die Quantität als auch die Qualität der Injektionen. Das Device zeichnet die Injektionstiefe auf und auch, ob die Injektion komplett durchgeführt wurde. Diese Daten kann man dann gemeinsam mit dem Patienten auslesen und besprechen. In Zukunft wird man auch weitere Daten zum Therapieerfolg, wie zum Beispiel die Lebensqualität oder Müdigkeit im Sinne eines Tagebuchs über das Device erheben. Langfristig hoffen wir, auf diesem Weg ein genaueres Bild des individuellen Krankheitsverlaufs zu bekommen.
Das Interview führte Reno Barth.
Quelle: Dieses Interview erschien im «CongressSelection Neurologie» vom 16. Oktober 2014 im Rahmen eines Sonderreports der Firma Merck Serono.
&12 5/2014
PSYCHIATRIE NEUROLOGIE