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PRAXISERFAHRUNGSBERICHT
Die Schweizer Praxiserfahrung VALID-SWISS: Wirksamkeit und Verträglichkeitsprofil von Agomelatin bei Patienten mit depressiven Störungen
The Swiss non-interventional clinical observation VALID-SWISS : efficacy and tolerance profile of Agomelatine by patients with depressive disorders
Edith Holsboer-Trachsler und Guido Bondolfi
Zusammenfassung VALID-SWISS (VALdoxan® In Depression – Switzerland) wurde als 24-wöchiger, nichtinterventioneller Praxiserfahrungsbericht (PEB) im Praxisalltag von Schweizer Psychiatern und in psychiatrischen Klinikambulanzen anlässlich der Behandlung von Erwachsenen mit schweren depressiven Störungen durchgeführt. Es wurden Wirksamkeit, Compliance und Verträglichkeit des Antidepressivums Agomelatin untersucht. Die Wirksamkeit von Agomelatin wurde anhand der Montgomery-Åsberg-Depression-Rating-Skala (MADRS) sowie der Clinical-Global-Impression-(CGI)-Bewertungsskalen evaluiert. Die Verträglichkeit wurde anhand von Berichten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) bewertet. Eine Zwischenanalyse (n = 515) zeigte eine deutliche Verbesserung des Krankheitsschweregrads. Die depressive Symptomatik verringerte sich vom Beginn der Therapie (MADRSScore 29,1 ± 8,1) bis zu den Untersuchungszeitpunkten nach 2 Wochen (MADRS-Score 22,5 ± 9,3), nach 12 Wochen (12,7 ± 9,6) und
Im Artikel verwendete Abkürzungen:
ALT Alanintransaminase
AST Aspartattransaminase
CGI-I Clinical-Global-
Impression-Improvement
CGI-S
Clinical-Global-
Impression-Severity
MADRS
Montgomery-Åsberg-
Depression-Rating-Skala
MDD
Major Depressive Disorder
PEB Praxiserfahrungsbericht
UAW Unerwünschte
Arzneimittelwirkung
VALID-SWISS VALdoxan® In Depression –
Switzerland
Un Untersuchung n (Besuch n)
Wn Woche n
nach 24 Wochen (10,2 ± 9) signifikant. Nach 12 und 24 Wochen erreichte die Responderrate 66,9 Prozent bzw. 77,4 Prozent. Die Remissionsrate (MADRS ≤ 12) erhöhte sich von 54,5 Prozent nach 12 Wochen auf 69,6 Prozent nach 24 Wochen. Auch bei den schwer depressiven Patienten (MADRS ≥ 30 und CGI-S ≥ 5) zeigte sich eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Die Response- und Remissionsraten wurden auch mit dem CGI beobachtet und waren mit denen des MADRS-Scores vergleichbar. Bei den «Early Improvers» (MADRS-Score-Reduktion von ≥ 20% nach 2 Wochen) fand sich eine erhöhte Response- und Remissionsrate nach 6, 12 und 24 Wochen. Nach 6 Monaten beurteilten die Ärzte die Wirksamkeit von Agomelatin als «gut oder sehr gut» bei 84 Prozent der Patienten und die Verträglichkeit von Agomelatin als «gut oder sehr gut» bei 97 Prozent der Patienten. Diese Zwischenanalyse lieferte Hinweise auf die Wirksamkeit und Sicherheit von Agomelatin unter Praxisbedingungen und bestätigte, dass die in klinischen Studien berichteten Vorteile auch im Praxisalltag beobachtet werden können. Schlüsselwörter: Depression, Agomelatin, Beobachtung, Praxisalltag
Einleitung Depressionen tragen wesentlich zu direkten und indirekten Kosten der Gesundheit bei und wurden als eine der führenden Ursachen für Behinderungen bei Männern und Frauen identifiziert (1). Für die Schweiz wurden Folgekosten affektiver Störungen bei Personen im erwerbsfähigen Alter von über 11 Milliarden Franken errechnet, wiederum mehrheitlich bedingt durch Fehlen am Arbeitsplatz und verringerte Produktivität (2). In der Schweiz berichten rund 20 Prozent der Bevölkerung von depressiven Symptomen, und schätzungsweise jede vierte bis fünfte Person ist im Verlauf ihres Lebens von einer schweren Depression betroffen (3). Für eine optimale Behandlung spielt das Nebenwirkungsprofil des Antidepressivums (AD) neben der guten Wirksamkeit eine entscheidende Rolle, da es die Compliance gefährden kann (4, 5).
Agomelatin (Valdoxan®) ist ein neues einzigartiges Antidepressivum, das einerseits als Agonist auf melatonerge MT1/MT2-Rezeptoren und andererseits als selektiver Antagonist auf serotonerge 5-HT2C-Rezeptoren wirkt (6, 7). Pharmakologische Studien konnten zeigen, dass diese synergistische Wirkung zu kombinierten antidepressiven, anxiolytischen und chronobiologischen Effekten mit einem vorteilhaften Verträglichkeitsprofil führt (7–9). Agomelatin hat keine Affinität zu anderen Rezeptoren und erhöht insbesondere den Serotoninspiegel nicht, dessen Anstieg bei vielen Antidepressiva oft Ursache für zahlreiche Nebenwirkungen ist. Es wurden keine klinisch relevanten Veränderungen der Vitalparameter, des Gewichts oder kardiovaskulärer Parameter inklusive EKG sowie sexueller Funktionen beobachtet. Des Weiteren traten unter Agomelatin keine Absetzsymptome auf (9). In kontrollierten Studien bei depressiven Patienten wurden die rasche antidepressive Wirksamkeit von Agomelatin (8, 10), die frühe Verbesserung der Angstgefühle (11) sowie erneutes Empfinden von Freude und Interesse (12, 13) ab Behandlungsbeginn beobachtet. Die antidepressive Wirksamkeit von Agomelatin zeigte sich bei allen Schweregraden der Depression und beim gesamten Spektrum der Symptome (14–18, 9). VALID-SWISS (VALdoxan® In Depression – Switzerland) ist eine nichtinterventionelle Beobachtungsstudie mit dem primären Ziel, Wirksamkeit, Verträglichkeit und Compliance von Agomelatin im Praxisalltag von Schweizer Psychiatern zu bewerten. Diese Publikation fasst die Ergebnisse einer Zwischenauswertung zusammen.
Methode Patienten Die multizentrische, nichtinterventionelle, prospektive klinische Beobachtungsstudie VALIDSWISS wurde durchgeführt, um Daten in der klinischen Praxis im Rahmen eines Praxiserfahrungsberichts (PEB) in der Schweiz zu sammeln. Der PEB wurde in Übereinstimmung mit der schweizerischen Gesetzgebung sowie den
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Anforderungen der kantonalen Ethikkommissionen durchgeführt. Insgesamt nahmen an diesem Projekt 240 Fachärzte in eigener Praxis und in psychiatrischen Krankenhäusern der ganzen Schweiz teil. Es handelte sich um ambulant behandelte erwachsene Patienten mit depressiver Erkrankung. Insgesamt rund 1000 Patienten füllten die Berichte aus; die 515 ersten Patienten wurden in die Interimsanalyse einbezogen. Es wurden folgende Patienten eingeschlossen: Patienten ohne Antidepressiva mit erster depressiver Episode; Patienten mit wiederkehrenden, innerhalb der letzten 3 Monate nicht medikamentös behandelten Episoden; depressive Patienten, bei denen die Therapie wegen unzureichender Wirksamkeit und/oder Unverträglichkeit umgestellt wurde; Patienten mit Kombinationstherapie.
Beobachtungsablauf Der Beobachtungsplan sah vor, dass die Behandlung zu 4 Zeitpunkten (Besuche U1, U2, U3, U4) im Rahmen der Standardbehandlung depressiver Patienten dokumentiert wurde. Zu
Beginn wurde zum Zeitpunkt U1 (Baseline) die Therapie mit 25 mg Agomelatin eingeleitet. U2, U3 und U4 wurden als Standardkontrollen etwa 2, 6 und 12 Wochen nach Therapiebeginn mit Agomelatin durchgeführt. Ein freiwilliger Follow-up (U5) wurde 24 Wochen nach U1 empfohlen. Die Berichte einschliesslich validierten Fragebogens wurden in der Sprache der Patienten verfasst. Der Beobachtungsablauf ist in Tabelle 1 dargestellt.
Wirksamkeit Die Wirksamkeit von Agomelatin wurde anhand einer Version der 10-Punkte-Montgomery-Åsberg-Depression-Rating-Skala (MADRS, [19]) zu allen Zeitpunkten beurteilt. Der Schweregrad der Depression gemäss MADRSGesamtwerten wurde wie folgt gruppiert: 0–12 (nicht krank/in Remission); 13–21 (leicht krank); 22–29 (mässig krank) und 30–60 (schwer krank). Eine Reduktion der MADRS-Gesamtwerte um ≥ 50% wurde als Ansprechen (Response), und MADRS-Gesamtwerte ≤ 12 wurden als Remission definiert. «Schwer» depressive Patienten wurden mit einer Baseline
MADRS-Gesamtwerte ≥ 30 und CGI-S ≥ 5 definiert. «Early Improvers» waren depressive Patienten mit einer Reduktion von ≥ 20% der MADRS-Gesamtwerte nach 2 Behandlungswochen (U2). Andere Instrumente zur Bewertung der Wirksamkeit waren die 7-stufige Skala Clinical Global Impression Severity (CGI-S) (1 = normal; 2 = Grenzfall; 3 = leicht; 4 = mässig krank;, 5 = deutlich krank; 6 = stark krank und 7 = extrem krank) und die 7-stufige Skala CGI-Improvement (CGI-I) (1 = sehr stark verbessert; 2 = stark verbessert; 3 = minimal verbessert; 4 = keine Änderung; 5 = minimal verschlechtert; 6 = stark verschlechtert; 7 = sehr stark verschlechtert) (20). CGI-I-Werte ≤ 2 wurden als Response und CGI-S-Werte ≤ 2 als Remission bewertet. Die teilnehmenden Ärzte wurden gebeten, die Wirksamkeit von Agomelatin (schlecht, mässig, gut, sehr gut) anlässlich U2 bis U5 zu bewerten.
Verträglichkeit Die Verträglichkeit von Agomelatin wurde anhand der Beurteilung unerwünschter Arznei-
Tabelle 1: Beobachtungsablauf
Erhobene Parameter
Eingangsbesuch (U1)
Kontrolle (U2) (nach ca. 2 Wochen)
Schriftliche Einverständniserklärung Demografische Daten Psychiatrische Anamnese und Diagnose der Depression Neuropsychiatrische Begleiterkrankungen Somatische Begleiterkrankungen Bisherige Behandlungen Sonstige Begleitbehandlungen Profil der mit Agomelatin behandelten Patienten Gründe für die Wahl von Agomelatin Therapie mit Agomelatin Wirksamkeit: MADRS-Skala Wirksamkeit: Beurteilung des Schweregrads der Erkrankung (CGI-S) Wirksamkeit: Gesamtbeurteilung der Zustandsänderung (CGI-I) Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) Laborparameter (Leberenzyme) Änderung der antidepressiven/ psychotropen Behandlung Gewicht Sexuelle Störungen Teilnahme am Follow-up? Beurteilung der Behandlung mit Agomelatin Anzahl Patienten
X (nicht zwingend)
X X
X
X X X X
X XX XX X
X
X
XX X
X X
X
515 498
Kontrolle (U3) (nach ca. 6 Wochen)
X X X X X X
X 427
Abschlussuntersuchung (U4) (nach ca. 12 Wochen)
Optioneller Follow-up-Besuch (U5) (nach ca. 24 Wochen)
XX XX
X
XX
XX
XX XX
XX XX X XX
419 235
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Tabelle 2: Baselinedaten
Charakteristik Geschlecht
Männer Frauen Total Alter (Jahre) Männer (n = 191) Frauen (n = 301) Total (n = 494) Altersgruppen (Jahre) 18–25 26–35 36–45 46–55 56–64 > 64 Total Body-Mass-Index (kg/m2) Männer (n = 185) Frauen (n = 278) Total (n = 465) Erwerbsstatus Berufstätig In Rente Arbeitslos Student Andere Ambulanter Aufenthalt
Dauer der aktuellen Depression < 1 Jahr ≥ 1 Jahr
Diagnose Erste depressive Episode Wiederkehrende Episode
Suizidversuche in der Anamnese Männer Frauen Total
Raucher
Somatische Komorbiditäten (Top 3) Hypertonie Andere (nicht spezifiziert) Rheumatische Erkrankungen
Neuropsychiatrische Komorbiditäten (Top 3) Schlafstörungen Angst-/Panikstörungen Drogenmissbrauch
Vor- und aktuelle Behandlung mit Antidepressiva SSRI SNRI SARI NaSSA TZA NDRI Phytotherapeutika MAO-Hemmer Andere Antidepressiva
Angaben/Werte n (%) 206 (40,0) 307 (59,6) 515 (100) Mittelwert ± SD (Bereich) 45,1 ± 11,5 (19–77) 45,9 ± 12,0 (18–76) 45,6 ± 11,8 (18–77) n (%) 31 (6,3) 67 (13,6) 140 (28,3) 148 (30) 92 (18,6) 16 (3,2) 515 (100) Mittelwert ± SD (Bereich) 26,17 ± 4,29 (18,7–47,3) 25,61 ± 5,42 (15,2–47,3) 25,83 ± 4,99 (15,2–47,3) n (%) 235 (47,6) 89 (18) 87 (17,6) 11 (2,2) 72 (14,6) n (%) 507 (99,4) n (%) 434 (84,3) 81 (15,7)
153 (30,6) 347 (69,4) n (%) 25 (12,1) 46 (15,0) 71 (13,8) n (%) 125 (24,3) n (%) 68 (13,2) 58 (11,3) 42 (8,2) n (%) 307 (59,6) 158 (30,7) 71 (13,8) n (%) 166 (32,2) 102 (19,2) 54 (10,5) 48 (9,3) 41 (8,0) 21 (4,1) 16 (3,1) 3 (0,6) 30 (5,8)
SSRI = Selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (z.B. Citalopram); SNRI = Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (z.B. Venlafaxin); SARI = Serotonin-Antagonist/Reuptake Inhibitor (z.B. Trazodon) ; NaSSA = Nordradrenergic and specific Serotonergic Antidepressant (z.B. Mirtazapin); TZA = Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (z.B. Imipramin); NDRI = Selektiver Noradrenalin- und Dopamin- Wiederaufnahme-Hemmer (z.B. Bupropion) ; Phytotherapeutika = Pflanzliche Antidepressiva (z.B. Johanniskrautextrakte) ; MAO-Hemmer = Monoaminooxidase-Hemmer (z.B. Moclobemid)
mittelwirkungen (UAW) bewertet. Im Rahmen der empfohlenen Standardüberwachung wurden Leberfunktionstests (Aspartat-[AST] und Alanintransaminasen [ALT]) durchgeführt (21). Patientenberichte über sexuelle Dysfunktion und Gewichtsänderungen wurden dokumentiert. Die Bewertung der Verträglichkeit von Agomelatin (schlecht, mässig, gut, sehr gut) erfolgte anlässlich U2 bis U5 durch den Arzt.
Statistik Diese Interimsanalyse basiert auf 515 individuellen PEB. Die Ergebnisse wurden anhand deskriptiver Statistik und von Häufigkeitstabellen bewertet. Eine wiederholte Kovarianzanalyse (ANCOVA) wurde durchgeführt, um die Effekte der Messzeitpunkte, des Geschlechts und der Baselinewerte auf MADRS- und CGI-S-Scores zu untersuchen.
Resultate Demografie und Baselinedaten Insgesamt 515 Patienten (40% Männer, 60% Frauen; 80% D-CH; 13% F-CH und 7% I-CH) füllten die Berichte aus und wurden in die Interimsanalyse einbezogen. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer betrug 45,6 ± 11,8 Jahre. 99 Prozent waren ambulante Patienten, und mehr als 50 Prozent der eingeschlossenen Patienten wurden als «schwer depressive Patienten» (MADRS-Gesamtwerte ≥ 30 und CGI ≥ 5) definiert. In der Anamnese dokumentierten die Ärzte durchschnittlich 4,2 depressive Episoden. 56,7 Prozent der Patienten erhielten Agomelatin als Monotherapie, 43,3 Prozent in Kombination mit anderen Psychopharmaka. 99 Prozent der Patienten begannen mit 25 mg Agomelatin. Die häufigsten neuropsychiatrischen Begleiterkrankungen bei Baseline waren Schlafstörungen (60%) und Panik-/Angststörung (31%). Die Demografie und Baselinedaten sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Compliance 419 (81%) von 515 Patienten wurden bis zur 12. Woche (U4) beobachtet, und 235 (46%) Patienten konnten bis zum fakultativen Followup U5 (24. Woche) beobachtet werden. Die Anzahl Patienten pro Besuch ist in Tabelle 1 gezeigt.
Wirksamkeit Der durchschnittliche MADRS-Gesamtscore bei U1 betrug 29,1 ± 8,1 (Median 29, Bereich 6 bis 49); 12,7 ± 9,6 bei U4 und 10,2 ± 9 bei U5. Nach 2 Wochen nahm der MADRS-Gesamtscore der gesamten Studienpopulation um mehr als 6 Punkte (22,5 ± 9,3) ab und verringerte sich regelmässig von U2 bis U5. Bei der Subgruppe der «schwer depressiven Patienten» (MADRS ≥ 30 und CGI ≥ 5) sank der MADRS-Gesamtscore von 35,9 ± 4,5 (U1) auf 27,7 ± 8,3 (U2), 15,5 ± 10,5 (U4) und 11,9 ± 10,0 (U5). Bei den «Early Improvers» (MADRS-Re-
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duktion ≥ 20% bei U2) verringerte sich der MADRS-Gesamtscore von 28,59 ± 7,69 (U1) bis auf 16,90 ± 7,13 (U2), 12,61 ± 7,70 (U3), 10,03 ± 8,02 (U4) und 7,44 ± 7,0 (U5) (Abbildung 1a). Bei U2 wurden 13,9 Prozent der Patienten (MADRS ≤ 12), bei U3 34 Prozent, bei U4 55,3 Prozent und bei U5 69,8 Prozent als in Remission eingestuft. Der Anteil schwer depressiver Patienten (MADRS ≥ 30) sank gegenüber der Baseline von 49,7 Prozent auf 22,5 Prozent bei U2, 8,6 Prozent bei U3, 7,1 Prozent bei U4 und 3,2 Prozent bei U5 (Daten nicht aufgeführt). Die Analyse verschiedener individueller MADRS-Items (der Score jedes Items variiert von 0–6) wie sichtbare Traurigkeit, berichtete Traurigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und innere Spannung zeigte eine Abnahme von 3,4 bei U1 auf 2,6 bei U2. Nach 24 Wochen erreichten diese individuellen MADRS-Items die Werte von 1,1 (sichtbare Traurigkeit) und 1,0 (berichtete Traurigkeit). Der Wert für die Konzentrationsschwierigkeiten sank von 3,2 bei U1 auf 1,2 bei U5 (Abbildung 1b). 14,4 Prozent der Patienten wurden als Responder (Reduktion der MADRS-Gesamtwerte ≥ 50%) bei U2 eingestuft. Bei U4 erhöhte sich die Responderrate auf 66,9 Prozent und auf 77,4 Prozent bei U5. Die Remissionsrate (MADRS ≤ 12) erhöhte sich auf 54,5 Prozent bei U4 und auf 69,6 Prozent bei U5 (Abbildung 2a). Im Vergleich zur gesamten Studienpopulation zeigte die Gruppe bei den «Early Improvers» (MADRS-Reduktion ≥ 20% bei U2) bei jedem weiteren Besuch höhere Responderraten: 64,8
a
Abbildung 1a: Veränderung des MADRS-Gesamtscores zu 4 Zeitpunkten bei der Gesamtpopulation, bei den «schwer depressiven Patienten» und bei den «Early Improvers»; W = Woche; (Un) = Besuch n; *: p < 0,0001
Prozent bei U3 (gegenüber 41,6% der Gesamtpopulation), 78,5 Prozent bei U4 (gegenüber 66,9% der Gesamtpopulation beim gleichen Besuch) und schliesslich 87,5 Prozent bei U5 (während nur 77,4% der Patienten der Gesamtpopulation als Responder eingestuft wurden). Eine erhöhte Remissionsrate bei den «Early Improvers» wurde ebenfalls beobachtet (Abbildung 2b). Basierend auf der deskriptiven statistischen Auswertung der CGI-S-Skala wurden 70,6 Prozent der Patienten als deutlich, schwer oder
extrem krank (CGI-S ≥ 5) bei U1 beurteilt (Abbildung 3). Diese Rate sank auf 20,1 Prozent bei U4 und auf 13,6 Prozent bei U5. Des Weiteren nahmen die Response- und Remissionsraten nach jedem Besuch zu. 15,5 Prozent der Patienten wurden als Responder (CGI-I ≤ 2) bei U2 beurteilt. Dieser Anteil erhöhte sich auf 59,4 Prozent bei U4 und auf 70,1 Prozent bei U5. Die Remissionsraten (CGI-S ≤ 2) stiegen von 27,8 Prozent (U4) auf 44,8 Prozent (U5).
b
Abbildung 1b: Veränderung des MADRS-Scores der verschiedenen individuellen MADRS-Items; W = Woche; (Un) = Besuch n
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Patienten (%) Patienten (%)
100
90
80
70
60
50
40
30
20 14,4 12,2
10
0
a W2 (U2)
Gesamtpopulation (MADRS)
41,6 33,7
66,9 54,5
77,4 69,6
W6 (U3) Responder
W12 (U4)
W24 (U5)
in Remission
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
b
28,3 23,5
W2 (U2)
Early Improvers (MADRS)
64,8 52,4
78,5 65,2
87,5 77,1
W6 (U3) Responder
W12 (U4)
W24 (U5)
in Remission
Abbildung 2: Response- und Remissionsraten gemäss MADRS-Gesamtscores (Response = Verbesserung ≥ 50%; Remission ≤ 12 MADRS) bei der Gesamtpopulation (Abbildung 2a) und bei den «Early Improvers» (Abbildung 2b); W = Woche; (Un) = Besuch n; *: p < 0,0001
Bei der Abschlussuntersuchung (nach 12 Wochen) beurteilten die Ärzte die Wirksamkeit von Agomelatin bei 71 Prozent der Patienten auf einer vierstufigen Skala als «gut/sehr gut». Dieser Anteil erhöhte sich nach 24 Wochen (U5) auf 84 Prozent (Abbildung 4). Die Resultate waren statistisch signifikant. Allerdings gab es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Verträglichkeit Die Verträglichkeit wurde von nahezu allen Ärzten (91% bei U4 und 97% bei U5) als «gut» oder «sehr gut» bewertet. 298 UAW wurden bei 160 Patienten beobachtet. Die drei häufigsten UAW waren Schwindel (5,2%), Übelkeit (5,2%) und Kopfschmerzen (5%). Es traten keine unerwarteten UAW auf. Die Leberenzymwerte (ALT, AST) wurden zu jedem Zeitpunkt untersucht (Tabelle 3). Bei U1 hatten 70 Prozent der Psychiater die Transaminasenwerte gemessen. Die Transaminasenwerte erhöhten sich durchschnittlich nicht zwischen U1 (ALT = 25,37 ± 17,98 U/l; AST = 25,26 ± 17,60 U/l) und U5 (ALT = 25,75 ± 12,74 U/l; AST = 26,20 ± 24,72 U/l). Der Anteil an Patienten mit Werten, die ≥ 3 x über dem oberen Normwert lagen, war sehr gering (maximum 1,3%).
Der Body-Mass-Index änderte sich nicht von U1 (25,83 ± 4,99) zu U5 (25,87 ± 4,16). Die Frequenz der selbst berichteten sexuellen Dysfunktion sank von 29,6 Prozent bei U1 auf 3,1 Prozent bei U5.
Diskussion In kontrollierten klinischen Studien und direkten Vergleichsstudien mit verschiedenen SSRI und SNRI sind die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Agomelatin in der Behandlung der unipolaren Depression gut belegt (5, 10, 9, 22–25). Der Praxiserfahrungsbericht VALIDSWISS bestätigt die globale antidepressive Wirksamkeit und die Sicherheit für Agomelatin in der ambulanten Behandlung von depressiven Patienten unter alltäglichen Bedingungen. Mehr als 50 Prozent der eingeschlossenen Patienten waren «schwer depressiv» (Baseline mit MADRS-Gesamtscore ≥ 30 und CGI ≥ 5). Die ausgeprägte Reduktion der MADRS-Gesamtwerte von Behandlungsbeginn bis zum Ende der Therapie weist darauf hin, dass Agomelatin auch bei schwer depressiven Patienten gut wirksam ist. Der Schweregrad der Krankheit verringerte sich gemäss MADRS-Gesamtscore mit zunehmender Dauer der Agomelatintherapie. Dies deutet auf eine anhal-
tende Wirksamkeit hin, welche bis zu 24 Wochen beobachtbar war und durch den Anstieg der Response- und Remissionsraten während der Therapiedauer bekräftigt wird. Die Verbesserung war schon ab der zweiten Woche (U2) zu beobachten, was auf ein schnelles Einsetzen der klinischen Wirkung bei vielen Patienten hinweist. Ein ähnlicher Verbesserungsverlauf der Depression wurde auch anhand der CGI-S- und CGI-I-Skalen beobachtet. Dieser klinische Nutzen wurde bereits in mehreren Studien berichtet (5, 18, 9). Im Vergleich mit der ganzen Stichprobe sind die Response- und Remissionsraten der «Early Improvers» (MADRSReduktion ≥ 20% bei U2) erhöht. Diese Resultate deuten darauf hin, dass eine frühe Response mit Agomelatin in den ersten zwei Wochen für eine spätere Remission prädiktiv sein könnte. Die Häufigkeit der UAW (31%) in VALID-SWISS war deutlich geringer als die in klinischen Studien mit Antidepressiva beobachtete Frequenz (bis 75,1%) (8, 9). Es traten keine neuen unerwarteten Arzneimittelwirkungen auf. Zwei der am häufigsten mit Antidepressiva assoziierten UAW sind Gewichtszunahme und sexuelle Funktionsstörungen, was häufig zu verminderter Therapietreue führt (26). In der
Tabelle 3: Lebertransaminasenwerte bei Einschluss und im Verlauf der Beobachtung
Kategorie
Anzahl ALT-Messungen ALT ≤ obere Norm ALT > obere Norm, < 3 x obere Norm ALT ≥ 3 x obere Norm
Anzahl AST-Messungen AST ≤ obere Norm AST > obere Norm, < 3 x obere Norm AST ≥ 3 x obere Norm
Baseline (U1) n (%) 358 (70%) 327 (91,3%) 28 (7,8%) 3 (0,8%) 355 (69%) 332 (93,5%) 21 (5,9%) 2 (0,6%)
W2 (U2) n (%) 236 (47%) 213 (90,3%) 21 (8,9%) 2 (0,8%) 232 (47%) 213 (91,8%) 16 (6,9%) 3 (1,3%)
W6 (U3) n (%) 222 (52%) 206 (92,8%) 16 (7,2%) 0 220 (52%) 204 (92,7%) 14 (6,4%) 2 (0,9%)
ALT: Alanintransaminase; AST: Aspartattransaminase
W12 (U4) n (%) 207 (49%) 185(89,4%) 21 (10,1%) 1 (0,5%) 208 (50%) 194 (93,3%) 14 (6,7%) 0
W24 (U5) n (%) 106 (45%) 91 (85,8%) 15 (14,2%) 0 105 (45%) 94 (89,5%) 10 (9,5%) 1 (1,0%)
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W24 (U5) 2 14
W12 (U4) 9
20
W6 (U3) 8
27
Wirksamkeit
44 41 49
40 30 17
schlecht mässig gut sehr gut
Abbildung 3: Veränderung des Schweregrads der Krankheit gemäss CGI-S. W = Woche; (Un) = Besuch n; Remission (CGI-S ≤2)
W2 (U2) 15
47
29 9
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Abbildung 4: Beurteilung der Wirksamkeit von Agomelatin durch die teilnehmenden Ärzte auf einer vierstufigen Skala. W = Woche; (Un) = Besuch n
klinischen Praxis wurde eine sechsmonatige Medikamentenadhärenz von 12,4 Prozent bis 33,6 Prozent beschrieben (4). Die VALID-SWISSDaten zeigen abnehmende Raten von selbst berichteten sexuellen Dysfunktionen bei längerer Therapiedauer mit Agomelatin und keine Gewichtsveränderung. Die Abwesenheit von negativen Auswirkungen auf Körpergewicht und sexuelle Funktion sind wichtige, begünstigende Faktoren für eine bessere Einhaltung der Therapie. Ergebnisse von kontrollierten klinischen Studien zeigten ein geringes dosisabhängiges Risiko für erhöhte AST- und ALT-Spiegel (AST-ALT ≥ 3 x höher als der obere Normbereich; Agomelatin 25 mg: 1,4%, Agomelatin 50 mg: 2,5%, Plazebo: 0,6%), welche sich gewöhnlich nach Absetzen normalisierten. Um die Bedeutung eines Transaminaseanstiegs in der täglichen Praxis zu bewerten, fanden spezifische Laborkontrollen statt. In den VALID-SWISS-Daten erhöhten sich die Transaminasenwerte durchschnittlich nicht. Der Anteil an Patienten mit Werten, die ≥ 3 x über dem oberen Normwert lagen, war sehr gering und bestätigte gleichfalls die Daten von klinischen Studien und von anderen weltweit durchgeführten nichtinterventionellen Studien mit Agomelatin (27–29). Nach sechs Monaten beurteilten die teilnehmenden Ärzte im Praxisalltag die Wirksamkeit von Agomelatin bei 84 Prozent der Patienten und die Verträglichkeit von Agomelatin bei 97 Prozent der Patienten als «gut» oder «sehr gut». VALID-SWISS bekräftigt in dieser Interimsanalyse Hinweise auf gute Wirksamkeit, Sicherheit und Compliance von Agomelatin unter naturalistischen Praxisbedingungen. Die in klinischen Studien berichteten Vorteile wie schnelles Einsetzen der klinischen Wirkung, lang anhaltende Wirksamkeit und günstiges Verträglichkeitsprofil (9, 30, 31) sind auch im Praxisalltag zu sehen. Dies deutet darauf hin, dass Agomelatin eine wichtige Ergänzung für die aktuellen antidepressiven Behandlungsmöglichkeiten in der Schweiz darstellt und bei allen Schweregraden der Depression, wie in den Schweizer Richtlinien empfohlen (32), einge-
setzt werden könnte. Die Ergebnisse der nicht-
interventionellen Studie VALID-SWISS bestäti-
gen die zuvor in klinischen Studien mit Agome-
latin belegte antidepressive Wirksamkeit sowie
die gute Verträglichkeit und die hohe Compli-
ance bei einer grossen und heterogenen Pa-
tientenpopulation im Praxisalltag.
G
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK)
Zentrum für Affektive-, Stress- und
Schlafstörungen (ZASS)
Wilhelm Klein-Strasse 27
4012 Basel
Schweiz
Tel. 061-325 50 95
Fax 061-325 55 13
E-Mail edith.holsboer@upkbs.ch
Persönliche und finanzielle Verbindungen:
E. Holsboer-Trachsler: Beratertätigkeit bei Servier (Suisse) S.A.
G. Bondolfi: keine.
Bibliografie:
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1/2014
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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