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Die Behandlung der Alkoholabhängigkeit
Die Alkoholabhängigkeit verursacht gravierende körperliche, psychische und soziale Probleme. Meist wird sie erst spät als solche erkannt, was eine erfolgreiche Behandlung erschwert. Eine frühe Erkennung und Behandlung wäre wünschenswert, um Folgeprobleme zu verringern. Der Artikel soll evidenzbasierte Behandlungsmethoden sowie die therapeutische Haltung gegenüber Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit aufzeigen.
Sandra Müller Gerhard Wiesbeck
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von Sandra Müller und Gerhard Wiesbeck
D ie Alkoholabhängigkeit ist eine chronisch rezidivierende psychische Erkrankung, die sich schleichend über Jahre hinweg entwickelt und mit einer hohen Rückfälligkeit einhergeht. In der Schweiz schätzt man, dass zirka 80 Prozent der Bevölkerung risikoarm und 20 Prozent risikoreich Alkohol konsumiert (1). Der Übergang von risikoarm zu risikoreich bis hin zu einer Abhängigkeit ist fliessend und nicht immer erkennbar. Mögliche Anzeichen, die für ein problematisches Konsummuster sprechen, sind in Kasten 1 aufgelistet. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung einer Alkoholproblematik würde Behandlungserfolge verbessern. Laut Berechnungen kommen Alkoholabhängige zirka 14 Jahre zu spät in eine suchtspezifische Behandlung (2). Die Inanspruchnahme suchtspezifischer Behandlungsplätze ist gering. Aufgrund stationärer Behandlungen schätzt man, dass etwa 6 Prozent in psychiatrischen Krankenhäusern und lediglich 3 Prozent in suchtspezifischen Institutionen behandelt werden (3). Weiter schätzt man, dass zirka 70 bis 80 Prozent mindestens einmal jährlich die Hausarztpraxis aufsuchen (4). Hier bestünde eine Möglichkeit der Früherkennung (Screeninginstrumente) mit anschliessender Kurzintervention. Eine motivierende Kurzintervention stellt FRAMES dar (Kasten 2), welche einfach, schnell und effizient angewendet werden kann und den Prozess der Änderungsbereitschaft positiv beeinflusst. Eine Metaanalyse belegt die Wirksamkeit von Kurzinterventionen in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit (5). Alkoholabhängige Menschen werden meist aufgrund somatischer oder psychischer Folgeerkrankung der Abhängigkeit hospitalisiert. Werden Hinweise einer Abhängigkeitserkrankung gefunden, wird eine suchtspezifische Behandlung empfohlen. Viele Betroffene sind ambivalent bezüglich einer Veränderung ihres Konsums und somit auch bezüglich einer Behandlung. Viele machen den ersten Schritt in eine Behandlung aufgrund von Ratschlägen oder Druck von aussen. Daher liegt der Fokus bei Beginn einer jeden suchtspezifischen Behandlung auf der Motivationsbildung/-klärung des Patienten.
Therapeutische Haltung Wie in jeder Therapie ist für eine erfolgreiche suchtspezifische Behandlung eine tragfähige und vertrauensvolle therapeutische Beziehung unabdingbar (6). Die Ambivalenz betreffend Konsumgewohnheiten ist ein zentrales Element der Erkrankung. Einerseits werden positive, andererseits auch negative Erlebnisse mit dem Substanzkonsum verbunden, deshalb sind viele Betroffene bezüglich einer Entscheidung hin- und hergerissen. Der therapeutische Umgang mit der Ambivalenz ist daher wichtig und beeinflusst die weitere Behandlung. Eine direkte und konfrontative Haltung würde Widerstand erzeugen, und Betroffene würden sich emotional und kognitiv distanzieren, was zu schlechteren Behandlungsergebnissen führt (7). Besser sollte eine nicht konfrontative, empathische Grundhaltung eingenommen werden, wie sie in der motivierenden Gesprächsführung zu finden ist. Eine therapeutische Intervention ist gelungen, wenn eine anfänglich extrinsische Motivation in eine persönliche, intrinsische Änderungsmotivation umgewandelt werden kann.
Behandlungsformen Die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit gliedert sich in eine Akut- und eine Postakutphase. In der Entzugsbehandlung liegt der Behandlungsschwerpunkt in der Minderung körperlicher Entzugssymptome, die mittels Medikamenten kupiert werden und der Verhinderung von Entzugskomplikationen dienen (bspw. entzugsepileptischer Anfall, Delirium tremens). Im Anschluss ist eine Entwöhnungsbehandlung (Postakutphase) indiziert, die sich auf die psychischen Aspekte der Erkrankung fokussiert. Eine Entzugsbehandlung mit anschliessender Entwöhnungsbehandlung zeigt die besten Behandlungserfolge. Die Indikation, ob eine Entzugsbehandlung stationär oder ambulant erfolgen soll, wird aufgrund des Schweregrades der Erkrankung gestellt, zusätzliche Faktoren wie Arbeitsplatzerhaltung, familiäre Situation und frühere Behandlungsversuche können zur Entscheidungshilfe hinzugezogen werden. Bei einer mittleren bis schweren Abhängigkeit, bei der ein vegetatives Ent-
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Kasten 1:
Anzeichen für die Entwicklung einer Alkoholproblematik
Anzeichen für ... ... risikoreichen Konsum ... die Entwicklung einer Abhängigkeit
... schwere Abhängigkeit
G Gezieltes Einsetzen von Alkohol (Wirkungstrinken) zum Umgang von Gefühlen oder Stress G Vermehrte Gedanken an Alkoholkonsum
G Zunahme der psychischen Abhängigkeit G Trinken mit schlechtem Gewissen G Bagatellisieren der Konsumgewohnheiten G Interessensverschiebung zugunsten des Konsums G Kontrollverlust bezüglich Konsum G Heimliches Trinken
G Morgendlicher Konsum, um Entzugssymptome zu lindern G Schwere alkoholbedingte körperliche Folgeschäden (Leberzirrhose, Polyneuropathie) G Schwerwiegende soziale Folgeprobleme (Verlust Arbeit, Verlust Partnerschaft)
zugssyndrom erwartet wird oder Entzugskomplikationen bekannt sind, ist eine stationäre Alkoholentzugsbehandlung indiziert. Untersuchungen zeigen, dass «qualitative Entzugsbehandlungen» gegenüber rein somatischen Entzugsbehandlungen auf lange Sicht kostengünstiger und erfolgreicher sind (8). Unter der «qualifizierten Entzugsbehandlung» versteht man den kombinierten Einsatz von medizinischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Massnahmen, was somit weit über die Symptomreduktion und Überlebenssicherung einer rein körperlichen «Entgiftung» hinausgeht. Die Entzugsphase wird gezielt und intensiv zur Motivation genutzt. Ziel ist es, Patienten nicht nur körperlich zu stabilisieren, sondern darüber hinaus zu einer Veränderung von Einstellung und Verhalten zu motivieren. Der qualifizierte Entzug kombiniert somit die körperliche Entgiftung mit Behandlungselementen aus der Entwöhnungsphase. Die Dauer soll 3 Wochen nicht unterschreiten. Die Entwöhnungsbehandlung wird stationär in Suchtfachkliniken angeboten, die meist ländlich gelegen sind und ist durchschnittlich auf eine Dauer von zirka 3 Monaten (individuell nach Vereinbarung) angelegt. Die Entwöhnungsbehandlung umfasst psychotherapeutische Einzel- und Gruppentherapien sowie weitere psychosoziale Behandlungselemente, die gemeinsam eine integrierte Gesamtbehandlung darstellen. Ziel der Entwöhnungsbehandlung ist es, durch motivationsfördernde und kompetenzerhöhende Interventionen die Abstinenz aufrechtzuerhalten und eine Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.
Kasten 2:
Motivierende Kurzintervention (Brief Intervention)
FRAMES F (Feedback) R (Responsibility) A (Advice) M (Menu of Options) E (Empathy) S (Self-Efficacy)
Prinzip Durch Alkohol erfahrene oder bestehende Probleme besprechen Selbstverantwortung stärken Ausdrücklicher Rat, den Alkoholkonsum zu reduzieren Therapiemöglichkeiten aufzeigen Dem Patienten mit Einfühlungsvermögen begegnen Eigene Wirksamkeit stärken
Nach jeder suchtspezifischen Therapie ist eine ambulante Nachsorge indiziert, um die Abstinenz zu unterstützen. Betroffene, die regelmässig eine Nachsorge besuchen, zeigen im Gegensatz zu solchen, die keine besuchen, bessere Erfolge in Bezug auf den Substanzkonsum (9, 10). Die Nachsorge soll individuell und realistisch gestaltet sein. Sie kann aus Elementen wie einer Selbsthilfegruppe, einer Suchtberatung, der Durchführung von Alkoholatemlufttests, einer Psychotherapie oder einer Tagesstruktur bestehen. Der wichtigste Faktor einer erfolgreichen Nachsorge ist die regelmässige Teilnahme (10), die durch Wohnortnähe positiv unterstützt wird (11). Die Abstinenz ist nach wie vor das vorrangigste Ziel, jedoch hat sich die Sichtweise heutzutage dahingehend verändert, dass nicht nur die Abstinenz, sondern auch kleine Schritte in Richtung der Konsumveränderung als berechtigte Teilziele zählen. Vor allem dann, wenn die dauerhafte Abstinenz nach mehrfachen Versuchen nicht möglich erscheint, ist der Weg der Schadensminderung indiziert. Komorbide psychische Erkrankungen finden sich bei alkoholbezogenen Störungen in zirka 45 Prozent aller Fälle (12) und können als aufrechterhaltende oder mitbedingende Faktoren wirken. Deshalb fällt der Diagnostik von komorbiden Erkrankungen ein hoher Stellenwert zu. Wird die Komorbidität nicht erkannt und behandelt, beeinflusst diese den Verlauf der Suchterkrankung negativ und führt zu vermehrten Wiedereintritten (13). Weiter besteht bei zirka 70 bis 95 Prozent aller Alkoholabhängigen gleichzeitig eine Tabakabhängigkeit, was die gesundheitlichen Risiken um ein Vielfaches erhöht. Mortalitätsstudien zeigten, dass Alkoholabhängige eher an tabakassoziierten als an alkoholassoziierten Erkrankungen sterben, weswegen Rauchentwöhnungsangebote bereits während Entzugsbehandlungen indiziert sind und von Patienten in Anspruch genommen werden (14).
Psychosoziale Behandlungsmethoden Wie die Alkoholabhängigkeit heterogen in Entstehung und Verlauf ist, so besteht auch die Behandlung aus einer Kombination verschiedener Therapieelemente, die sinnvoll ineinandergreifen und individuell auf den Einzelfall zugeschnitten werden. Moderne suchtspezifische Kliniken arbeiten mit interdisziplinären Teams, die eine multimodale, integrierte Gesamtbehandlung an-
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bieten. Die folgenden Empfehlungen einzelner Therapieelemente beruhen auf den AWMF-Leitlinien für alkoholbezogene Störungen (15). Empfehlungsgrade: A = empirisch gut fundiert; B = Empfehlung allgemein begründet; C = Empfehlung beruht auf Expertenmeinung. Die motivierende Gesprächsführung (16) ist ein Gesprächsstil, der bei Abhängigkeitserkrankungen sehr empfohlen ist (A). Ziel der motivierenden Gesprächsführung ist es, die Ambivalenz betreffend einer Veränderung zu reduzieren und so dem Betroffenen zu einem Änderungsentscheid zu verhelfen. Der Therapeut soll eine empathische und teilnehmende Grundhaltung einnehmen und aktiv zuhören. In den Aussagen der Betroffenen finden sich meist Diskrepanzen, die es aufzuzeigen gilt. Beispielsweise lässt sich Substanzkonsum (z.B. Rauchen) und die Erreichung eines persönlichen Ziels (z.B. Marathon laufen) schwer vereinbaren. Wichtig ist es, keine Beweisführungen zu tätigen, sondern Patienten aufgrund ihrer Äusserungen zu einer Entscheidung zu verhelfen, welche sie selbstständig fällen sollen. Die Psychotherapie bei Abhängigkeitserkrankungen ist sinnvoll, denn sie kann die Motivierung zur Klärung der Situation unterstützen und zur Änderungsbereitschaft beitragen (17). Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat bei Veränderungen von dysfunktionalen Gedankenund Verhaltensmustern, im Rahmen der Rückfallprävention, bei psychosozialen Problemen und in der Behandlung komorbider Störungen einen hohen Stellenwert. Mittels funktionaler Analysen werden dem Konsum vorausgehende Bedingungen sowie Faktoren, die diesen aufrechterhalten, erarbeitet (A). Paar-Familien-Therapie ist hilfreich, da Konflikte in der Familie oder Beziehung sowohl Folge als auch Ursache des Substanzkonsums sein können. Im Rahmen der Therapie werden dysfunktionale Interaktionsmuster erkannt und an einer alternativen Beziehungsgestaltung gearbeitet. Die Einbindung von Angehörigen in der Therapie oder einzelnen Gesprächen kann eine hohe Wirksamkeit haben, dies natürlich nur, wenn Angehörige wie Betroffene gewillt sind, sich aktiv zu beteiligen (A). Die klientzentrierte Gesprächspsychotherapie zeigt in der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen insgesamt positive Effekte und wird im Rahmen einer Gesamtbehandlung empfohlen (B). Es gibt Hinweise für erfolgreich angewandte psychodynamische Therapien bei Abhängigkeitserkrankungen, jedoch scheinen sie im Vergleich zur KVT bei leichten Abhängigkeitserkrankungen besser zu wirken als bei schweren (C). Soziales Kompetenztraining ist in der Therapie der Alkoholabhängigkeit klar empfohlen (A). Selbstwertprobleme, Ängste und Depressionen sowie aggressives Verhalten führen zu erheblichen Problemen im zwischenmenschlichen Leben und können als auslösende wie aufrechterhaltende Faktoren wirken. Ziel und Zweck ist es, persönliche Bewältigungsstrategien in schwierigen Situationen zu verbessern. Aufbauend auf Ressourcen soll ein adäquater, sozialkompetenter Durchsetzungsstil erlernt und eingeübt werden, sodass die eigenen Bewältigungsstrategien gestärkt werden. Rückfallprävention umfasst Risikosituationen zu identifizieren, Strategien oder alternative Verhaltensweisen zu ihrer Bewältigung zu erlernen, den Umgang mit Alko-
holverlangen, den Umgang mit Konsumereignissen oder das Ablehnen von Trinkaufforderungen. Die Wirksamkeit innerhalb einer Gesamtbehandlung ist bestätigt (B). Psychoedukation vermittelt Informationen über das Krankheitsbild, dessen Verlauf sowie über körperliche und psychische Folgen des Alkoholkonsums. Sie ist als integraler Bestandteil einer Gesamtbehandlung empfohlen (C). Verhaltensverträge oder Kontingenzmanagement funktionieren im Sinne operanter Konditionierung und zielen ab auf die positive Verstärkung bei fortbestehender Abstinenz und auf negative Konsequenzen bei erneutem Konsum. Kontingenzverträge sind als zusätzliches Element in einer Gesamtbehandlung empfohlen (B). Expositionsbehandlung im Sinne der «cue-exposure» kann als einzelnes Element nicht empfohlen werden (C), höchstens in spezifischen Situationen, kombiniert mit adäquaten Bewältigungsstrategien. Entspannungsverfahren sind in einer Gesamtbehandlung empfohlen (B). Das Erlernen einer Entspannungstechnik soll Patienten befähigen, sie später selbstständig in rückfallkritischen Situationen anzuwenden, was die Selbstwirksamkeit positiv beeinflusst. Die progressive Muskelrelaxation (18) hat gute Wirksamkeitsnachweise, ist leicht erlernbar und zählt für die klinische Praxis als geeignetes Entspannungsverfahren (19). Sport und Bewegung helfen, die körperliche Leistungsfähigkeit und das Körpergefühl zu verbessern. Bewegung und Sport werden aufgrund des allgemeinen Zusammenhangs mit vielfältigen positiven psychischen Wirkungen generell empfohlen (C). Die Ergotherapie zielt auf das Einüben und Wiederherstellen der eigenen Ressourcen ab, was die Selbstwirksamkeit stärkt. Die Arbeitstherapie als Teilgebiet der Ergotherapie soll mittels abgestufter Belastung die Arbeitsfähigkeit wiederherstellen und langfristig die Reintegration ins Erwerbsleben unterstützen. Beide sind indikativ und im Rahmen einer Gesamtbehandlung empfohlen (C). Sozialarbeit ist wichtig in der Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen. Viele Patienten haben Probleme mit Wohnen, Arbeit oder Finanzen, die eine Belastung darstellen und die spätere Abstinenz gefährden können. Sozialarbeit in der Gesamtbehandlung ist empfohlen (C). Der Besuch von Selbsthilfegruppen ist empfohlen (B), da Teilnehmende einen geringeren Alkoholkonsum als Nichtteilnehmende aufweisen. Die Anonymen Alkoholiker zählen zu den Selbsthilfegruppen, die nach dem Konzept des 12-Schritte-Programms arbeiten, welches empfohlen ist (A).
Pharmakologische Behandlungsmethoden Mit den modernen «Anticraving-Substanzen» Acamprosat (Campral®) und Naltrexon (Naltrexin®, Nemexin®) steht eine weitere Behandlungsmöglichkeit, nämlich die der medikamentösen Rückfallprophylaxe, zur Verfügung. Beide Medikamente sind zur Aufrechterhaltung der Abstinenz bei Alkoholabhängigkeit zugelassen. Darüber hinaus können sie bei einer Wiederaufnahme des Alkoholkonsums sowohl Dauer als auch Schwere eines Rückfalls reduzieren. Idealerweise werden diese Medikamente nach einer Entzugsbehandlung für die Dauer von einigen Monaten eingesetzt. Sie sind gut verträglich, leiden aber unter einer geringen Effektstärke. Be-
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steht zusätzlich zur Alkoholabhängigkeit eine weitere
psychische Erkrankung (Komorbidität), so sollte bei der
Wahl des Medikaments dem Naltrexon der Vorzug ge-
geben werden (20). Disulfiram (Antabus®), das bekannte
Traditionsmedikament zur «Vergällung» der Alkoholwir-
kung, zählt nicht zu den modernen Anticraving-Sub-
stanzen. Es gilt nach Acamprosat und Naltrexon als
Medikament der zweiten Wahl.
G
Korrespondenzadresse:
Dr. phil. Sandra Müller
Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel
Wilhelm Klein-Str. 27
4012 Basel
Tel. 061-325 53 33
Fax 061-325 55 83
E-Mail: Sandra.Mueller@upkbs.ch
Merksätze:
G Die Ambivalenz betreffend eine Veränderung ist ein zentrales Element der Erkrankung wie auch der Behandlung.
G Die therapeutische Kernaufgabe liegt in der Unterstützung der Klärung und im Aufbau einer Veränderungsmotivation.
G Die «qualifizierte Entzugsbehandlung» zeigt bessere Behandlungserfolge als die rein somatische Entzugsbehandlung. Der erfolgreichste Behandlungsweg einer Alkoholabhängigkeit besteht in einer Entzugsbehandlung mit anschliessender Entwöhnungstherapie.
G Eine integrierte, suchtspezifische Behandlung besteht idealerweise aus einer Kombination verschiedener Therapieelemente, die sinnvoll ineinandergreifen und individuell auf Patienten zugeschnitten sind.
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