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Migration und Suizidalität
FORTBILDUNG
In der Fachliteratur finden sich zahlreiche Hinweise für ein erhöhtes Suizidrisiko bei Migranten. Das hängt mit den Gründen und dem Verlauf der Migration zusammen. Aber auch mit den Belastungen der Migranten durch einen unangemessenen Umgang im Migrationsland oder durch die gesetzlichen Bestimmungen. Das stellt Psychiater vor zahlreiche Herausforderungen in der praktischen Arbeit. Denn neben der Psychotherapie und der psychiatrischen Behandlung sind oftmals auch noch sozialarbeiterische Aufgaben zu übernehmen.
Bernhard Küchenhoff
von Bernhard Küchenhoff
S uizidales Verhalten kann nicht isoliert werden, sondern ist in allen Fällen, und das heisst nicht nur bei Migrantinnen und Migranten, im jeweiligen Kontext zu betrachten. Zum Kontext gehören bei allen Menschen unter anderem die jeweiligen Beziehungskonstellationen, aber auch die kulturell bedingten Normen, Einstellungen und Haltungen. Ein Hinweis auf die Bedeutsamkeit des jeweiligen Kontexts ergibt sich bei Migranten schon daraus, dass je nach Region und Land unterschiedliche Prävalenzraten und Risikofaktoren für suizidales Verhalten zu finden sind. In diesem Beitrag geht es aber nicht um einen Vergleich der Suizidraten in den verschiedenen Ländern und/oder Landesteilen (1), auch nicht um die Suizidforschungen in einzelnen Ländern, sondern es geht um Suizidalität und Suizide von Migrantinnen und Migranten hier in der Schweiz und um die Frage, vor welche Herausforderungen sie uns in der praktischen Arbeit stellen. Wenn in diesem Zusammenhang auf «Kultur» Bezug genommen wird, so bedarf dies einiger erläuternder Ausführungen. Es gibt vielfältige Definitionen der Kultur. Immer geht es um einen Austausch zwischen Menschen verschiedener Sprachen, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Sozialisationen, Ausbildungen, mit unterschiedlichen Normen und Wertvorstellungen, divergierenden religiösen Überzeugungen, Unterschieden hinsichtlich des ökonomischen Status und der politischen Teilhabe. Diese Aufzählung liesse sich fortsetzen und ergänzen, wobei alle erwähnten Gesichtspunkte zu dem weiten inhaltlichen Spektrum dessen gehören, was wir als Kultur bezeichnen. Durch die weltweite Migration wandeln sich Kulturen, und wir dürfen sie nicht mehr als fixe, unwandelbare Grössen auffassen. Wir sprechen deshalb auch von transkultureller Psychiatrie und Psychotherapie, um darauf hinzuweisen, dass wir von einem dynamischen
Austausch zwischen den einzelnen Personen in ihrer jeweiligen Umwelt und Lebenswelt ausgehen. Aus diesen Begegnungen und dem Kontakt zwischen Personen aus unterschiedlichen Regionen ergeben sich jeweils wechselweise Einflussnahmen und Veränderungen. Wenn wir dies nicht beachten, würden wir den immer wieder zu beobachtenden Fehler der Essenzialisierung der Kultur begehen, das heisst der festlegenden Zuschreibung wesentlicher und unveränderlicher Eigenschaften an bestimmte Kulturen. Die sogenannte «Übersozialisationsthese» bringt diese Vorstellung gut auf den Punkt. Nach dieser wird vom angenommenen Wesen einer Kultur auf die Persönlichkeit seiner Mitglieder geschlossen, so als ob der Einzelne nur passiver Vertreter einer bestimmten Kultur sei und sich nicht zu den in ihr geltenden Vorstellungen in ein Verhältnis setzen könnte (2). Diese aktive Leistung der einzelnen Personen zeigt sich deutlicher im Umgang und in den Behandlungen, als dass sie statistischen Erhebungen und Übersichtsarbeiten entnommen werden könnte. In klischeehaften kulturalisierenden Etikettierungen zeigen sich darüber hinaus häufig diverse Abwehrreflexe gegenüber Menschen aus fremden kulturellen Kontexten. Eine Ablehnung des fremden Anderen kann sich so verstecken hinter dem (über)betonten Hinweis auf die fremde Kultur des Gegenübers, dass der andere aufgrund seiner Kultur nicht verstanden werden könne und dass für die Behandlung nach jemand anderem gesucht werden müsse, der diese Kultur kenne. In solchen Abwehrreaktionen können sich Ohnmachtsgefühle des Therapeuten äussern oder auch der Ärger darüber, dass der routinierte, zeitlich glatte Behandlungsablauf aufgehalten und «gestört» wird, weil es beispielsweise mühsam ist, einen Übersetzer zu organisieren. Diese Reaktionen stehen auch im Zusammenhang mit den ökonomischen Bedingungen und Zwängen, denen wir in der alltäglichen medizinischen und klinischen Praxis zunehmend unterworfen sind.
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ICD-10: eine euro-amerikanische Sicht Merkwürdig und auffallend bleibt, dass Kultur den Migranten zugeschrieben wird und dabei die eigenen kulturellen Verflechtungen ausgeblendet werden (3). Dafür ein Beispiel: Wir bevorzugen in unserer Diagnostik und in unseren Diagnoseschlüsseln (ICD-10, demnächst ICD-11; DSM IV, bald DSM V) eine euro-amerikanische Sicht. In diesen bei uns geläufigen Ansätzen ist gegenwärtig das biomedizinische Modell dominierend. Dieser selbstverständlich an- und hingenommene Hintergrund muss aber reflektiert werden. So fand sich in der Studie und Übersicht von Vijayakumar (4), dass in entwickelten Ländern eine psychische Erkrankung einen grossen Risikofaktor für Suizid darstellt. Dieser eindeutige Zusammenhang liess sich dagegen nicht in sich entwickelnden Ländern finden. Qualitative Studien über suizidales Verhalten in verschiedenen kulturellen Kontexten können uns auch neue Einsichten in unsere eigenen kulturellen Verflechtungen ermöglichen. So gibt es zu dem biomedizinischen Modell durchaus Alternativen, nämlich die Ansätze, die von der Kommunikationstheorie ausgehen, die das suizidale Verhalten als Handlung innerhalb eines kommunikativen Austausches betrachtet (5). In soziokulturellen Kontexten, in denen die Gemeinschaft einen höheren Stellenwert hat als das autonome Individuum, wird auch eher gefragt, wer die Person in den Suizid getrieben hat, als warum er oder sie sich suizidiert hat. In den gemeinschaftsorientierten Gesellschaften wird deshalb auch selten auf psychische Erkrankungen rekurriert (6). Zu Recht gibt es Überlegungen, dass bei allen Störungen der jeweilige soziokulturelle Kontext beachtet werden muss. Transkulturelle Psychiatrie ist nicht eine Psychiatrie von und für Minderheiten oder von und für Migranten aus fernen Ländern, denn eine solche Auffassung würde den Einfluss kultureller Faktoren bei uns allen verleugnen (7). So kann pointiert gesagt werden: Psychiatrie ist kulturelle Psychiatrie oder sie ist keine Psychiatrie (8).
Suizidrisiko im Zusammenhang sensibler Kontexte Aus diesen Überlegungen lässt sich schliessen, dass die Behandlung von suizidalen Menschen und die Suizidforschung interdisziplinär betrieben werden sollen, das heisst, sie müssen theoretisch und methodisch andere Disziplinen wie Soziologie, Psychologie, Ethnologie und Anthropologie einbeziehen. Es gibt in der umfangreichen Fachliteratur zahlreiche Hinweise für das Suizidrisiko bei Migranten. Nur zwei Beispiele seien hier genannt: Sieberer untersuchte mit seinen Mitarbeitenden retrospektiv die Gutachten von Migrantinnen und Migranten, die wegen Asyl- und ausländerrechtlicher Hintergründe begutachtet wurden. Es fand sich bei 56,5 Prozent Suizidalität, und bei 27 Prozent der Probanden ein Suizidversuch in der Vorgeschichte. Für 20 Prozent der Betroffenen wurde Suizidalität im Falle der Ausschaffung prognostiziert (9). Weitere Studien fanden doppelt so hohe Prävalenzraten für Depressionen, die häufig mit Suizidalität einhergehen, bei Flüchtlingen und Asylsuchenden wie bei Arbeitsmigranten (10). Interessant wären auch Vergleiche der Suizidraten in
den Herkunftsländern mit den Suizidraten in den aus diesen Ländern zugewanderten Populationen. Aber da es in verschiedenen Ländern hohe Dunkelziffern gibt (u.a. weil das Thema Suizid ein Tabu ist; oder weil Suizide als Straftat gelten; auch religiöse Gründe und unzuverlässige staatliche Erfassungen spielen eine Rolle), sind Erhebungen und Angaben hinsichtlich von Suizidversuchen und Suiziden wenig aussagekräftig und zweifelhaft.
Besonderheiten der Migration Welche Besonderheiten sind bei Migrantinnen und Migranten zu beachten? Egal, woher jemand kommt, gilt es, heikle Phasen im Migrationsprozess zu beachten und zu berücksichtigen: Dies betrifft zunächst einmal die Gründe, die zum Migrationsentscheid führten. Diese sind im Einzelfall ganz unterschiedlich und reichen von dem Wunsch nach einer ökonomischen Verbesserung bis hin zu Flucht wegen Unterdrückung, Krieg und Folter. Mit den letzteren Gründen sind häufig sehr vielfältige Probleme und Traumatisierungen verbunden, die dann auch zu Suizidalität und einer notwendigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung führen können. Auch der Weg vom Herkunftsland bis zum Aufnahmeland kann zu vielfältigen Belastungen und Traumatisierungen führen, die im Einzelfall ebenfalls eine Behandlung erforderlich machen können. Die Aufnahmesituation im Aufnahmeland, konkret in der Schweiz, ist häufig mit neuen Belastungen und enttäuschter Hoffnung verbunden, sodass diese auch zu einer sequenziellen Traumatisierung und/oder einer depressiven Verstimmung mit Suizidalität führen können. Die entsprechenden Belastungen betreffen vor allem das den Migranten entgegengebrachte Misstrauen und Vorurteile sowie die Schwierigkeiten beziehungsweise Unmöglichkeit, eine Arbeit oder eine angemessene Wohnmöglichkeit zu finden. Noch schlimmer wird diese Situation durch die Unkenntnis der diversen Unterstützungsmöglichkeiten und die Unwissenheit, was das medizinische Versorgungssystem angeht, was dann zu einer fehlenden oder verzögerten Behandlung führen kann. Weiter kommen Suizidversuche und Suizide bei Migranten in unterschiedlichen Kontexten vor. Folgende Umstände sind von besonderer Bedeutung: 1. Suizidalität und Suizide sind häufiger bei verschie-
denen psychischen Erkrankungen. Für Migranten gilt, dass sie besonders gefährdet sind, wenn sie an posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen sowie chronifizierten somatoformen Schmerzstörungen leiden. 2. Psychosoziale Krisen, wie Familienstreitigkeiten, arrangierte Heiraten, kaum zu überwindende Barrieren hinsichtlich der Familienzusammenführung, Normenkonflikte zwischen der ersten und zweiten Migrantengeneration, stellen bedeutsame Faktoren für das Auftreten von Suizidalität dar. Zu beachten ist, dass besonders jüngere Frauen schwierigen Konfliktsituationen ausgesetzt sind, zum Beispiel zwischen traditionellen Rollenvorstellungen und selbstständiger Lebensplanung (wobei die Orientierung an der hiesigen Peergroup bedeutsam ist). Suizidversuche können dabei Ausdruck der aus-
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weglos erscheinenden Krise sein. Im Einzelfall kann in solchen Situationen ein Suizidversuch aber auch die Krise quasi öffentlich machen und eine Lösung ermöglichen. Weiterhin haben sich Jugendliche als vulnerabel gezeigt, die bei der Zuwanderung zwischen 12 und 18 Jahre alt waren und die aus einem anderssprachigen Land kamen und hier deshalb Schwierigkeiten mit der schulischen Ausbildung oder beim Finden einer Lehrstelle bekommen. 3. Bedingt durch die verschiedenen politischen und juristischen Rahmenbedingungen wie aufenthaltsrechtliche Bestimmungen und Restriktionen, führen der Status als Sans-papiers oder die Ausschaffungshaft nicht selten zu suizidalem Verhalten oder gar zum Suizid. Ritter stellte im Rahmen seiner Forschungen noch folgende Schwerpunkte bei den Motiven zu einem Suizid fest: Schuld- und Schamgefühle, Ehrverlust, Gefährdung der körperlichen Integrität, wirtschaftlich-existenzielle Bedrohung (11). Nicht verkannt und übergangen werden soll, dass suizidale Äusserungen auch instrumentalisiert werden können, zum Beispiel, um aus der Haft zu kommen. Immer wieder ist in der alltäglichen Behandlungssituation schwer entscheidbar, aber differenzialdiagnostisch wichtig, wodurch in der konkreten Situation die Suizidalität bedingt ist. Auch hier spielen die schon genannten Umstände eine entscheidende Rolle, eben zum Beispiel, ob eine Ausschaffung unmittelbar bevorsteht; ob Ängste und/oder andere psychische Störungen bestehen; ob die Haftbedingungen eine Retraumatisierung darstellen.
Beispiele für besonders schwierige Umstände Beispiele für problematische Situationen und/oder Umgangsweisen, die gerade auch in Hinsicht auf Suizidalität beachtet werden müssen, sind folgende: G Wenn kriegstraumatisierte Menschen in ehemali-
gen Militärunterkünften platziert werden, so kann dies im Sinne eines Triggers die Traumata reaktivieren. G Die oft engen räumlichen Verhältnisse in den Asylunterkünften stellen insbesondere für Frauen und/oder Familien eine enorme Belastung dar. G Verschärft werden kann diese Situation dadurch, dass häufig Polizeirazzien in diesen Unterkünften durchgeführt werden, was ebenfalls retraumatisierend wirken kann. G Die Ausschaffungshaft: Die Betroffenen können oft nicht verstehen, warum sie in Haft sind, denn sie haben ja nichts verbrochen. Sie haben auch vor Augen, dass sie dorthin zurückgeschafft werden sollen, woher sie aus für sie guten Gründen fliehen mussten oder migrieren wollten. Auch die Angst vor der zu erwartenden Situation im Herkunftsland, die von der befürchteten Bedrohung und Verfolgung bis zur Scham über die misslungene Migration reicht, stellt eine grosse Belastung dar. Die genannten Faktoren führen nicht selten dazu, dass in der Ausschaffungshaft die Aggressivität und Autoaggressivität zunehmen. So kann es zum Beispiel zu aggressiven Handlungen gegenüber dem Gefängnisper-
sonal, zu Selbstverletzungen bis hin zu Suizidversuchen und Suiziden kommen.
Umgang und Behandlung Die Behandlung der Suizidalität richtet sich zunächst nach den üblichen Grundsätzen, die hier vorausgesetzt werden können. Das spezifische Vorgehen besteht darin, dass zuerst geprüft werden muss, ob die sprachliche Verständigung gegeben ist. Falls diese basale Voraussetzung fehlt, müssen Dolmetscher beigezogen werden. Dies leuchtet sofort ein, ist aber keineswegs überall gegeben. Ein Beispiel aus unserer Praxis: Bei einer Patientin wurde entschieden, dass ihr Kind in einer Pflegefamilie bleiben muss, da die schwer traumatisierte Patientin wegen einer Krise kurzfristig nicht in der Lage war, für das Kind ausreichend zu sorgen. Die Patientin, die nur ganz wenig Deutsch verstand, wurde ohne Dolmetscher darüber informiert, dass sie das Kind über Nacht nicht versorgen kann und es in der Pflegefamilie bleiben muss. Die Patientin hatte aber stattdessen das Wort «nie» verstanden, also, dass ihr das Kind weggenommen werde, was die Krise erheblich verstärkte. Nicht selten müssen auch amtliche, juristische Schreiben, zum Beispiel den Aufenthaltsstatus betreffend (eine Quelle für Krisen und Suizidalität), übersetzt werden, welche die Patienten nicht beziehungsweise falsch verstehen, mit der Gefahr, dass Rekursfristen versäumt werden.
Die konkrete Therapie Für die konkrete therapeutische Arbeit ist der Einzelfall und sein jeweiliger individueller Kontext entscheidend. Dies setzt eine genaue Exploration der einzelnen Person voraus. Neben dem psychopathologischen Befund, den aktuellen Konflikten (wobei ein besonderes Augenmerk auf Trennungen und Verlusterlebnisse zu richten ist) und Problemlagen sind das Beziehungsnetz und seine Tragfähigkeit, die religiösen Bindungen und Wertvorstellungen zu erfragen. Raum und Zeit sind zu geben für schambesetzte und tabuisierte Themen. Bedeutsam sind auch Fragen nach eigenen Strategien im Umgang mit den jeweiligen Konflikten, den erlernten und vertrauten Bewältigungsweisen. Zu klären und zu besprechen sind die Gründe für die Migration, der Verlauf der Migration, der Aufenthaltsstatus. In der Behandlung ist also auf die verschiedenen oben genannten Belastungsfaktoren konkret einzugehen und nicht etwa auf die «Kultur». Behandelt werden müssen die vorliegenden psychischen Störungen. Schwierig wird das insbesondere bei den häufigen posttraumatischen Belastungsstörungen, weil für deren Therapie erst eine einigermassen stabile Umgebung/Situation geschaffen werden muss. Familiengespräche und Familientherapie können sehr wichtig werden, zum Beispiel bei suizidalen Patientinnen der zweiten Generation, die sich in Bezug auf Freundschaften und sexuelle Beziehungen nach den Gepflogenheiten in der Peergroup orientieren und damit in erhebliche Konflikte mit den Normvorstellungen der Eltern geraten. Wir müssen immer beachten, dass unser gewohntes therapeutisches Vorgehen keineswegs selbstverständlich ist. So ist es oft notwendig zu erklären, was Psycho-
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therapie überhaupt ist oder welche Medikamente wir
aus welchen Gründen vorschlagen. Die Therapie muss
in den meisten Fällen interdisziplinär erfolgen, was in
der Klinik leichter möglich ist, da ein Sozialdienst zur
Verfügung steht, der Hilfestellung leisten kann bei der
therapeutisch bedeutsamen Vermittlung von Arbeits-
möglichkeiten, bei Veränderungen der Wohnsituation,
bei den Kontakten zu juristischen Beratungsstellen und
zu sozialen Hilfsmöglichkeiten wie zum Beispiel der
Opferhilfe. In der Privatpraxis bedeutet dies, dass neben
der Psychotherapie und der psychiatrischen Behand-
lung auch noch sozialarbeiterische Aufgaben zu über-
nehmen sind.
G
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Bernhard Küchenhoff
Chefarzt
Psychiatrische Universitätsklinik
Lenggstrasse 31
8008 Zürich
Tel. 044-384 22 36
E-Mail: Bernhard.Kuechenhoff@puk.zh.ch
Es bestehen keine Interessenkonflikte.
Literaturverzeichnis: 1. Vgl. u.a. Grube M. (2004): Suizidversuche von Migranten in der Akut-
psychiatrie. Nervenarzt 75, S. 681–687. 2. Ehret R. (2009): Die Kulturfalle. Plädoyer für einen sorgsamen Um-
gang mit Kultur. In: Golsabahi S., Stompe T., Heise T. (Hg.): Jeder ist weltweit ein Fremder. Berlin, S. 47–55 3. Ehret R.: Die Kulturfalle. aaO. 4. Vijayakumar L.,John S., Pirkis J.,Whiteford H. (2005): Suicide in Developing Countries. Crisis 26, S. 104–119. 5. Vgl.: Hjelmeland H. (2010): Cultural Research in Suicidology: Challenges and Opportunities. Suicidology Online 1: S. 34–52.
Merksätze:
G Es gibt keine bestimmte unveränderliche
Kultur.
G Psychiatrie ist kulturelle Psychiatrie oder sie
ist keine Psychiatrie.
G Gründe und Verlauf für die Migration sind
sehr vielfältig. Deshalb sind die individuel-
len Umstände sorgfältig zu explorieren.
G Belastungen der Migranten können durch
uns verstärkt werden, durch unseren unan-
gemessenen Umgang oder unsere gesetz-
lichen Bestimmungen.
G Für die Abklärung und Behandlung muss die
sprachliche Verständigung immer gewähr-
leistet sein.
6. Shiang J. (1998): Does Culture Make a Difference ? Racial/Ethnic Patterns of Completed Suicide in San Francisco. Suicide and Life-Threat Behaviour 28, S. 338–354.
7. S. z.B. Alarcon R.D. (2009): Culture, cultural factors and psychiatric diagnosis: review and projections. World Psychiatry ; 8 : S. 131–139; Kirmayer L. (2013): 50 years of Transcultural Psychiatry. Transcultural Psychiatry S. 3–5.
8. Dies ist eine Abwandlung eines Zitates von Klaus Dörner; s. K. Dörner, Plog U. (1984): Irren ist menschlich. Rehburg-Loccum. Das Zitat steht auf S. 18 und lautet: «Psychiatrie ist soziale Psychiatrie oder sie ist keine Psychiatrie.»
9. Sieberer M., Ziegenbein M., Eckhardt G., Machleidt W., Calliess I. (2011): Psychiatrische Begutachtung im Asylverfahren. Psychiat Prax, 38, S. 38–44.
10. Lindert J., von Ehrenstein O., Priebe, S., Mielck A., Brähler E. (2009): Depression and anxiety in labor migrants and refugees – review and meta-analysis. Social Science & Medicine 69, S. 246–257.
11. Ritter K.,Chaudry H.,Idemudia E., Karakula H., Okribelashvili N., Rudaleviciene P., Stompe T. (2008): Suizidmotive und Kultur – Modernisierungsgrad, Antwortverhalten und Akzeptanz. In: Golsabahi S., Heise T. (Hg.): Von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Berlin, S. 281–291.
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