Transkript
SERIE: MULTIPLE SKLEROSE TEIL 6
Lieber Leser, liebe Leserin Die Multiple Sklerose ist trotz neuer Medikamente und intensiver Forschungsbemühungen eine bis heute unheilbare und chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems. In einer mehrteiligen Serie möchten wir Ihnen die vielfältigen Gesichter dieser Krankheit nahebringen. PD Dr. Michael Linnebank, Leitender Arzt, Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich (USZ), stellt Ihnen Fallbeispiele aus der Sprechstunde für die praxisorientierte Fortbildung vor.
Compliance bei Multipler Sklerose
Chronisch Kranke wie Multiple-Sklerose-Patienten entwickeln häufig eine Therapiemüdigkeit. Hilfen bei der Applikation und neue Verabreichungsformen verbessern die Compliance.
Michael Linnebank
Psychiatrie & Neurologie: Wie gross ist das Problem der mangelnden Compliance bei MS-Patienten? PD Dr. Michael Linnebank: Genaue Daten zur Compliance der eigenen Patienten liegen uns nicht vor. Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass Patienten bei Langzeit-Therapien oft Mühe haben, sich an die empfohlenen Einnahmen zu halten. Fehlende Compliance ist mit einem eher schlechteren Verlauf assoziiert. Die MS-Medikamente haben zum Teil eine kurze Wirkdauer, weswegen bei diesen die genaue Einnahme relevant ist. Manchmal ist es schwer, zu entscheiden, ob eine Therapie nicht gewirkt hat oder nicht korrekt angewendet worden ist. Statt eines Wechsels kann manchmal eine Hilfestellung zur besseren Compliance führen, am besten interprofessionell über die behandelnden Ärzte und die zuständigen MS-Pflegefachfrauen bzw. Advanced Practising Nurses.
Welche Applikationsformen schneiden besonders schlecht ab? Michael Linnebank: Den vorhandenen Studien zufolge gibt es nicht unbedingt besonders schlecht abschneidende Applikationsformen. Häufige Injektionen sind tendenziell eher mit Auslassungen assoziiert, dafür ist
das Vergessen oder Weglassen einer Applikation bei Medikamenten mit häufigen Applikationen tendenziell weniger relevant als bei Medikamenten mit seltener Applikation.
Können Sie anhand von Verschlechterungen sagen,
dass diese auf mangelnde Compliance zurückgeführt
werden kann?
Michael Linnebank: Für die aktuell verfügbaren Medi-
kamente gibt es keine Biomarker, die eine Beurteilung
der Compliance erlauben. Beispielsweise bei der Thera-
pie mit Natalizumab-Infusionen ist die Compliance je-
doch naturgemäss bekannt, und der RebiSmart erlaubt
eine Auswertung der Compliance, sofern Patienten dies
wünschen. Für einige andere Medikamente wird über-
legt, Strategien zur Auswertung der Compliance einzu-
führen.
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Korrespondenzadresse: PD Dr. Michael Linnebank E-Mail: michael.linnebank@usz.ch
Das Interview führte Annegret Czernotta.
3/2013
&PSYCHIATRIE NEUROLOGIE
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