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EDITORIAL
Förderung der seelischen Gesundheit im Kindes- und Jugendalter
W eltweit sind etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen von psychischen Störungen betroffen (1), in der Schweiz etwa 22 Prozent der bis 15-Jährigen (2). Psychische Störungen stellen damit eine Hauptursache der gesundheitsbezogenen Behinderungen in dieser Altersgruppe dar, die zudem langfristige Folgen auf die schulisch-berufliche und soziale Entwicklung der Betroffenen haben (1, 2). Zudem persistieren psychische Störungen häufig bis ins Erwachsenenalter, und die schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen des Erwachsenenalters wie psychotische und bipolare Störungen nehmen ihren Anfang oftmals vor dem 18. Lebensjahr. Dennoch wird der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vergleichsweise wenig Rechnung getragen (1). Auch besteht nicht zuletzt wegen der meist strikten traditionellen Trennung zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Erwachsenenpsychiatrie die Gefahr, dass Befunde aus Erwachsenenpopulationen auf Störungen, die hauptsächlich dem Kindes- und Jugendalter zugeschrieben werden (wie ADHS oder schwere Entwicklungsstörungen), ohne Berücksichtigung der etwaigen entwicklungsspezifischen Besonderheiten oder der besonderen Rolle des sozialen Umfeldes, in dieser Altersgruppe übertragen werden (siehe Beitrag Seite 4).
Störungsübergreifend Strategien entwickeln Für eine fachübergreifende erfolgreiche Prävention psychischer Störungen wird es daher in Zukunft wichtig sein, über eine möglichst entwicklungsstandadaptierte, frühe Identifikation spezifischer Störungsbilder vor ihrer Erstmanifestation und hierauf bezogene Interventionen hinaus auch störungsübergreifend Strategien zu entwickeln und systematisch zu implementieren, die im Sinne der Förderung der Widerstandsfähigkeit (resilience) gegen Risikofaktoren für die Entwicklung einer psychischen Störung abzielen. Wie wichtig etwa die Rolle des Vaters für die Entwicklung des Kindes ist, darüber berichtet Prof. Inge
Seiffge-Krenke, Universität Main, im Beitrag «Make room for daddy!» (Seite 14 ff.). So haben Väter eine wichtige Rolle für die Autonomie und die Entwicklung eines positiven Körperkonzeptes und einer angemessenen Geschlechtsrolle des Kindes. Studien zeigen allerdings, dass sich fast ausschliesslich Mütter im Krankheitsmanagement ihrer Kinder engagieren und bei der emotionalen Bewältigung der Erkrankung einbezogen sind. Wie bedeutsam das soziale Umfeld ist, zeigt sich auch bei Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom). Die professionelle Begleitung ist insbesondere beim Übergang ins Jugendalter wichtig, sagt Prof. Christina Stadler von der Universität Basel (Seite 9 ff.).
Im Schwerpunkt Polyneuropathie zeigt sich, dass viele Patienten mit neuropathischen Schmerzen ungenügend behandelt sind. Das hängt damit zusammen, dass die Pathophysiologie neuropathischer Schmerzen komplex ist (siehe Beiträge auf den Seiten 18 und 23).
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. ●
Dr. Frauke Schultze-Lutter PhD, MPsych
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Universität Bern E-Mail: frauke.schultze-lutter@kjp.unibe.ch
Literatur:
1. Kieling C, Baker-Henningham H, Belfer M et al.: Child and adolescent mental health worldwide: evidence for action. Lancet 2011; 378: 1515–1525.
2. Flisher AJ, Hatherill S, Dhansay Y: Specific mental health disorders: child and adolescent mental health disorders. In: Heggenhougen K (ed.): International Encyclopedia of Public Mental Health. Elsevier, 2008: p.147–154.
Themenverweis:
● Schwangerschaft bei Multipler Sklerose, Teil 5: Trotz Krankheit möchten Frauen mit einer Multiplen Sklerose schwanger werden. Hierzu müssen die Patientinnen gut beraten werden und wichtige Entscheidungen treffen, sagt PD Dr. Michael Linnebank, Leitender Arzt Neurologie am Universitätsspital Zürich. Seite 26.
2/2013
&PSYCHIATRIE NEUROLOGIE
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