Metainformationen


Titel
Aktuelle Studien – kurz gefasst
Untertitel
«Reha vor Pflege» gilt auch bei leichter Demenz
Lead
Geriatrische Patienten mit der Nebendiagnose Demenz erhalten in Deutschland oft keine Rehabilitation. Wissenschaftler haben im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) untersucht, welchen Nutzen entsprechende Massnahmen für leicht bis moderat demenzkranke Patienten haben. Die Ergebnisse fasst ein neuer HTA-Bericht zusammen (Health Technology Assessment, systematische Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren und Technologien). Für ihren Bericht identifizierten die Autoren in einer systematischen Literaturrecherche 16 relevante Publikationen zur geriatrischen Rehabilitation. Die eingeschlossenen Studien befassen sich überwiegend mit stationären Behandlungen. Lediglich eine Studie untersucht ambulante mobile Massnahmen. Hinsichtlich Teilnehmerzahl, Interventionsform oder untersuchter Kriterien sind die Studien sehr heterogen, weshalb ein Vergleich der Ergebnisse nur begrenzt möglich ist.
Datum
Autoren
-
Rubrik
KURZ & BÜNDIG
Schlagworte
-
Artikel-ID
4891
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/4891
Download

Transkript


&K U R Z B Ü N D I G

Aktuelle Studien – kurz gefasst

«Reha vor Pflege» gilt auch bei leichter Demenz

Geriatrische Patienten mit der Nebendiagnose Demenz erhalten in Deutschland oft keine Rehabilitation. Wissenschaftler haben im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) untersucht, welchen Nutzen entsprechende Massnahmen für leicht bis moderat demenzkranke Patienten haben. Die Ergebnisse fasst ein neuer HTA-Bericht zusammen (Health Technology Assessment, systematische Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren und Technologien). Für ihren Bericht identifizierten die Autoren in einer systematischen Literaturrecherche 16 relevante Publikationen zur geriatrischen Rehabilitation. Die eingeschlossenen Studien befassen sich überwiegend mit stationären Behandlungen. Lediglich eine Studie untersucht ambulante mobile Massnahmen. Hinsichtlich Teilnehmerzahl, Interventionsform oder untersuchter Kriterien sind die Studien sehr heterogen, weshalb ein Vergleich der Ergebnisse nur begrenzt möglich ist.

Die Autoren stellen fest, dass leicht bis moderat demenzkranke Patienten durchaus von Rehabilitationsmassnahmen profitieren. Allerdings erzielten sie laut Studienergebnissen verglichen mit nicht an Demenz erkrankten Patienten Fortschritte langsamer, erreichten geringere Verbesserungsraten und könnten ein niedrigeres Anfangs- und Endniveau aufweisen. Für stark Demenzkranke treffen die Autoren keine Aussagen, da sie häufig aus Studien ausgeschlossen sind. Wenn Demenz kein Ausschlussgrund für eine Rehabilitation ist, durchlaufen entsprechende Patienten meistens dasselbe Programm wie nicht demenzkranke Patienten. Eine Anpassung an ihre speziellen Bedürfnisse würde zu besseren Ergebnissen führen und Komplikationen vermeiden. Programme, die die Wahrnehmungsfähigkeit fördern, führen bei Patienten zu einer stärker selbstständigen Lebensführung und mehr Le-

benszufriedenheit, so die Autoren. Daher sollten bestehende Rehabilitationsprogramme um kognitives Training und Übungen erweitert werden. Besonders effektiv und nachhaltig wirkten derartige Programme, wenn gleichzeitig Angehörige geschult würden. Im Vergleich eines multidisziplinären Rehabilitationsprogramms mit pflegerischen Leistungen ohne Rehabilitation liegen die Ausgaben in der Rehabilitationsgruppe zunächst höher. Nach zwölf Monaten benötigen die Personen, die nur pflegerische Leistungen erhalten hatten, jedoch häufiger eine 24-Stunden-Betreuung, wodurch sie höhere Pflegekosten verursachen. Die Autoren des HTA-Berichts fordern, den Grundsatz «Rehabilitation vor Pflege» auch bei Patienten mit der Nebendiagnose Demenz konsequent umzusetzen.
Quelle: www.idw-online.de

Neue Erkenntnisse über Fehlfaltung von Proteinen

Ein Protein kann seine Funktion nur dann richtig erfüllen, wenn sich die lange Kette aus seinen Bausteinen, den Aminosäuren, richtig faltet. Ist die Faltung fehlerhaft, kann das Protein giftig für den Körper sein und mit anderen Proteinen zu Aggregaten verklumpen. Bei Ataxin-1, das Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch gemeinsam mit Kollegen von der Université Paris Diderot, Paris, Frankreich, untersucht haben, kann es aufgrund erblicher Gendefekte besonders häufig zu Fehlern kommen, es entstehen dann neurodegenerative Erkrankungen wie die spinozerebelläre Ataxie (SCA) oder Huntington-Chorea. Das ist dadurch bedingt, dass die Aminosäure Glutamin in der Aminosäurenkette von Ataxin-1 sehr oft hintereinander vorkommt. Je häufiger diese Aminosäure vertreten ist, desto schäd-

licher ist das Protein, ab etwa 40 Wiederholungen wird es als toxisch eingestuft. Forscher haben 21 Eiweisse identifiziert, die die Faltung von Ataxin-1 beeinflussen. 12 der Eiweisse fördern die Giftigkeit, 9 können sie reduzieren. Die Eiweisse sind zum überwiegenden Teil auf Ataxin-1 spezialisiert und greifen an unterschiedlichen Stellen in seinem Bildungsund Aggregationsprozess an. Manche haben Einfluss auf die Produktion des Proteins, andere sind in der Lage, das falsch gefaltete Protein entweder abzubauen oder dazu zu bringen, sich richtig zu falten. Für die Forscher unerwartet war das Ergebnis, dass auch Eiweisse, die den Transport von Ataxin-1 in der Zelle steuern, seine Giftigkeit beeinflussen. Ausserdem haben die Forscher bei den Eiweissen, die die Giftigkeit erhöhen und die Aggre-

gatbildung fördern, eine Gemeinsamkeit gefunden: In ihrer Struktur kommt eine bestimmte Form vor, die als «Coiled-coil-Motiv» (wörtlich: «doppelt gewundene Spirale») bezeichnet wird. Diese Form begünstigt offenbar die Fehlfaltung, denn Eiweisse, bei denen dieses Strukturmotiv fehlte, hatten keinen schädlichen Einfluss auf die Faltung von Ataxin-1 mehr. Hier sehen die Forscher einen Ansatz für eine mögliche Therapie. Denn eine genaue Analyse der molekularen Details könnte helfen, Medikamente zu entwickeln, die die schädlichen Prozesse unterdrücken.
Quelle: PLoS Genetics, doi: 10.1371/journal.pgen.1002897, Identification of Human Proteins That Modify Misfolding and Proteotoxicity of Pathogenic Ataxin-1.

4/2012

&PSYCHIATRIE NEUROLOGIE

15

&K U R Z B Ü N D I G

Aktuelle Studien – kurz gefasst

Multiple Sklerose bei Kindern und Jugendlichen früh erkennen

Etwa jeder 20. Patient erkrankt bereits als Kind oder Jugendlicher an Multipler Sklerose (MS). Eine rückblickende Untersuchung der Göttinger Universitätsaugenklinik zeigt nun, dass fast die Hälfte der jungen Patienten über Beschwerden an den Augen klagen. Die Forscher analysierten Daten von 44 Kindern mit MS, die zwischen 1997 und 2011 an der Universitätsaugenklinik Göttingen untersucht wurden. Darin zeigte sich, dass bei den jungen Patienten häufig eine Entzündung des Sehnervs

auftrat. Die Neuritis nervi optici macht sich durch plötzliche Sehstörungen bemerkbar, die von Schmerzen begleitet sein können. Bei vielen Kindern äusserten sich erste Anzeichen einer Erkrankung auch als Nystagmus; bei Menschen mit MS oft in Form eines «Upbeat-Nystagmus»: Dabei bewegen sich die Augen aus der neutralen Position in mehr oder weniger regelmässiger Folge schlagartig nach oben. Mitunter führt Multiple Sklerose auch früh zu einer Schwäche in den Augenmuskeln. Bei den jun-

gen Patienten traten ausserdem Entzündungen der Regenbogenhaut im Auge auf. Diese schmerzhafte Uveitis führt zu geröteten, tränenden Augen.
Literatur: M. Pfriem, L. Ababneh, M.P. Schittkowski. Augenärztliche Aspekte Multipler Sklerose im Kindes- und Jugendalter. Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 2012; doi: 10.1055/s-0032-1315045

Kindsmisshandlung: Die Bildgebung gibt oft Aufschluss

Etwa 25 Prozent der Schädel-Hirn-Traumen bei Kindern sind Folge einer Misshandlung, bei den unter 2-Jährigen sind es sogar 75 Prozent. Doch nur bei einem Drittel der Fälle wird dies auch erkannt. Bei der Aufdeckung einer Kindesmisshandlung kommt der bildgebenden Diagnostik mit Magnetresonanz- und Computertomografie (MRT, CT) eine Schlüsselrolle zu. Das Schütteltrauma, eine Form des SchädelHirn-Traumas, ist eine der häufigsten Folgen nach Misshandlung. Äusserlich hinterlässt eine solche Gewalteinwirkung meist keine Spuren. Die Hirnverletzungen zeigen sich erst in der

Bildgebung. In 60 bis 95 Prozent der Fälle kommt es beim Schütteltrauma zu Netzhautblutungen, denn durch die beim Schütteln freigesetzten Schleuderkräfte reissen Blutgefässe in den Augen ein. Die Kombination von mehrzeitigen Subduralhämatomen und Netzhautblutungen ist typisch für das Schütteltrauma. Ein Verdacht auf Misshandlung erhärtet sich, wenn die Bildgebung Misshandlungsspuren der Vergangenheit offenbart: Subduralhämatome sind im MRT-Bild oft mehrere Wochen, andere typische Verletzungsfolgen des Gehirns selbst durch Sauerstoffmangel oder Schwerverletzungen le-

benslang sichtbar. Darüber hinaus kann die frühzeitig durchgeführte MRT eine durch Verletzungen hervorgerufene Störung des SauerstoffKohlendioxid-Austausches in den Blutgefässen feststellen. Eine schnelle Diagnose ist wichtig, um schwere Organschäden oder gar Tod zu verhindern. Allerdings hat nicht jede Misshandlung typische und eindeutige Verletzungsmuster zur Folge oder/und lässt sich von Schädigungen durch einen Unfall abgrenzen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie

&16 4/2012 PSYCHIATRIE NEUROLOGIE