Transkript
EDITORIAL
Neues aus der Epileptologie
N ach einem allgemeinen Überblick über die Diagnostik und Therapie von Epilepsien und die aktuellen Tipps zur genetischen Diagnostik (Beiträge S. 3 und 6) finden Sie in dieser Ausgabe Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Epileptologie und zu häufigen Komorbiditäten. Angststörungen sind nach depressiven Störungen die zweithäufigste psychiatrische Begleiterkrankung bei Epilepsien und werden von vielen Neurologen nach wie vor in ihrer Bedeutung unterschätzt (Beiträge S. 19 und 21). Würmer und Wurmlarven im Gehirn galten bis ins 19. Jahrhundert weltweit als eine der vermeintlich häufigsten Ursachen von Epilepsien. Heute weiss man, dass dies noch für einzelne Länder, z.B. in Südamerika, zutrifft und aufgrund der allgemeinen Reisefreudigkeit, aber auch in Europa immer wieder damit zu rechnen ist, dass sich beispielsweise ein Tourist eine zerebrale Echinokokkose als Ursache seiner neu manifestierten Epilepsie zugezogen hat (S. 13). Sport und Epilepsie schliesst sich allenfalls auf den ersten Blick aus. Schon in der Schule ist eine allgemeine Befreiung vom Schulsport für Kinder mit Epilepsie in aller Regel nicht gerechtfertigt und trägt zu einer Tradierung einer Stigmatisierung bei. Unter Beachtung ausreichender Sicherheitsmassnahmen können Menschen mit Epilepsie selbst Sportarten wie Segeln (S. 8) oder auch Klettern ausüben! Generell sollte Epilepsiekranken ein möglichst selbständiges Leben ermöglicht werden. Dazu tragen auch neue Methoden der Anfallsdetektion und Videoheimüberwachung bei (S. 7). Nichtmedizinischen, psychosozialen Aspekten der Epilepsien kann dadurch mehr Rechnung getragen werden, dass man die Patienten als Experten ihres Lebensalltags begreift (S. 10).
Neudefinition der Pharmakoresistenz An dieser Stelle möchte ich auf eine praxisrelevante Neudefinition der Pharmakoresistenz einer Epilepsie durch eine Ad-hoc-Kommission der
Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE [1, 2])
hinweisen. Es ist noch häufig so, dass einerseits
erst relativ spät die Diagnose einer pharmakoresi-
stenten Epilepsie gestellt wird und andererseits
bei der Erhebung einer Medikamentenanamnese
oft nicht nachvollziehbar ist, worauf die Bewer-
tung eines fehlenden Ansprechens gegenüber
den eingesetzten Wirkstoffen beruhte. Als mini-
mal zu fordernde Zahl von angemessenen und
adäquat eingesetzten Antiepileptika werden neu
zwei vorgeschlagen. Entsprechend lautet die vor-
geschlagene Definition einer pharmakoresisten-
ten Epilepsie: «Versagen der adäquaten Anwen-
dungen von zwei tolerierten und angemessen
dosierten Antiepileptika (sei es als Mono- oder
Kombinationstherapie) zur Erreichung einer dau-
erhaften Anfallsfreiheit». Eine konsequente An-
wendung der neuen Definition in der klinischen
Praxis könnte neben einer begrüssenswerten Ver-
einheitlichung des Sprachgebrauchs und der Er-
fassung klinisch relevanter Daten dazu führen,
dass pharmakoresistente Patienten früher als
bisher Spezialisten zur fachepileptologischen
Evaluation vorgestellt werden. Dies sowohl zur
Überprüfung weiterer medikamentöser Behand-
lungsoptionen mit neuen Wirkstoffen, deren Ein-
satz Nichtspezialisten oft schon aufgrund man-
gelnder Erfahrung scheuen, als auch zur
Überprüfung der Möglichkeiten einer epilepsie-
chirurgischen Intervention.
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Korrespondenzadresse:
Dr. med. Günter Krämer
Schweizerisches Epilepsie-Zentrum
E-Mail: G.Kraemer@swissepi.ch
Referenzen: 1. Krämer G.: Zur Neudefinition der pharmakoresistenten Epilepsie
(Editorial). Akt Neurol 2010; 37: 369–371. 2. Kwan P, Arzimanoglou A, Berg AT, et al.: Definition of drug resistant
epilepsy: Consensus proposal by the ad hoc Task Force of the ILAE Commission on Therapeutic Strategies. Epilepsia 2010; 51: 10691077; autorisierte deutsche Übersetzung (Krämer G). Definition der pharmakoresistenten Epilepsie: Konsensusvorschlag der ad hocTask Force der ILAE-Kommission für therapeutische Strategien. Akt Neurol 2010; 37: 372–381.
5/2011
&PSYCHIATRIE NEUROLOGIE
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