Transkript
FORTBILDUNG
Anfallsdetektion und Videoheimüberwachung bei Epilepsie
Eine kleine Gruppe spezialisierter Krankenpfleger überwacht in den Niederlanden Epileptiker in ihrer Privatumgebung. Ben Vledder ist einer dieser Pioniere. Er richtet die Videokamera im Privathaushalt ein und vermittelt dem Patienten die erforderliche Information zur Bildaufnahme. Anschliessend leitet er die Überwachungsbilder an den Neurologen weiter.
Ben Vledder
5/2011
Psychiatrie & Neurologie: Wann wird die Videoüberwachung daheim durchgeführt? Ben Vledder: Es kann mitunter sehr schwierig sein, eine genaue Anfallsbeobachtung durchzuführen. Beispielsweise dann, wenn die epileptischen Anfälle nur nachts oder sehr unregelmässig auftreten. Um in diesem Fall Sicherheit zu erlangen, stellen wir in der Privatumgebung eine Videoüberwachung mit Infrarot auf. Die Videobilder sind dann eine nützliche Unterstützung zur Anfallserkennung und deren Frequenz. Manchmal setzen wir die Videoüberwachung auch postoperativ ein, wenn die Ärzte unsicher sind, ob die Anfälle wirklich aufgehört haben.
Welche Ausrüstung brauchen Sie, und wie schulen Sie den Patienten? Ben Vledder: Ich stelle eine Kamera mit Stativ, ein Infrarotlicht und ein Mikrofon auf. Ich instruiere den Patienten, sodass er die Kamera auch selber bedienen kann. Im Longplay können wir acht Stunden aufnehmen. Die Bänder reichen also für die ganze Nacht. Meistens weiss der Patient, ob er einen Anfall hatte oder nicht. Die ganzen acht Stunden kann ich – oder der Patient – dann mit erhöhter Geschwindigkeit rund 20-mal schneller durchlaufen lassen. Täglich braucht es für diese Arbeit mindestens eine Stunde. Wenn drei oder mehr Anfälle aufgenommen wurden, wird die Videokamera vom Epilepsiekrankenpfleger abgeholt. Er schneidet das Material zusammen und macht eine Beschreibung der Anfälle. Dann werden die Unterlagen an den Neurologen ausgehändigt.
Wie lange verbleibt die Kamera beim Patienten? Ben Vledder: Die Observationszeit ist abhängig von der Frequenz der Anfälle, in den meisten Fällen sind es ungefähr 25 Tage. Das Softwareprogramm ist sehr sensibel. Es nimmt selbst kleinste Bewegungen auf.
Wie viele Patienten nehmen Sie jährlich auf? Ben Vledder: Jährlich sind es um die 30 bis 40 Patienten. Insgesamt wurden bis anhin 600 Patienten in den
Niederlanden in der privaten Umgebung aufgenommen. Zurzeit läuft ein Spitalprojekt. Über einen Zeitraum von drei Jahren verschalten wir Patienten zu Hause direkt mit dem Spital. Dieses eHealth-Projekt bietet, wenn es positiv ausfällt, die Möglichkeit, den Patienten zu überwachen und notfalls auch Hilfsmassnahmen einzuleiten, obwohl dieser zu Hause ist und nicht im Spital.
Seit wann arbeiten Sie in der Heimüberwachung? Ben Vledder: Ich mache das seit 1989. Anfälle zu registrieren war damals sehr schwierig. Neurologen wollen insbesondere wissen, wann der Anfall beginnt. Daher hatte ich die Idee, die Anfälle mit der Kamera aufzunehmen. Die Familien profitieren, weil die Betroffenen zu Hause in der gewohnten Umgebung bleiben können. Mich freut es sehr, dass es mittlerweile mehrere spezialisierte Pfleger gibt, die eine Videoheimüberwachung durchführen können, und sich das Projekt national ausbreiten konnte. Dieses Arbeitsumfeld des Epilepsiekrankenpflegers befindet sich in einer neuen vielversprechenden Entwicklung, die dazu beitragen kann, dass weniger Epileptiker stationär behandelt werden müssen. Und sicherlich ist die Heimüberwachung für junge Kinder und geistig Behinderte ein grosser Vorteil, weil sie nicht aus der gewohnten Umgebung gerissen werden müssen. Und nicht zuletzt sind diese innovativen Entwicklungen kostengünstiger, weil sie helfen, Spitalaufenthalte zu vermeiden.
Herr Ben Vledder, wir danken Ihnen für das Gespräch. ●
Das Interview führte Annegret Czernotta.
Korrespondenzadresse: Ambulant Epilepsieverpleegkundige Stichting Epilepsie Instellingen Nederland (SEIN)
Postbus 540 NL-2130 AM Hoofddorp E-Mail: bvledder@sein.nl
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