Transkript
Fortbildung
Somatoforme Schmerzstörungen
Kann abnormales Krankheitsverhalten adaptiv sein?
Thomas Knecht
Ausgehend von einem typischen Fallbeispiel geht der Autor der Frage nach, inwieweit das Krankheitsverhalten von Patienten mit anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen Anpassungswert haben kann. Tatsächlich erweist es sich unter bestimmten Bedingungen als brauchbare Überlebensstrategie.
Anhaltende somatoforme Schmerzstörungen werden gemeinhin als Störungen des Schmerzempfindens und -erlebens aufgefasst. Gemäss ICD-10 (4) besteht das entscheidende Merkmal in einem andauernden, unerklärlichen Schmerz, der in Verbindung mit psychosozialen Konflikten auftritt und beträchtliche medizinische oder persönliche Zuwendung auslöst. Von Verhaltensaspekten dieser spezifischen Störung ist im ICD-10 keine Rede; nur im Zusammenhang mit der artverwandten Somatisierungsstörung wird erwähnt, dass diese häufig mit einer lang dauernden Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens einhergeht. Somit könnte davon ausgegangen werden, dass das Krankheitsverhalten von Patienten mit somatoformen Störungen vor allen Dingen maladaptiv ist. Dass dies nicht durchwegs der Fall ist, soll anhand einer typischen Kasuistik aufgezeigt werden.
Fallvignette: 30-jährige Albanerin
Die Patientin wurde als drittes von sechs Kindern eines bereits in der
Schweiz tätigen Gastarbeiters und einer Hausfrau geboren. Als 8-Jährige reiste sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern dem Vater in die Schweiz nach. Sie besuchte die Primar- und Realschule, arbeitete dann als Hilfsarbeiterin in drei verschiedenen Fabriken. Mit 19 Jahren heiratete sie einen Landsmann. Sie brachte ihren ersten Sohn mit 21 Jahren zur Welt, arbeitete dann wieder in einer Elektronikfirma. Zwei Jahre später kam das zweite Kind zur Welt. Nach einem Mutterschaftsurlaub arbeitete sie in einer anderen Firma der Branche als Verpackerin, daneben noch aushilfsweise bei der Post. Im dritten Monat ihrer dritten Schwangerschaft sei es zu einer selbstverschuldeten Kollision mit einem anderen PKW gekommen, was sie emotional stark erschüttert habe. Danach habe sie Schmerzen in Thorax und Unterbauch gehabt, welche sich in der Folgezeit auf den ganzen Körper ausweiteten. Sie blieb jedoch vorerst arbeitsfähig. Ein halbes Jahr später kam ihr drittes Kind zur Welt. Als sie nach dem Mutterschaftsurlaub ihre Berufstätigkeit
wieder aufnehmen wollte, habe sie überall Schmerzen verspürt und die Arbeit nach wenigen Tagen niedergelegt. Danach kam es zu keinem Arbeitsversuch mehr, hingegen zu einer Anmeldung bei der Invalidenversicherung. Die Patientin pendelte nun zwischen Hausarzt, Chiropraktiker, Physiotherapeut, Psychiater und weiteren Spezialisten hin und her, ohne dass sich eine wesentliche Veränderung ergab. Bei einer gutachterlichen Untersuchung wurden folgende Beschwerden geltend gemacht: Müdigkeit, Muskelschwäche, nackenbetonte Dauerkopfschmerzen, daneben diffuse Schmerzempfindungen im ganzen Körper, ungerichteter Schwindel, Kurzatmigkeit, gelegentlich Übelkeit. Klinisch imponierte ein kleinschrittiges Gangbild mit demonstrativem Schonhinken. Erschwerte Gangformen wurden wegen befürchteter Schmerzen verweigert. Des Weiteren zeigte sich eine Haltungsinsuffizienz der Wirbelsäule bei Berührungsempfindlichkeit der gesamten Weichteile. Eine dramatisierende Schmerzangabe bei der Beweglichkeitsprüfung der gesamten Wirbelsäule wurde vermerkt. Die Diagnose des Rheumatologen lautete: anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Panvertebralsyndrom, worauf die Patientin zu 100 Prozent arbeitsfähig geschrieben wurde.
Befindlichkeitsstörungen und Beschwerdenbewältigung
Das recht unspezifische Beschwerdebild dieser Patientin erinnert stark an die unspezifische Befindlichkeitsstörung, wie sie von Widder (21) ausführlich beschrieben wurde: Erschöpfbar-
31
Neurologie 3•2009
Fortbildung
32
keit, Müdigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Muskel- und Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Schlafstörungen, Angstzustände und anderes mehr sind dabei die charakteristischen Symptome. Ein ähnlicher «psychogener Symptomenkomplex», welcher gehäuft bei südländischen Rentenbewerbern in Erscheinung trete, wurde von Schröder et al. (18) beschrieben, wobei regelhaft mit den folgenden Symptomen zu rechnen sei: Schmerzen, Schwindel, Kraftlosigkeit, Vergesslichkeit, Reizbarkeit, Schwunglosigkeit, Schlafstörungen und anderes mehr. Diese Autoren erklärten das Zustandekommen dieser Störungsbilder mit belastenden Arbeitsbedingungen, fehlender Konfliktbewältigung, Versorgungswünschen und der leichteren Auslösbarkeit des «Gefühls körperlicher Krankheit», zum Beispiel durch Bagatelltraumata. Hausotter et al. (6) räumen ein, dass das Einnehmen der Krankenrolle durchaus Schutz vor Überforderung und Gesichtsverlust sein könne, dass aber die strikte Dichotomie von psychischen und körperlichen Leiden dem südländischen Patienten oftmals fremd sei, zumal in dessen Kulturkreis persönliches Leid ganz elementar als körperlich erlebt und ausgedrückt werde. Der mitteleuropäische Arzt nehme dann das körperliche Leidensangebot bereitwillig an, müsse aber bald feststellen, dass konventionelle analgetische Therapien ohne Erfolg bleiben. In diesem Sinne korrespondiere die Medikalisierung der psychosozialen Problemlage durch den Arzt mit der Somatisierung derselbigen durch den Patienten. Damit sei die somatoforme Störung ein soziales Kunstprodukt, welches sich aus den Diskrepanzen der gegenseitigen Rollenerwartungen von Arzt und Patient ergebe. Diese Autoren konzedieren jedoch, dass bereits bei Migrantenkindern mehr regressive Tendenzen wie Daumenlutschen, Enuresis, Enkopresis, Schlaf- und Sprachstörungen sowie psychosomatische Phänomene beobachtbar seien,
was wohl den Boden für spätere Somatisierungsprozesse vorbereite. Keel et al. (9) stellten fest, dass psychische und soziale Faktoren tatsächlich mehr zum schlechten Outcome bei Südeuropäern beitrugen als die objektivierbaren Befunde. Damit ist die Problematik der dysfunktionalen Beschwerdebewältigung angesprochen, über das sich der Autor (10) bereits in einer früheren Arbeit einlässlich geäussert hat: Dazu gehören besondere Wahrnehmungsstile (interozeptiv, amplifizierend, katastrophisierend), aber auch Verhaltenstendenzen (forciertes Schonverhalten, Selbstlimitierung, Malkooperation, Simulation), welche per se keinen Krankheitswert besitzen, sondern sogenannte «Psychismen», das heisst vorangelegte Verarbeitungsmuster zur Störungsbewältigung, darstellen. Es ist im Folgenden die Frage nach dem Anpassungswert dieser Phänomene zu stellen.
Krankenrolle und (abnormes) Krankheitsverhalten
Krankenfürsorge ist eine uralte Errungenschaft aller menschlicher Kulturen, welche den reziproken Altruismus als psychologische Grundlage hat, das heisst das Prinzip von zeitverschobener Leistung und Gegenleistung (19). Dieses Prinzip entstand evolutionär in übersichtlichen Sozialverbänden, wo Individuen einander kannten, ihr Verhalten gegenseitig überwachen konnten und künftige Kooperationen (nach dem Motto «wie du mir, so ich dir») abzusehen waren. Im Zuge des Grösserwerdens der Populationen mit zunehmender Anonymität lockerte sich dieses Band der gegenseitigen Verpflichtungen ein Stück weit. Trotzdem werden den Kranken auch in der modernen Gesellschaft ganz klar Gegenleistungen abverlangt. Parsons (15) erläuterte dies bei seiner Konzeptualisierung der «Krankenrolle» (sick role). Diese werden einem erkrankten Mitglied der Gemeinschaft nur unter bestimmten Bedingungen gewährt: So müsse eine physische oder psychische Störung ausgewiesen sein, ebenso be-
steht die Erwartung, dass die Privilegien des Krankenstandes nicht über Gebühr beansprucht werden; vielmehr ist der Kranke gefordert, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um rasch wieder zu genesen, damit die besagten Privilegien (schrittweise) zurückgezogen werden können und die Gemeinschaft entlastet werden kann. So ist der Patient gehalten, weitere Gesundheitsschäden zu vermeiden, ärztliche Hilfe aufzusuchen und bei den Behandlungen zu kooperieren, auf dass er seine sozialen Funktionen raschestmöglich wieder aufnehmen könne (vgl. die sozialversicherungsrechtlichen Begriffe der Schadenminderungs-, der Mitwirkungs- und der Selbsteingliederungspflicht). Dass es beim Ausfüllen der Krankenrolle immer individuelle Unterschiede gibt, war Mechanic (12) schon 1962 klar, als er das Konzept des «Krankheitsverhaltens» (illness behavior) entwickelte: Dieser Autor betonte, dass sowohl die Wahrnehmung als auch die Bewertung wie auch das Ausleben der Beschwerden und Beeinträchtigungen im Krankheitsfall grosse individuelle Unterschiede zeige, was von diversen Persönlichkeitsfaktoren wie Alter, Geschlecht, sozialer Stellung und kultureller Prägung abhänge. Pilowsky (17) definierte dann das «abnormale Krankheitsverhalten» (abnormal illness behavior) wie folgt: «Persistenz von maladaptiven Mustern der Wahrnehmung, der Bewertung und des Auslebens von Symptomen im Verhältnis zum effektiven Gesundheitszustand. Dies, obwohl eine Medizinalperson eine einleuchtende und korrekte Erklärung betreffend die Natur des Leidens und den einzuschlagenden Behandlungsweg abgegeben hat und obwohl es nach gründlicher Untersuchung genügend Gelegenheit zur Diskussion und zur Klärung gegeben hat.» Dies wiederum erinnert an die Feststellung der ICD-10, dass diese Patienten oft empfindlich darauf reagieren, wenn es ihnen nicht gelungen ist, Ärzte von der grundsätzlich körperlichen Natur ihrer Krankheit
Neurologie 3•2009
Fortbildung
und von der Notwendigkeit weiterer Nachforschungen und Untersuchungen zu überzeugen.
Invalidisierungsprozess und Symptomausweitung
Verschiedene Autoren haben sich der Psychodynamik dieser besonderen Krankheitsprozesse gewidmet, welche auch ohne plausibles organisches Substrat oft in der vollständigen Invalidität enden. So beschrieben Hirschfeld et al. (7) schon 1963, wie ein Unfall in gewissen Fällen zur Scheinlösung für die psychosozialen Probleme des Patienten werden könne. Die Chronifizierung würde dann durch das soziale System begünstigt, welche die Invalidität zum Dreh- und Angelpunkt der finanziellen Entschädigung mache. Weinstein (20) prägte dann die Begriffe «Krankheitsprozess» und «Invalidisierungsprozess», indem er das besagte Grundprinzip generalisierte. Nach diesem Autor stehen am Anfang dieser desaströsen Entwicklungen psychische Probleme, welche durch fassbare psychosoziale Belastungen durchaus erklärt werden können und das Selbstwertgefühl der Betroffenen belasten. Deren Selbstwertkrise könne verstärkt werden, wenn dann subjektiv und objektiv festgestellt werde, dass ihre beruflichen Leistungen den Anforderungen nicht mehr genügten. Wenn in dieser kritischen Phase eine geringfügige Gesundheitsschädigung eintrete, könne dies die Arbeitsproduktivitätsabnahme legitimieren. Die Insuffizienz am Arbeitsplatz werde durch die Präsentation körperlicher Symptome akzeptabel, wodurch das Stigma der psychischen Störung oder gar der Arbeitsverweigerung entfalle. Konsekutiv würden dann die familiären und gesellschaftlichen Unterstützungsmechanismen aktiviert, was das Krankheitsverhalten gleichsam konservieren könne. Durch «Symptomausweitung» im Sinne von Matheson (11) würde dieses Krankheitsgeschehen noch amplifiziert: «Es kann vorkommen, dass sich diese Patienten dann in einem
Gefüge diffuser Beschwerden einrichten, über die sie ihre Innen- und Aussenwelt steuern, weil sich diese Beschwerden ja als wirksames Kommunikationsmittel erwiesen haben, welches von den Behandlern und vom Umfeld bereits ab Beginn der Beschwerden verstärkt wurde.» Oliveri et al. (14) legten dar, dass eine Symptomausweitung auf fünf Beobachtungsebenen evaluiert werden kann: ◆ Symptombeschreibung: Hier seien
Intensität und Topografie der Beschwerden oft unplausibel. ◆ Funktionseinschränkungen: Auch diese seien aufgrund des ausgeprägten Schon- und Vermeidungsverhaltens nicht überzeugend. ◆ Soziale Rolle der Symptome: Diese ermöglichen eine Kontrolle über das persönliche Umfeld. ◆ Leistungsbereitschaft: Hier sei eine unverhältnismässige Abnahme zu verzeichnen, was sich bei diversen Belastungserprobungen zeige. ◆ Inkonsistenzen: Diese können sowohl die Angaben des Patienten wie auch sein Leistungsverhalten in der Rehabilitation betreffen.
Besonderheiten bei Migranten
Darauf, dass Migranten in ihrem Krankheitserleben und -verhalten gewisse Besonderheiten aufweisen, wurde in der Literatur schon verschiedentlich hingewiesen. So ist schon seit Längerem bekannt, dass Schmerzschwellen und Schmerztoleranzgrenzen sowohl interindividuell als auch zwischen den Ethnien variieren können (3, 5, 13): So wurde etwa bei Frauen italienischer Herkunft eine tiefere Schmerztoleranzgrenze gefunden als bei Amerikanerinnen. Es wurden thermische Reize aufsteigender Stärke von Nordeuropäern immer noch als warm empfunden, wenn für Südeuropäer bereits die Schmerzgrenze erreicht war. Wiederholt wurde festgestellt, dass Afroamerikaner signifikant tiefere Hitze- und Druckschmerzschwellen zeigten als ihre weisshäutigen Landsleute.
Perrin (16) zeigte, dass die Schmerzempfindungen bei unspezifischen Lumbalgien von portugiesischen Emigranten schneller als ernsthaft medizinisches Problem aufgefasst wurden, als von Einheimischen, welche dies als Ausdruck muskulärer Erschöpfung erlebten. Keel (8) stellte bezüglich des Krankheitsverhaltens fest, dass Patienten mit mediterranem Hintergrund stärker auf Passivität und Selbstschonung setzten und die Verantwortung für die Genesung gänzlich beim Arzt sahen. Barolin et al. (1) verzeichneten eine rund 10-fache Überrepräsentation südosteuropäischer Arbeitsmigranten in ihrem versicherungsrechtlichen Explorandengut und stellten bei diesen ein markant längeres Überdauern postoperativer Beschwerden fest. Ausserdem wurde an verschiedenen Orten schon festgestellt, dass Rentenstreitigkeiten bei finaler Entschädigungshaltung der Patienten ein besonders zähes Rehabilitationshindernis darstellen. Wenn wir nun auf die zentralen Konzepte der Krankenrolle und des Krankheitsverhaltens zurückkommen, so muss konstatiert werden, dass in diesen Bereichen erhebliche Unterschiede zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien bestehen. Die bis zu 10-fache Überrepräsentation (eigene Auszählung) südöstlicher Rentenbewerber kann mit einer beruflichen Mehrbelastung dieser Population nicht hinreichend erklärt werden, sind es doch keineswegs die männlichen Schwerstarbeiter, die hier ins Gewicht fallen. Vielmehr sind Hausfrauen und Mütter übervertreten, die im Sinne einer Doppelbelastung neben ihrer Familienarbeit noch ein volles Pensum an Hilfsarbeitertätigkeit leisten müssen (vgl. unser Beispiel). Nicht selten wird dann versucht, durch «Flucht in die Krankheit» einen Rückzug aus dieser klaren Überlastungssituation einzuleiten. Gefühle der Überforderung, Verzweiflung, oft auch der Deprimiertheit machen für diffuse Weichteilbeschwerden noch
33
Neurologie 3•2009
Fortbildung
empfänglicher; die Loyalität gegenüber den eigenen Angehörigen und die Verwurzelung in der patriarchalen Herkunftskultur verhindern, dass ein verstärktes Engagement der Ehemänner bei der Familienarbeit eingefordert wird. Demgegenüber fällt es leichter, sich aus dem wirtschaftlichen Leistungsbereich zurückzuziehen und die benötigten Einkommenszuflüsse vom Gesamtsystem (resp. den Sozialversicherungen) erhältlich zu machen, zumal hier das Prinzip der reziproken Verpflichtung weitgehend aufgelockert ist. Wird der Rentenantrag genehmigt, so kann die (Rest-) Arbeitsfähigkeit ungeteilt der eigenen Sippschaft zur Verfügung gestellt werden; trotz Verharren in der Krankenrolle fliessen der Familie die lebensnotwendigen finanziellen Ressourcen weiterhin zu («tertiärer Krankheitsgewinn»).
Betrachtet man dieses Geschehen aus systemischer Warte, so erhält das individuelle, maladaptive Krankheitsverhalten durchaus einen gewissen Anpassungswert für die betreffende Subpopulation. Dieser Umstand erinnert daran, dass es eben nicht nur den reziproken Altruismus gibt, bei dem jeder mit jedem auf der Basis von Gegenseitigkeit kooperieren kann. Vielmehr existiert daneben der sogenannte «parochiale Altruismus» (2), bei welchem Angehörige von Subpopulationen (welche ethnisch, rassisch, ideologisch oder religiös definiert sein können) untereinander intensiver zusammenwirken, die Reziprozität gegenüber dem Gesamtkollektiv jedoch teilweise vermissen lassen, sodass auf dieser makrosozialen Ebene die Balance von Geben und Nehmen unter Umständen deutlich gestört sein kann. Für die Angehöri-
gen der in der Diaspora lebenden ethnischen Minorität erweist sich dieses Krankheitsverhalten jedoch als brauchbare Überlebensstrategie. ◆
Dr. med. Thomas Knecht Leitender Arzt Bereich Sucht und
Forensik Psychiatrische Klinik
Postfach 154 8596 Münsterlingen
Interessenkonflikte: keine
34
Literatur:
1. Barolin G, Schmid H, Cziudaj E (1991): Die Gutachtensituation als pathoplastischer Faktor. Wiener Medizinische Wochenschrift 1; Suppl.Nr. 109: 20–36.
2. Bernhard H, Fischbacher U, Fehr E (2006): Parochial altruism in humans Nature 44: 912–915.
3. Campbell CM, Edwards RR, Fillingim RB (2005): Ethnic differences in responses to multiple experimental pain stimuli, Pain 113, 20–26.
4. Dilling H, Mombour W, Schmidt M-H (2000): Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10, Huber, Bern.
5. Edwards CL, Fillingeim RB, Keefe F (2001): Race, ethnicity and pain Pain 94, 133–137.
6. Hausotter W, Schouler-Ocak M (2007): Begutachtung bei Menschen mit Migrationshintergrund unter medizinischen und psychologischen Aspekten. Urban & Fischer, München.
7. Hirschfeld AH, Behan RC (1963): The accident process. Etiological considerations of industrial injuries. JAMA, 186, 193–199.
8. Keel P, Calanchini C (1989): Chronische Rückenschmerzen bei Gastarbeitern aus Mittelmeerländern im Vergleich zu Patienten aus Mitteleuropa: Demographische und psychosoziale Aspekte. Schweiz Med Wschr, 119, 22–31.
9. Keel P (2007): Das Vermeiden der Chronifizierung unspezifischer lumbaler Rückenschmerzen. Teil 1: Hintergründe der Chronifizierung, Handlungsbedarf in den Phasen des Verlaufs Schweiz Med Forum, 97, 514–519.
10. Knecht T (2008): Wenn der Schmerzpatient nicht arbeitet – Phänomene der dysfunktionalen Beschwerdenbewältigung als Rehabilitationshindernisse. Schweiz Med Forum, 8, 797–802.
11. Matheson LN (1988): Symptom magnification syndrome. In: Isenhagen SJ (Hrsg.): Work injury management and prevention. Aspen Publications, Gaithesburg, Maryland, 257– 282.
12. Mechanic (1962): Thea concept of illness behaviour. J Chron Dis 13, 189–194.
13. Melzack R, Wall PD (1982): Le défi de la douleur. Maloine Paris, 15–36.
14. Oliveri M, Kopp HG, Stutz K, Lipstein A, Zollikofer J (2006): Grundsätze der ärztlichen Beurteilung der Zumutbarkeit und Arbeitsfähigkeit, Teil 2. Schweiz Med Forum 6, 448–454.
15. Parsons T (1951): The social system. Free Press of Glencoe, New York.
16. Perrin E (1993/94): Passage d’un système de soins à un système de santé: l’exemple du mal de dos Ethnologica Helvetica, 17/18, 151–168.
17. Pilowsky J (1969): Abnormal illness behaviour. Br J Med Psychol, 42: 347–351.
18. Schröder S, Täschner K-L (1989): Ein psychogener Symptomenkomplex bei südländischen Rentenbewerbern. Med Sach, 85: 174–177.
19. Trivers RL (1971): The evolution of reciprocal altruism. Q Rev Biol, 46: S. 35–57.
20. Weinstein MR (1978): The concept of the disability process. Psychosomatics, 19: 94–97.
21. Widder B (2000): Schmerzsyndrome und Befindlichkeitsstörungen. In: Rauschelbach HH, Jochheim KA, Widder B. (Hrsg.): Das neurologische Gutachten. Thieme, Stuttgart, 422–444.
Neurologie 3•2009