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Zervikale Knoten – welche gibt es und was ist zu tun?
Zervikale Knoten kommen bei Kindern häufig vor. Die primäre Einschätzung gelingt mittels Anamnese und klinischer Untersuchung. Eine Laboranalyse sollte zielgerichtet erfolgen. Eine empirische Therapie ist bei Lymphadenitis durchführbar. Bei Persistenz eines Knotens und/oder Verschlechterung des Allgemeinzustands sollte eine Überweisung an den HNO-Facharzt erfolgen zur erweiterten Diagnostik mittels Bildgebung und zytologischer/histologischer Klärung.
Von Nicolas Gürtler
Zervikale Knoten im Kindesalter sind sehr häufig und meist einer entzündlichen-infektiösen, gutartigen oder kongenitalen Genese zuzuordnen. Doch kann sich in 10 bis 15 Prozent ein malignes Geschehen dahinter verbergen, weshalb viele Eltern beunruhigt sind. Tatsächlich sind 10 bis 25 Prozent aller malignen pädiatrischen Tumore im Kopf-Halsbereich lokalisiert (1, 2). Leider gibt es keine guten Clinical-PracticeGuidelines, wie ein zervikaler Knoten beim Kind abzuklären ist. Die hier aufgeführten Überlegungen sollen dabei helfen, eine Übersicht zu gewinnen.
Seit Geburt bestehende indolente Knoten sind meist Halszysten/-fisteln, Epidermoidzysten oder vaskuläre Malformationen.
Anamnese und klinische Untersuchung
Die Abklärung beginnt mit einer umfassenden Anamnese. Der zeitliche Ablauf (Beginn, Dauer, Entwicklung), frühere Episoden, solitär oder multipel, Dolenz, vorangegangener Infekt, bekannte chronische Erkrankungen, Tierexposition und Reiseanamnese sollten erfasst werden. Eine sich daran anschliessende klinische Untersuchung lässt alleine schon aufgrund der Inspektion, Palpation und der anatomischen Lokalisation die Differenzialdiagnose weiter einengen. So deuten Schmerzen und Fieber auf ein entzündliches Geschehen hin, derbe Befunde von einer Grösse > 2 cm sind malignitätsverdächtig. Knoten vor dem Musculus sternocleidomastoideus sind meist Lymphknoten, wenn multipel, oder laterale Halszysten, wenn solitär. Ein mittig gelegener Knoten könnte eine mediane Halszyste darstellen (1, 3).
Kongenitale Knoten
Seit Geburt bestehende indolente Knoten sind meist einer der folgenden Entitäten zuzuordnen: Halszysten/-fisteln, Epidermoidzysten oder vaskuläre Malformationen. Zysten sind palpatorisch weich bis fluktuierend. Die mediane Halszyste ist zwischen Oberrand Thyroid und Hyoid ge-
legen und bewegt sich beim Schlucken mit. Die laterale Halszyste liegt am Vorderrand des Muskulus sternocleidomastoideus und kann gelegentlich eine Fistelöffnung aufweisen. Eine sonographische Untersuchung ist bei der Diagnosestellung sehr hilfreich. Sie wird in der pädiatrischen Otorhinolaryngologie (ORL) routinemässig durchgeführt und dient auch dazu, eine orthotope oder, sehr selten, eine rein linguale Schilddrüsenlage vor Resektion einer medianen Halszyste zu verifizieren. Beide Zystenarten sollten operativ entfernt werden, wobei bei der medianen Halszyste die Resektion des Mittelteils des Hyoids empfohlen wird, da versprengte Schilddrüsenzellen intrakartilaginär vorhanden sein können und die dorsal liegende Zungenmuskulatur auf allfällige Fistelausbreitung Richtung Zungengrund inspiziert werden sollte. Ein interkurrenter Infekt kann antibiotisch behandelt werden. Eine Abszedierung mit allfälliger Inzision erhöht das Risiko eines Rezidivs postoperativ (1, 3). Vaskuläre Malformationen sind meist weich. Ein rötlicher Aspekt der Haut lässt an ein Hämangiom denken. Nach sonographischer Voreinschätzung wird zur genauen Identifizierung und Typisierung ein Gefäss-MR durchgeführt (1, 3). Jede vaskuläre Malformation sollte heutzutage in einem interdisziplinären Board besprochen werden. Das infantile Hämangiom spricht meist auf eine Betablockertherapie an. Gelegentlich ist eine Biopsie mit allfälligem Nachweis des GLUT1-Rezeptors indiziert, um die infantile von der kongenitalen Form zu unterscheiden, da im letzteren Fall eine Betablockertherapie wenig erfolgversprechend ist.
Entzündliche Knoten
Der entzündliche Knoten ist mit Abstand der häufigste, wobei wiederum die Lymphadenopathie heraussticht (1−3). Folgende Titerbestimmungen können für die Diagnosestellung hilfreich sein: Bartonella henselae, Cytomegalievirus, Human-Immuno-Deficiency, Epstein-Barr, Toxoplasmose. Die Laborabklärung sollte gezielt durchgeführt werden: ist ein Kontakt mit Katzen möglich (Bartonella)? Keine Besserung auf Antibiotika (viral)? Bei spezi-
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fischer Reiseanamnese (Afrika, Südamerika, Asien) sollte allfällig auch das Tropeninstitut kontaktiert werden und bei Asylbewerbern muss auch an Tuberkulose gedacht werden (1, 3, 4). Eine Überweisung an den HNO-Facharzt sollte bei Persistenz/Verschlechterung des Allgemeinzustands und/oder zur histologischen Klärung erfolgen.
Benigne und maligne Knoten
Obwohl in den weitaus meisten Fällen eine benigne Lymphadenopathie vorliegt, geht es auch darum, ein mögliches malignes Geschehen zu diagnostizieren. An das Lymphom sollte immer gedacht werden. Das Lymphom stellt das dritthäufigste Karzinom im Kindesalter dar und ist die häufigste Neoplasie, die sich hinter einem zervikalen Knoten verbergen kann (2). Klinische «red flags» sind supraklavikuläre Lokalisation, eine Grösse von > 2 cm und fehlendes Ansprechen auf antibiotische Therapie. Eine Abklärung in einem zeitlich vernünftigen Rahmen, innert 4 bis 6 Wochen, sollte angestrebt werden. Nicht zuletzt auch zur Beruhigung der Eltern, die verständlicherweise oft verängstigt sind, sollte die Differenzialdiagnose eines Malignoms erwähnt werden. Eine sehr gute Übersicht findet sich in der Arbeit von Locke et al. (2). Wenn keine der «red flags» vorliegen, empfiehlt sich die Durchführung der oben aufgeführten Serologien und Hämatologie. Sollten die Resultate negativ und der Knoten nach 4 Wochen unverändert oder grösser sein, sollte eine Überweisung zur sonographischen Abklärung, Feinnadelpunktion (FNP) oder Exzisionsbiopsie erwogen werden. Eine FNP ist schon bei Kindern ab Kindergartenalter ohne Narkose durchführbar. Sensitivität und Spezifität liegen etwa im Bereich von 90 Prozent (2–4). Sie kann für Gramfärbung, Kultur, Immunozytochemie und Zytogenetik verwendet werden. Die FNP hat 2 Nachteile, deren man sich bewusst sein muss: Eine Malignität kann verpasst werden und die histologische Architektur kann nicht untersucht werden. Dennoch stellt sie eine sehr praktikable Methode
dar mit klar niedrigerem Risikoprofil im Vergleich zur Exzision in Narkose, bei der Komplikationen doch in ca. 10 Prozent auftreten können.
Das Lymphom stellt das dritthäufigste Karzinom im Kindesalter dar und ist die häufigste Neoplasie, die sich hinter einem zervikalen Knoten verbergen kann.
Zusammenfassung
Der zervikale Knoten ist meist mit Anamnese und klinischer Untersuchung bereits gut eingrenzbar. Labor und Bildgebung sind weitere hilfreich diagnostische Mittel. Bei Unklarheiten sollte eine Überweisung an den HNO-Facharzt zur erweiterten Abklärung erfolgen.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Nicolas Gürtler Konsiliararzt HNO Leiter pädiatrische ORL Leitender Arzt HNO USB Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) Spitalstrasse 33 4056 Basel
Interessenlage: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
Literatur: 1. Goins MR, Beasley MS: Pediatric Neck Masses. Oral Maxillofacial Surg Clin N Am. 2012;24(3):457-468. 2. Locke R et al.: When does an enlarged cervical lymph node in a child need excision? A systematic review. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2014;78(3):393-401. 3. Meier JD, Grimmer JF: Evaluation and Management of Neck Masses in Children. Am Fam Physician. 2014;89(5):353-358. 4. Charron MP et al.: Histology of solid lateral cervical masses biopsied in children. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2014;78(1):39-45.
Psychische Störungen bei jungen Menschen
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Service
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Viele Jugendliche haben mit Depressionen und Angststörungen zu kämpfen – und das in einer Lebensphase, die ohnehin meist einer emotionalen Achterbahnfahrt gleicht. Die neue Graphic Novel «Auf und ab» erklärt jungen Menschen anschaulich und altersgerecht die Entstehung von psychischen Krisen. In Szene gesetzt wurde die alltagsnahe Geschichte der 16-jährigen Identifikationsfigur Noah vom Illustrator Max Hillerzeder. Neben dem Comic gehört zu der 120-seitigen Publikation auch ein Textteil von etwa 40 Seiten, der dabei hilft, psychische Vorgänge besser zu verstehen und Strategien zum Umgang mit seelischen Herausforderungen zu entwickeln. Das Buch richtet sich auch an Eltern und weitere Fami-
lienmitglieder sowie an Lehrkräfte, Erzieher und Therapeuten. Die Graphic Novel ist beim Hogrefe Verlag in Bern erschienen. Informationen über Lesungen, aktuelle Entwicklungen und Folgeprojekte findeen sich über den Instagram-Kanal des Projekts @aufundab comic.
Universitätsklinikum Würzburg/PS
Medienmitteilung des Universitätsklinikums Würzburg vom 10. Oktober 2023
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