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Schwerpunkt
Wunden kleben oder nähen?
Kleinere und grössere Schnitt-, Stichverletzungen und Riss-Quetsch-Wunden bei Kindern gehören zum Alltag in Arztpraxen und Notfallstationen. Es gibt verschiedene Methoden, um die Wundheilung zu unterstützen. Die Wundrandadaptation mittels Naht ist eine davon, der Wundverschluss mittels Gewebekleber eine andere.
Von Michel Ramser
Der Fokus liegt jedoch nicht nur auf der sorgfältigen Wundbehandlung, sondern es gilt auch – im Besonderen in der Kindernotfallmedizin – die Prozeduren möglichst angst- und schmerzfrei zu gestalten. Nicht zuletzt sind auch nachbehandelnde Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der weiteren Behandlung, beispielsweise bei einer allfälligen Fadenentfernung, dankbar, wenn das Kind nicht nach einem vorgängigen, als traumatisierend empfundenen Prozess jegliche Kooperationsbereitschaft verweigert.
Sorgfältige Vorbereitung des Eingriffs
Im Tagesgeschäft in einer belebten Notfallstation, genauso wie in einer hoch frequentierten Praxis, ist es bisweilen schwierig, sich die erforderliche Zeit zu nehmen, um eine Intervention kindgerecht zu planen und durchzuführen. Dennoch ist es der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung. Prozeduren zwischen Tür und Angel sind oftmals zum Scheitern verurteilt. Zur Vorbereitung gehört in der Kindernotfallmedizin zuallererst die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit und Dringlichkeit des vorgesehenen Notfalleingriffs und der klinischen Relevanz für die optimale weitere Behandlung. Sogenannte Routineuntersuchungen und -interventionen ohne individuelle Indikationsstellung sollen möglichst vermieden werden. Nicht nur, aber gerade in Notfallsituationen kann die Schmerzwahrnehmung des Kindes durch emotionale Faktoren wie Angst, Kummer, Wut und schlechte Stimmung verstärkt werden. Stress erhöht die Schmerzwahrnehmung. Es gilt Ruhe zu bewahren respektive zu vermitteln: Manchmal muss man abwarten, bis der «Fight-or-flight»Impuls vorbei ist. Ablenkungsaufgaben, die Aufmerksamkeitskapazitäten erfordern (z. B. Arbeitsgedächtnis), die sonst für die Verarbeitung von Schmerzinformationen zur Verfügung stehen, führen zu einer geringeren Schmerzwahrnehmung. Konzentration erfordernde Aufgaben können Zeichnen, Zahlenspiele, VR-Spiele auf dem Tablet oder Ähnliches sein. Eine aktive Aufgabenstellung funktioniert erfahrungsgemäss besser als passive Ablenkung, wie Filme auf dem Smartphone schauen, allerdings muss das Kind oftmals erst für die Mitarbeit gewonnen werden. Aus diesem Grund ist eine Hilfsperson, die primär für das Kind und nicht für die Prozedur zuständig ist, oftmals sinnvoll. Eltern können eine Hilfe sein, aber unter Um-
ständen auch zu einer Exazerbation der Stresssituation beitragen. Trotz alledem sollte eine Basismedikation erfolgen (z. B. mit Ibuprofen, Paracetamol) und die Dauer bis zum Wirk eintritt antizipiert werden. Bei der Frage: «Wird es wehtun?» ist eine ehrliche Antwort gefordert, die keine Ängste heraufbeschwört, beispielsweise «Manche Kinder sagen, es tut etwas weh, andere stören sich nicht so daran». Als Prinzip gilt: Positiv formulieren, aber nicht lügen (Tabelle 1). Schmerzskalen sollen verwendet werden, wenn möglich zur Eigenbeurteilung und zur Beurteilung seitens der Eltern. Die Visual Analog Scale (VAS) dient der Schmerzquantifizierung, in der Regel ab einem Alter von 8 Jahren. Für Säuglinge und Kleinkinder, welche sich entsprechend verbal nicht äussern können, kann die Schmerzempfindung anhand der Beurteilung von Verhaltensweisen, im Fall des sogenannten FLACC-Scores anhand der Bewertung von Mimik (face), Bewegung der Extremitäten (limb), genereller Aktivität (activity), Schreiverhalten (cry) und Reaktion auf Beruhigungsmassnahmen (consolability), beurteilt werden.
Lokalanästhesie
Unabhängig von der Methode der Wundrandadaption verwenden wir eine LET-Lösung, eine Mischung zweier topischer Anästhetika mit Adrenalinzusatz, welche im Bereich der Wunde lokal aufgetragen wird. Das Akronym LET entspricht den Inhaltsstoffen. In unserem Spital entspricht eine Ampulle LET à 2 ml 80 mg Lidocain, 1 mg Adrenalin (engl. Epinephrin) und 10 mg Tetracain. Die maximale Dosis für Kinder von 10 mg/kg KG soll nicht überschritten werden. Die LET-Mischung in Gelform ist in der Wundversorgung bei Kindern nun schon seit geraumer Zeit und weitverbreitet etabliert. Sie erlaubt die schmerzfreie Wundrandadaptation oberflächlicher Wunden ohne weitere Infiltration von Lokalanästhetika. Bei uns und in diversen Kinderkliniken wird – trotz Vasokonstriktorenzusatz – LET auch in der Versorgung von Akren (Fingerbeeren, Nasenspitze, Ohrläppchen) ohne Probleme verwendet. Auf Schleimhäuten ist die Applikation von LET-Gel allerdings nicht zugelassen. Enoral kann bei Bedarf mittels Xylocain-Spray (Lidocain 10%) eine adäquate Schleimhautanästhesie erzielt werden. Die maximale Dosis wird
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mit 3 bis 5 mg/kg KG angegeben, ein Sprühstoss enthält 10 mg Lidocain. Etwas nachteilig ist – im Gegensatz zum Sprühspray enoral – der Eintritt der erwünschten Wirkung von LET erst nach 45 bis 60 Minuten. Diese Zeitspanne sollte abgewartet werden. Die vasokonstringierende und somit blutstillende Wirkung ist auch bei der Wundrandadaptation mittels Gewebskleber erwünscht, da stark blutende Wunden eine Kontraindikation für den Wundverschluss mit Gewebeklebern darstellen. Aus diesem Grund kann bereits an der Triage LET-Gel auf die Wundränder aufgetragen und die Wunden können mittels Okklusivpflaster (z. B. Tegaderm™) abgedeckt werden, unabhängig von der im Verlauf ärztlich festgelegten Wundrandadaptationsmethode. Bei ausgedehnteren Wundflächen und tiefer reichenden Verletzungen sind bisweilen auch Leitungsblöcke oder Infiltrationsanästhesien notwendig. Für die Infiltrationsund Leitungsanästhesie verwenden wir Lidocain 1%, unter Berücksichtigung einer maximalen Dosis von 5 mg/ kg KG, zum Beispiel bei ausgedehnteren Endgliedverletzungen mit Nagel- und Nagelbettverletzungen. Der anxiolytische, sedative und in geringerem Mass auch analgetische Effekt einer äquimolaren Lachgasmischung (50% N2O/50% O2) kann begleitend genutzt werden, ersetzt aber in der Regel keine Lokal- oder Regionalanästhesie. Wir verwenden zur Lachgasabgabe ein Demand-Ventil, welches anstelle eines kontinuierlichen Gasflusses nur bei Atemzügen Lachgas abgibt. Dieses Demand-Ventil setzt eine aufgesetzte, dicht anliegende
Maske voraus, darum ist eine gewisse Compliance seitens der Kinder erforderlich. Unter dem Alter von 3 bis 4 Jahren ist diese wenig realistisch.
Wundinspektion und Wundreinigung
Wundverschlüsse sind bei den mehrheitlich unkomplizierten Wunden prinzipiell auch 18 bis 24 Stunden nach dem Trauma noch gut möglich, dies gilt insbesondere bei Gesichtsverletzungen. Bei verzögertem Wundrandverschluss über 24 Stunden muss man allerdings mit Wundinfekten rechnen. Insbesondere tiefe, starke verschmutzte Wunden oder Verletzungen bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten sind – auch ohne verzögerte Wundrandadaptation – prädestiniert für Wundinfekte. Durchblutung, Motorik und Sensibilität sind beim Kleinkind oftmals nur eingeschränkt beurteilbar. Die Inspektion des Wundgrunds ist obligat, aber gerade beim Kleinkind aufgrund mangelnder Kooperation und teilweise kleiner Wundfläche erschwert. Bereits ab einer Verletzung der Subkutis kann eine Gefäss- oder Nervenverletzung vorliegen. Wenn eine funktionelle Beeinträchtigung oder ein Fremdkörpereinschluss auf der Notfallstation nicht ausschliessbar ist oder der Verdacht auf eine Verletzung tieferer Strukturen (z. B. Sehnen) vorliegt, muss unter Allgemeinanästhesie und gegebenenfalls unter Beizug der Kinderchirurgie eine Wundgrundinspektion durchgeführt werden. Hierfür darf die Wunde ausreichend erweitert werden. Bei der Wundreinigung gilt zu beachten, dass bei der Wundspülung bei tiefen und unverschmutzten Wunden
Tabelle 1:
Kommunikationsempfehlungen
Das sollte man vermeiden Beruhigung: Du wirst das schaffen, es gibt keinen Grund zur Sorge. Vage Aussagen/negativer Fokus: Das wird jetzt ein bisschen weh tun/nicht weh tun. Ungenaue Information: Die Schwester wird dir etwas Blut abnehmen. Kritik: Du benimmst dich wie ein Baby! Negativer Fokus: Es wird sich wie ein Bienenstich anfühlen. Negativer Fokus: Das wird jetzt so lange dauern wie … Negativer Fokus: Das Medikament wird brennen. Zu viel Kontrolle: Sag mir, wenn du bereit bist. Entschuldigung: Es tut mir leid. Negativer Fokus: Nicht weinen! Negativer Fokus: Es ist vorbei.
So sollte man kommunizieren Ablenkung: Was hast du heute in der Schule gemacht? Sensorische Information: Es könnte sich wie Kneifen anfühlen.
Information über das Verfahren und die damit verbundenen Reize: Zuerst wird die Schwester deinen Arm reinigen, dann wirst du einen kalten Alkoholtupfer spüren und dann … Ablenkung: Lass uns an etwas anderes denken. Erzähle mir etwas über diesen Film … Information: Sag mir, wie es sich anfühlt. Information zum Verfahren/positiver Fokus: Das wird kürzer dauern als … (TV-Programm oder andere Zeitabschnitte, mit denen das Kind vertraut ist). Sensorische Information/positiver Fokus: Manche Kinder sagen, dass sie Wärme spüren. Unterstützung, um die Situation zu bewältigen/Ablenkung mit begrenzter Kontrolle: Ich zähle bis drei und dann pustest du das Gefühl von dir weg. Lob/Bestärkung: Du bist sehr mutig. Lob: Das war hart, ich bin stolz auf dich! Grosses Lob: Das hast du prima gemacht mit dem tief einatmen, dem Stillhalten …
Nach Baruch S et al.: Current concepts in management of pain in children in the emergency department. Lancet. 2016; 387(10013): 83-92.
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Fotos: Ramser
Abbildung 1: Riss-Quetsch-Wunden, welche über das Lippenrot hinausgehen, sollten mittels Naht sorgfältig (stufenlos) im Bereich des Übergangs adaptiert werden.
Abbildung 2: Wunden am Kinn eignen sich in der Regel nicht zum Kleben (Spannung an Wundrändern und u. U. feuchte Umgebung). Hier empfiehlt sich eine Wundnaht.
mit zu viel Druck eingebrachte Spülflüssigkeit dazu führen kann, dass allfällige kleinteilige Fremdkörper von der Wundhöhle ins angrenzende Gewebe gepresst und verteilt werden. Eine feuchte Kompresse bei oberflächlichen Läsionen ist meist ausreichend. Aufgrund der Gewebstoxizität von Desinfektionsmitteln, welche einen nekrotisierenden Effekt haben können (z. B. Octenisept®) sollten für die Wundspülung spezielle Wundspüllösungen (z. B. Prontosan™) verwendet werden. Bei der Versorgung von in der Regel oberflächlichen Wunden auf der Notfallstation kann alternativ auch nur NaCl 0,9% oder Aqua destillata verwendet werden. Auch die Verwendung von Leitungswasser wurde untersucht, ohne Anhaltspunkte für vermehrte Wundinfektionen. Es ist so grundsätzlich wie essenziell, den Tetanus-Impfstatus zu erheben und – falls erforderlich – zu ver vollständigen. Gemäss BAG gilt die in untenstehender Tabelle 2 aufgeführte Impfempfehlung.
Wundnaht
Wundhygiene und Verschlusstechniken müssen prinzipiell keine zwingend sterilen Verfahren sein, aber Instrumente wie Pinzetten, Nadeln/Nahtmaterial müssen steril sein. Generell erfolgt der Wundschluss mit Einzelknopfnähten.
Behaarte Kopfhaut braucht nicht rasiert zu werden. Es genügt, die Haare anzufeuchten und von der Wunde weg zu kämmen. Augenbrauen im Speziellen dürfen nicht rasiert werden, weil die Haut-Haar-Grenze als Leitstruktur zur stufenlosen Adaptation der Wundränder dienen kann und Augenbrauenhaare unter Umständen nach der Wundheilung nicht mehr nachwachsen. Enorale Wunden, insbesondere Wunden im Lippenrot müssen ausser bei grossen Defekten meist nicht primär verschlossen werden. Auch Zungenverletzungen verheilen meist sekundär. Indikation für einen primären Wundverschluss ist eine klaffende und stark blutende Wunde oder von der Zungenspitze längs oder quer verlaufende Verletzungen von mehr als einem Drittel der Zungenbreite. Falls sich durch ein enorales Trauma Hohlräume (z. B. im Bereich Gaumenbogen und Tonsillenlogen) oder Taschen gebildet haben, soll eine antibiotische Prophylaxe mit Co-Amoxicillin für 3 bis 5 Tage erwogen werden. Lippenverletzungen, welche über das Lippenrot hinaus reichen, sollten aus kosmetischen Gründen stufenlos mittels Naht adaptiert werden (Abbildung 1). Hilfreich ist, die erste Naht an der Übertrittsstelle Lippenrot /Oberlippe zu setzen. Perforierende Wunden von enoral nach aussen sollten ebenfalls adaptiert werden, um eine Fistelbildung zu vermeiden.
Tabelle 2:
Impfempfehlungen bei Wunden
Impfstatus dT/dTpa/DTPa-IPV2) < 3 Dosen/unbekannt ≥ 3 Dosen Saubere Wunden dT/dTpa/DTPa-IPV2) IgG3) ja nein ja/nein4) nein Alle anderen Wunden1) dT/dTpa/DTPa-IPV2) ja ja/nein5) IgG 3) ja nein 1) Dazu gehören tiefe und/oder verschmutzte (mit Staub, Erde, Speichel, Stuhl kontaminierte) Wunden, Verletzungen mit Gewebszertrümmerung und reduzierter Sauerstoff- versorgung oder Eindringen von Fremdkörpern (z. B. Quetsch-, Riss-, Stich-, Schusswunden) sowie schwere Verbrennungen oder Erfrierungen, Gewebsnekrosen, septische Aborte. 2) Verabreichung eines Kombinationsimpfstoffs mit Diphtherie. Bei Kindern unter 8 Jahren Verabreichung einer Kombination mit Diphtherie (D, Kinderdosierung), Pertussis (Pa) und Polio (IPV). Bei Kindern zwischen 8 und 15 Jahren sollte die Verabreichung 1 Dosis pa in Betracht gezogen werden (pa in reduzierter Dosis). 3) IgG: Tetanus-Immunoglobulin. 4) Auffrischimpfung, falls letzte Dosis mehr als 10 Jahre zurückliegt. 5) Auffrischimpfung, falls letzte Dosis mehr als 5 Jahre zurückliegt. Quelle: BAG 5+6/23 Pädiatrie 11 Schwerpunkt Um die Fadenentfernung zu umgehen, empfiehlt es sich bei kleinen Kindern, ausser bei Wunden im Gesichtsbereich, wenn möglich resorbierbares Nahtmaterial zu verwenden. Geflochtene Fäden geben vermehrt Halt bei Knoten, allerdings ist die Verwendung etwas gewebstraumatisch («Sägeeffekt» beim Durchstechen und Durchziehen durch die Haut). Bei monofilem resorbierbarem Nahtmaterial können lange Resorptionszeiten auftreten, sodass diese bisweilen aktiv entfernt werden müssen. Aus diesem Grunde verwenden wir auf der Notfallstation geflochtene resorbierbare Fäden (Vicryl®). Tabelle 3 bietet eine Übersicht über die gängisten Fadenmaterialien. Bei Jugendlichen und bei gelenksübergreifenden Wundnähten kann eine Fadenstärke von 3-0 indiziert sein, ansonsten bewegen sich die Fadenstärken meist im Bereich von 4-0 bis 6-0. Die Fadenentfernung im Gesicht erfolgt frühzeitig zur Vermeidung einer Narbenbildung entlang des Fadenmaterials (4–5 Tage); am Kinn, aufgrund etwas vermehrter Spannung, eher nach 6 bis 7 Tagen (Tabelle 4). Bisswunden Bisswunden werden in der Regel – ausser im Gesicht – wegen der hohen Infektionsgefahr nicht primär verschlossen. Die Bisswunden sollen sorgfältig gereinigt und debridiert werden. Die Wundkontrolle soll bereits am nächsten Tag erfolgen. Die Versorgung von Bissen im Gesicht erfordern oftmals eine Allgemeinnarkose, einen Hautverschluss möglicherweise unter Einlage einer Wunddrainage und eine antibiotische Prophylaxe. Ein Spezialfall stellen Katzen- oder Menschenbisse dar. Die Bissverletzungen können bis in die tiefen Haut schichten reichen, die bakterielle Besiedelung des Katzengebisses ist hoch und der Bisskanal klein. Das sind ideale Voraussetzungen für einen tiefen Wundinfekt. In der Kindermedizin werden Katzenbisse in der Regel nicht ausgeschnitten, eine sorgfältige Wunddesinfektion und Antibiotikaprophylaxe mit Co-Amoxicillin sind aber obligat. In der Schweiz besteht eine Meldepflicht für ärztlich Tabelle 3: Gängige Fadenmaterialien Monofil Geflochten Resorbierbar Maxon®, Monocryl® Vicryl®, Dexon® Nicht resorbierbar Ethilon®, Prolene® – Tabelle 4: Fadenstärken und Entfernungszeitpunkt entsprechend der Wundlokalisation Wundlokalisation Kopfhaut behaart Gesicht Rumpf Extremitäten Fadenstärke 4-0 bis 5-0 5-0 bis 6-0 3-0 bis 4-0 (3-0) bis 5-0 Fadenentfernung Tag 6 bis 8 Tag 4 bis 5 Tag 10 bis 14 Tag 10 bis 14 behandelte Hundebisse, welche je nach Veterinäramt auch online erfolgen kann. Wundkleber Eine Alternative zur Wundnaht stellt die Wundrandadaptation mittels Gewebskleber dar. Diese Wundversorgung kann deutlich schneller durchgeführt werden als die Wundnaht. Regionale und lokale Anästhesie respektive Analgesie sind seltener notwendig. Saubere und trockene Wunden mit glatten Wundrändern, welche spannungsfrei – präferenziell längs der Hautspannungslinien – adaptierbar sind, eignen sich zum Kleben. Dafür stehen Gewebekleber auf Cyano-Acrylat-Basis zur Verfügung. Generell muss darauf geachtet werden, dass der Kleber nicht in die Wunde gelangt und nur die oberen Schichten der Haut geklebt werden. Gewebekleber, welcher in eine Wunde hineingelangt, kann Wundheilungsstörung wie zum Beispiel eine Fremdkörperreaktion auslösen. Die geklebte Wunde ist nach Abheilung einer genähten Wunde kosmetisch ebenbürtig. Allerdings ist die Wunde in den ersten 4 Tagen nicht so zugfest wie eine Wundnaht. Dehiszenzen können – wenn auch selten – vorkommen, insbesondere, wenn Grundsätzliches bei der Intervention und postinterventionell (glatte Wundränder, trockene Wunde und Umgebung, wenig Spannung) nicht berücksichtigt wird. Nach einer Woche entspricht die Zugfestigkeit aber der Wundrandadaptation mit Nahtmaterial. Die häufig beobachteten Platzwunden am Kinn beim Kleinkind sind wegen Spannung und – beim speichelnden Kleinkind – wegen der Exposition mit Feuchtigkeit ungeeignet zum Kleben (Abbildung 2). Wunden in der Nähe der Augen können manchmal geklebt werden, wenn die Augen geschützt werden, zum Beispiel mit Tupfer oder einer Schicht Vaseline. Allerdings setzt dies eine gewisse Compliance des Kindes voraus, damit kein Klebstoff in die Augen gerät und vermieden wird, dass durch nicht spannungsfreie Adaptation Zug auf die Augenpartie ausgeübt wird, was unter Umständen zu inkomplettem Lidschluss führen kann. Je visköser der Klebstoff, umso weniger fliesst von der Wunde ab. Applikatoren für den Klebstoff gibt es verschiedene, zum Beispiel mit einem spitzen Aufsatz für die tröpfchenweise Abgabe oder mit einem Rollon-Prinzip. Wir haben Applikatioren mit breiter Basis. Damit wird etwas breiter, aber nach unserer klinischen Erfahrung gleichmässiger appliziert. Ein breit aufgetragener Wundkleber verringert auch die Spannung auf die Wunde. Die Präferenz für den einen oder anderen Applikator ist letztlich individuell. Es kann nicht nur bei unsachgemässer Handhabung, sondern auch bei vorsichtiger Applikation vorkommen, dass Tupfer oder behandschuhte Finger mit der Haut des Patienten verklebt werden. Mit Vaseline oder Aceton kann falsch platzierter Wundkleber prinzipiell entfernt werden. Nach 7 bis 10 Tagen löst sich der angebrachte Kleber mit der Neuepithelialisierung der Haut ab. Sind die Wundränder sicher fixiert, trägt man den Klebstoff in zwei bis drei dünnen Schichten auf. Zwischen den einzelnen Schichten soll man einige Sekunden verstreichen lassen, um die Polymerisation zu ermöglichen. Der Kleber hat zusätzlich eine antimikrobielle Wirkung. Nach 30 bis 60 Sekunden sollte der Kleber so weit getrocknet sein, dass die Wundränder adaptiert bleiben. 12 Pädiatrie 5+6/23 Patienteninstruktion nach der Wundversorgung Nach erfolgter Wundversorgung soll die Wunde, ob geklebt oder genäht, trocken gehalten werden. Es empfiehlt sich ein trockener Verband. Wir empfehlen den Eltern und den Patientinnen und Patienten, nach Entfernen der Fäden (bzw. 2 Wochen nach Naht mit selbstresorbierbaren Fäden), die Narbe täglich mit fetthaltiger Salbe zu pflegen, wobei die Salbe einmassiert werden soll. Damit kann Verhärtungen im Bereich der Narbe vorgebeugt werden. Die Narbe sollte für die ersten 6 bis 12 Monate vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden, zum Beispiel mit einer Sonnencreme mit LSF 50. Der Kleber löst sich von selbst ab, in der Regel nach 7 bis 10 Tagen. Teile von resorbierbarem Nahtmaterial können nach der Heilung als Fadenstümpfe leicht aus der Haut ragen, diese können mit etwas fetthaltiger Creme behandelt werden und lösen sich in 2 bis 3 Wochen auf. Gleiches gilt für den Gewebekleber. Dieser kann, falls nach 10 bis 14 Tagen noch vorhanden, mittels fetthaltiger Salbe entfernt werden. Nahtmaterial mit sich nicht auflösendem Faden sollte nach 4 bis 14 Tagen (je nach Lokalisation der Wunde) ärztlich entfernt werden. Eine Wunde, die mit Hautkleber geschlossen wurde, muss nicht zwingend verbunden werden. Der Kleber wirkt wie ein Verband. Der Wundkleber soll nicht mit anderem Wundversorgungsmaterial wie zum Beispiel Steristrips abgedeckt werden, da dadurch der Kleber aufgelöst werden kann. Nach 2 Tagen darf das Kind wieder duschen, aber 7 bis 10 Tage lang nicht baden, die Stelle nicht in Wasser einweichen oder schrubben. Ähnliches gilt für Wundnähte. Bis 2 Tage nach Fadenentfernung soll die Wunde nicht gebadet werden. Während einer Woche nach Fadenentfernung beziehungsweise für insgesamt zwei Wochen bei sich selbst auflösenden Fäden empfiehlt es sich, auf Aktivitäten oder Sportarten, die den Wundbereich erneut verletzen oder strapazieren könnten, zu verzichten. Korrespondenzadresse: Dr. med. Michel Ramser Leiter interdisziplinäre Notfallstation Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) Spitalstrasse 33 4031 Basel E-Mail: michel.ramser@ukbb.ch Interessenlage: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen. Schwerpunkt 5+6/23 Pädiatrie 13