Transkript
Schwerpunkt
«Luft, Luft und nochmal Luft»
Nützliche Tipps bei Windeldermatitis
Foto: zVg
Die Windeldermatitis ist häufig und schmerzhaft. Wir sprachen mit der Wundexpertin SAfW Wanda Braun am Universitäts-Kinderspital beider Basel und fragten, was bei der Behandlung zu beachten sei und welche Massnahmen den grössten Erfolg versprächen.
Wanda Braun
«Es geht vor
allem darum, den Eltern die Verzweiflung zu nehmen und ihnen zu sagen, dass es Zeit braucht, aber alles wieder gut
wird.»
PÄDIATRIE: Frau Braun, wie häufig ist die Windeldermatitis? Wanda Braun: Manchmal sehen wir monatelang keine Kinder mit diesem Problem und dann kommen wellenartig viele Fälle auf einmal, die uns von verschiedenen Stationen am Spital zugewiesen werden. Es ist eine häufige Hautproblematik bei Säuglingen und Kleinkindern.
Gibt es eine jahreszeitliche Häufung der Fälle? Nein, aber wir sehen die Windeldermatitis häufig in Verbindung mit anderen Krankheitsbildern, zum Beispiel bei Kindern nach Stomarückverlegungen oder bei Durchfallerkrankungen.
Wie unterscheidet man die Windeldermatitis von anderen Hauterkrankungen? Ein grundsätzlicher Unterschied ist, dass Windeldermatitis isoliert im Windelbereich vorkommt, also im Gesässbereich. Andere Hauterkrankungen beim Kind können den ganzen Körper betreffen, wie das Gesicht oder auch den Oberkörper. Bei der Windeldermatitis ist es nur der Windelbereich. Die Windeldermatitis wird durch Urin und Stuhl ausgelöst, es handelt sich um typische Hautveränderungen und Läsionen. Abgrenzen muss man dann noch den Soor als eine spezielle Form der Windeldermatitis, der eine Pilzinfektion zugrunde liegt. Wenn die Hautveränderungen nirgendwo sonst am Körper vorkommen und das Kind einen ansonsten unauffälligen Hautstatus hat, kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Windeldermatitis handelt.
Wir beginnen zum Beispiel mit der Freilufttherapie für eine Woche und sagen den Eltern, dass sie sich melden sollen, wenn es sich nicht bessert. Wir erklären vor allem auch, wie man die Gesässpflege so schmerzarm wie möglich durchführt, das ist das A und O – und Luft, Luft und nochmal Luft ist für uns das Patentrezept.
Welche weiteren Therapien sind sinnvoll? Man muss das Kind auf jeden Fall häufiger wickeln und weniger Stunden als sonst mit dem Wickeln warten. Man sollte möglichst gar keine Windeln verwenden, sondern nur eine Unterlage und das Kind mit freiem Gesäss spielen lassen. Wenn ein Kind Diarrhö hat, sollte man frühzeitig Hautschutzprodukte einsetzen, damit es nicht zu Läsionen kommt. Für das Reinigen sollte man keine Feuchttücher, sondern wirklich nur Wasser und/oder Schwarztee verwenden. Damit machen wir sehr gute Erfahrungen, auch wenn Studien keine eindeutigen Beweise für die Wirksamkeit von Schwarztee ergeben haben. Man soll beim Reinigen die Haut nur abtupfen, nicht reiben, weil das die Läsionen öffnen kann und extrem schmerzhaft ist. Es gibt verschiedene Hautschutzprodukte und Sprays, die wir je nach Schweregrad einsetzen. Aber man muss sagen, keine Windeln zu verwenden, ist wirklich die beste Therapie.
Was kann man zur Schmerzlinderung geben? Ein Zäpfchen mit Paracetamol ist völlig legitim. Lokal geben wir aber keine Schmerzmittel.
Ist die Windeldermatitis bei Stoff- oder bei Einwegwindeln häufiger? Ich habe nicht viel Erfahrung mit Stoffwindeln, weil die Patienten, die ich betreue, meistens Einwegwindeln tragen und wir im Spital eigentlich auch nur Einwegwindeln verwenden. Es scheint aber so zu sein, dass die Kinder hier sehr individuell reagieren. Die einen vertragen Einwegwindeln besser, die anderen die Stoffwindeln. Generell muss man sagen, dass Stoffwindeln aufgrund der Baumwolleinlagen meistens besser vertragen werden, zumal Einwegwindeln fest verschliessen sowie Plastik und Inhaltsstoffe enthalten. Es ist möglich, dass diese Inhaltsstoffe die Babyhaut irritieren. Hier kann aber keine genaue Aussage gemacht werden. Aufgrund der individuellen Hautreaktionen müssen die verschiedenen Windelmodelle ausprobiert werden.
Welche Sofortmassnahmen sind bei einem Kind mit Windeldermatitis notwendig?
Was sind die möglichen Komplikationen einer Windeldermatitis? Eine Komplikation ist der bereits erwähnte Soor. Bei Kindern mit Soor-Windeldermatitis ziehen die Pflegepersonen Ärzt:innen oder die Wundexpertinnen hinzu, die dann auch das Antimykotikum verordnen. Mit den vorhin erwähnten Therapiemethoden kommt man bei einer Soor-Windeldermatitis nicht weit. Es gibt auch Kinder, die nur eine leichte Windeldermatitis haben, die Therapien aber nicht wie gewünscht anschlagen, weil das Kind eine Diarrhö entwickelt. Wegen der Diarrhö muss man die Windel anlassen und dann werden die Läsionen offen und blutig. Das ist die häufigste Komplikation, die wir sehen. Meistens ist es zum Glück nur eine zunehmende Rötung auf der Gesässhaut. Aber wenn sich die Läsionen inselartig öffnen und bluten, ist das sehr schmerzhaft und die Therapie ist langwierig, was auch sehr belastend für die Eltern ist.
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Was tun Sie, wenn diese offenen, blutenden Läsionen auftreten? Wir verwenden verschiedene Produkte, wie zum Beispiel Zink und/oder Hautschutzprodukte. Um Schmerzen beim Applizieren zu vermeiden, verwenden wir Sprays und keine Produkte, die man manuell auftragen muss. Ausserdem achten wir darauf, dass die Kinder einen weitgehend normalen Stuhlgang haben, damit Urin und Stuhl nicht zusätzlich in den offenen Stellen brennen.
Bleiben diese Kinder bei Ihnen im Spital oder dürfen sie nach Hause? Meistens handelt es sich um Kinder, die aufgrund anderer Grunderkrankungen bei uns im Spital sind. Oft sind das auch Kinder, die Darmerkrankungen haben und deshalb für längere Zeit stationär bei uns sind. Wir haben also Zeit, die Windeldermatitis im Rahmen des Spitalaufenthalts zu behandeln. Wenn die Eltern viel Erfahrung haben, zum Beispiel bei Kindern nach der Stomarückverlegung oder bei Kindern, bei denen immer wieder offene Läsionen auftreten, lassen wir sie nach Hause und geben ihnen alles Notwendige mit. Die Eltern haben auch die Möglichkeit, sich bei Fragen bei uns, den Wundexpertinnen im UKBB, zu melden. Aber grundsätzlich bleiben die Kinder bei uns und wir behandeln sie im UKBB. Kinder, die aufgrund einer Windeldermatitis auf den Notfall eintreten oder über den Kinderarzt auf die Poliklinik eingewiesen werden, werden ambulant behandelt.
Wann muss ein Kind wegen Windeldermatitis ins Spital? Ich habe noch nie die Erfahrung gemacht, dass man ein Kind wegen einer Windeldermatitis im Spital aufgenommen hätte, sondern es handelt sich um Kinder, die aufgrund von anderen Erkrankungen hier sind und im Spital eine Windeldermatitis entwickelt haben. Aber wenn die Therapiemethoden ausgeschöpft sind und man einfach nicht mehr weiter weiss, darf man an uns verweisen, damit sich ein:e Wundexpert:in das Kind einmal anschaut. Man bemerkt ja, wie belastend das für die Familien ist, selbst wenn die Windeldermatitis nicht so extrem ausgeprägt ist. Es ist einfach schmerzhaft für das Kind und die Therapie braucht Zeit. Eine Windeldermatitis verschwindet nicht von heute auf morgen.
Gibt es ausser Ihrem Tipp mit dem Weglassen der Windel noch mehr praktische Ratschläge, die aus Ihrer Erfahrung nützlich wären? Schwarztee und keine Feuchttücher zu verwenden, macht schon viel aus, das kann ich aus eigener Erfahrung als Mutter bestätigen. Der Schwarztee wirkt antibakteriell und nimmt auch ein bisschen Feuchtigkeit. Man kann auch nur ganz einfach Wasser zum Reinigen benutzen, das ist auch sehr hilfreich. Es geht vor allem darum, den Eltern die Verzweiflung zu nehmen und ihnen zu sagen, dass es Zeit braucht, aber alles wieder gut wird.
Das Interview führte Dr. Renate Bonifer.
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