Transkript
Harnwegsinfekte
Fünf Tage können ausreichen
Neue Studie zur Dauer der oralen Antibiotikagabe bei HWI
Obwohl Harnwegsinfektionen (HWI) im Kindesalter nicht selten sind, gibt es kaum Studien, die Auskunft darüber geben, wie lang ein Antibiotikum bei einem unkomplizierten HWI tatsächlich verabreicht werden sollte. Die Ergebnisse der SCOUT-Studie deuten darauf hin, dass 5 Tage ausreichen können.
Empfehlungen zur Dauer der Antibiotikagabe bei HWI im Kindesalter finden sich in den Guidelines eher für Kinder mit einem febrilen HWI. Zum Beispiel heisst es in den Schweizer Richtlinien (1), dass in diesem Fall eine Behandlung mit Antibiotika über einen Zeitraum von 7 bis 10 Tagen als wirksam und ausreichend gelte; eine mit 7 bis 14 Tagen etwas längere Dauer der Antibiotikagabe empfiehlt die American A cademy of Pediatrics (AAP) (2). Die kürzlich publizierte SCOUT-Studie (SCOUT: Short Course Therapy for Urinary Tract Infec tions) liefert nun neue Erkenntnisse zur Kurzzeitantibio tikatherapie bei unkomplizierten HWI im Kindesalter (3). Es dauerte gut 10 Jahre von der Rekrutierung der ersten Patienten bis zur Publikation, was einmal mehr illustriert, wie aufwendig pädiatrische Studien selbst bei einem so häufigen Krankheitsbild wie den HWI sein können.
Orale Antibiotika für 5 oder 10 Tage im Vergleich
In die SCOUT-Studie einbezogen wurden Kinder mit HWI im Alter von 2 Monaten bis 10 Jahren, bei denen nach 5 Tagen Antibiotikagabe eine deutliche klinische Verbesserung eintrat (afebril, keine HWI-Symptome). Die Hälfte der Kinder erhielt sodann weitere 5 Tage lang ein Antibiotikum (also für insgesamt 10 Tage), die andere Hälfte ein Plazebo. Weder die Kinder und Eltern noch die behandelnden Ärzte wussten, wer das Verum und wer das Plazebo erhielt. Primärer Endpunkt war Therapieversagen, das heisst das Vorliegen eines symptomatischen HWI an den Tagen 11 bis 14 der Behandlung; ein zweiter Follow-up-Termin fand an den Tagen 24 bis 30 statt.
Resultate
664 Kinder, fast ausschliesslich Mädchen (96%), zeigten am 5. Tag das geforderte Ansprechen auf ein Antibiotikum und wurden in eine der beiden Behandlungsgruppen randomisiert. Das mediane Alter betrug 4 Jahre. Ein Nicht-Ansprechen auf Antibiotika kam eher selten vor. Nur 103 Kinder konnten wegen dieses Kriteriums nicht in die Studie aufgenommen werden. Zu einem Therapieversagen (festgestellt an Tag 11–14) kam es bei 0,6 Prozent der Kinder, die 10 Tage lang ein Antibiotikum eingenommen hatten. Mit der 5-tägigen Kurzzeittherapie waren es 4,2 Prozent der Kinder. Profil und Anzahl der Nebenwirkungen war in beiden Gruppe gleich; ebenso die Rate an symptomatischen HWI beim zweiten Follow-up-Termin nach rund 1 Monat. Statistisch betrachtet müsse man 28 Kinder zusätzlich für
10 Tage mit Antibiotika behandeln, um 1 Fall von Therapieversagen zu verhindern, so die Studienautoren. Sie errechneten ebenfalls die «number needed to treat» (NNT), um einem febrilen HWI mittels 10-tägiger Antbiotikagabe vorzubeugen (NNT: 67) sowie eine NNT von 469, um die gefürchtete Komplikation von Nierenschäden zu verhindern. Die Studie erlaubt keine Aussagen zur Wirksamkeit bestimmter Antibiotika. Zum Einsatz kam jeweils nur 1 Medikament, nämlich Amoxicillin-Clavulansäure oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol oder die in der Schweiz nicht für Patienten zugelassenen oder nicht mehr verfügbaren Antibiotika Cefixim, Cefdinir oder Cefalexin, ohne dass die Daten der jeweiligen Patientengruppen separat ausgewertet wurden.
Längere Antibiotikagabe wirkt besser, aber …
Die 10-tägige Antibiotikagabe sei zwar wirksamer gewesen als die 5-tägige, aber weil die Versagerquote auch bei der Kurzzeittherapie nicht allzu hoch gewesen sei, könne man diese trotzdem als vernünftige Alternative in Betracht ziehen, schreiben die Studienautoren. In einem Editorial zur SCOUT-Studie wird bemängelt, dass in der Studie nicht zwischen Kindern mit Pyelonephritis und Zystitis unterschieden wurde (4). Insofern sei nach wie vor nicht klar, wie lang Kinder mit einem unkomplizierten HWI Antibiotika erhalten sollten. Aufgrund der vorliegenden Daten sei es trotzdem vertretbar, die 5-tägige Kurzzeitbehandlung bei einer Zystitis zu erwägen, bei einer Pyelonephritis jedoch eher 10 Tage lang mit Antibiotika zu behandeln.
Renate Bonifer
1. Buettcher M et al.; Swiss consensus recommendations on urinary tract infections in children Eur J Pediatr. 2021;180(3):663-674. 2. Subcommittee on Urinary Tract Infection: Reaffirmation of AAP clinical practice guideline: the diagnosis and management of the initial urinary tract infection in febrile infants and young children 2-24 months of age. 2016;138(6):e20163026. 3. Zaoutis T et al.: Short-Course Therapy for Urinary Tract Infections in Children: The SCOUT Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr. 2023;177(8):782-789. 4. Milstone AM, Tamma PD: Does the SCOUT Trial Fall Short of Determining an Effective Treatment Duration for Pediatric Urinary Tract Infections? JAMA Pediatr. 2023;177(8): 756-758.
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Pädiatrie 6/22